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Kultur im Kölner WahlkampfVor allem „niederschwellig“ soll es sein

6 min
Seit einigen Wochen ist die Wahlwerbung im öffentlichen Straßenraum erlaubt. Zahlreiche Wahlplakate zur Wahl sind seitdem im Stadtbild zu sehen.

Die Kölner Parteien werben eifrig - selten mit dem Thema Kultur. 

Das sagen die Kölner Parteien in ihren Wahlprogrammen zur Kultur. Eine kritische Analyse und Entscheidungshilfe.

Papier ist bekanntlich geduldig, eine Einsicht, auf die sich politische Parteien mit einem beinahe schon natürlichen Gewohnheitsrecht berufen können. Ihre Wahlprogramme sind Versprechen, von denen jeder Bürger weiß, dass sie unter dem Vorbehalt von Wahlerfolg und Koalitionsverhandlungen stehen. Müßig ist ihre Lektüre deswegen aber nicht, und sei es nur, um lieb gewonnene Vorurteile an ihnen zu messen.

Besonders geduldig müssten demnach die Papiere der Kölner Parteien zur Kulturpolitik ausgefallen sein – ein Feld, auf dem man nach allgemeiner Auffassung keine Wahlen gewinnt. Köln scheint dafür ein gutes Beispiel zu geben, denn selbst das Operndesaster taugt hier nicht zum Wahlkampfthema. Trotzdem ist die Kultur für alle maßgeblichen Kölner Parteien bis auf die Linke fester Bestandteil des Wahlprogramms. Was haben sie zu sagen? Wir haben die Wahlprogramme einer kritischen Analyse unterzogen.

Grüne: Kultur als Bildungsanstalt

Den Grünen sagt man gerne eine Skepsis gegenüber der bürgerlichen Hochkultur nach, jedenfalls in deren zweckfreier Ausprägung. Im Kölner Wahlprogramm wird die Kultur zunächst als „Herzstück der Demokratie und Grundlage unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts“ gepriesen und etwas weniger enthusiastisch als wichtiger Wirtschaftsfaktor geschätzt. Vielleicht, um nicht als Öko-FDP zu gelten, folgt der Nachsatz, Kunst und Kultur dürften nicht auf ihre Wirtschaftlichkeit reduziert werden.

Stattdessen gibt es eine Tendenz, die Kultur zur moralischen Bildungsanstalt zu machen. Für die Kölner Grünen sollte die Kultur vor allem inklusiv und niederschwellig sein, also möglichst viele Menschen erreichen und im Sinne der demokratischen Werte erziehen. Das bevorzugte Mittel, um die Schwellen städtischer Museen, Theater und Konzerthäuser zu senken, ist für die Grünen die Einbindung der freien Szene. Sie möchten „den Dialog zwischen sogenannten subkulturellen und etablierten Formaten sowie der institutionellen und freien Szene als jeweils gleichwertige Partner fördern“. An einer Stelle heißt es, man wolle „auf die Öffnung der städtischen Kulturbauten für andere Kulturschaffende drängen“.

An wenigen Stellen werden die Grünen konkret. Sie wollen das vom Schauspiel demnächst (hoffentlich) geräumte Depot „als Produktionshaus für die freie Szene weiterentwickeln“, die Öffnungszeiten der Museen erweitern und den Eintritt in die Sammlungen nach dem Prinzip „pay as much as you want“ freistellen. Museen sollen „Dritte Orte“ werden. Ansonsten wollen die Grünen „Kulturprojekte in den Bezirken und Veedeln besonders fördern“ und die „kulturelle Bildung wieder stärker im Dezernat Kunst und Kultur ansiedeln“, nachdem einige Zuständigkeiten zuletzt an Oberbürgermeisterin und Kämmerin gefallen waren.

Interessant ist, was nicht im Wahlprogramm steht. Die grüne Fraktionsvorsitzende Christiane Martin hatte die Verwaltung zuletzt aufgefordert, Synergien zwischen den städtischen Museen zu finden und zu prüfen, ob sich Sammlungen oder sogar einzelne Häuser zusammenlegen ließen. Davon ist hier nicht die Rede. Man könnte Martins Anregungen unter den Begriff Schattenprogrammatik fassen.

CDU: Bitte mit Geschlechterparität

In der Kulturpolitik liest sich die Kölner CDU beinahe wie die Grünen. Kultur ist „Identität und Vielfalt“, und Kulturpolitik ist „Gesellschafts- und Bildungspolitik mit Berücksichtigung der Geschlechterparität“. Kulturangebote sollten „niedrigschwellig, inklusiv und zukunftsfähig sein“, man wolle freie Szene und Spitzenkultur gleichermaßen fördern – „in den Veedeln wie auf internationaler Bühne“. Der Unterschied zeigt sich vor allem darin, was die CDU nicht fordert: die Öffnung der Hochkultur für die freie Szene. Offenbar sollen die Sphären geschieden bleiben und jeweils für sich wachsen.

Und wer bezahlt das alles? Die Antwort der CDU lautet: „Der von uns initiierte Kultur-Soli soll optimiert werden durch eine sukzessive Ausweitung der einbezogenen Institutionen.“ Bislang wird etwa ein solidarischer Euro auf jede Eintrittskarte des Kölner Gürzenich-Orchesters aufgeschlagen. Zudem solle „gezielt die Einbindung von Sponsoren und privaten Geldgebern“ gefördert werden. Ansonsten hofft die CDU am Offenbachplatz auf fortwährende Festspiele: „Das Operndrama soll sich gelohnt haben“, heißt es im Wahlprogramm.

Vergleichbare Dramen müsse zukünftig eine „Kulturbau GmbH zur effizienteren Steuerung von Bauprojekten“ abwenden; zudem setzt sich die CDU „für eine solide Instandhaltungsplanung“ der Kulturbauten ein. In die Kategorie „Wunschzettel“ fallen ein „akustisch hochwertiger Konzertsaal für rund 300 Personen“ und eine Open-Air-Fläche für Großkonzerte in der Stadt.

SPD: Kultur darf nicht hochherzig sein

„Kultur ist das Herz unserer Stadt“, schreibt die SPD, aber hochherzig soll die Kultur nicht sein. „Wir denken Kultur neu“, heißt es: „Als Motor für soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Stadtentwicklung. Wir wollen die Fixierung der grün-schwarzen Kulturpolitik auf Groß- und Renommierprojekte durchbrechen.“ Kultur als Selbstzweck kommt bei der Kölner SPD nicht mehr vor, denn: „Die Stadt ist das Museum! Wir wollen Köln als lebendiges, dezentralisiertes Museum begreifen.“ Statt auf teure Neubauten setze man lieber „auf Satellitenorte und interaktive, appbasierte Rundgänge“.

Deswegen fordert die SPD auch „einen sofortigen Baustopp der Opernbaustelle am Offenbachplatz, um eine unabhängige und transparente Prüfung der baulichen und finanziellen Situation durchzuführen“. Zur Erinnerung: Nach aktuellem Stand soll die Oper sechs Monate nach der Wahl fertiggestellt sein. Auch sonst mag es die SPD niederschwellig: „Wir werden unsere Bibliotheken als zentrale Orte der Begegnung stärken. Wir erkennen Musikclubs als Kulturorte und Schutzräume an und setzen uns dafür ein, die Verdrängung von Clubs zu verhindern.“ Für Familien will die SPD das kostenfreie Kulturangebot ausweiten und „beispielsweise“ den Langen Donnerstag um einen Langen Samstag ergänzen, „damit Kölner Familien auch an einem Wochenendtag im Monat kostenlosen Eintritt in alle Kölner Museen erhalten“.

Die „Kleinen“: FDP, Linke, Volt, AfD

Am ausführlichsten beschäftigt sich die FDP mit der Kölner Kulturlandschaft, hält sich mit konkreten Vorschlägen, die über das Mantra der „selbstbestimmten, freien Entfaltung“ hinausgehen, aber zurück. Sie will Kulturförderabgabe (die „Bettensteuer“) und Vergnügungssteuer für gewerbliche Tanz-, Musik- und Filmveranstaltungen abschaffen, die Museen aus den „Verwaltungs- und Politikfesseln“ befreien, die Clubszene schützen, das Kulturmarketing professionalisieren und den bestehenden Kulturentwicklungsplan konsequent zur Richtschnur des politischen Handelns machen. Die FDP fordert einen Sanierungsplan für das Zeughaus als Heimat des Stadtmuseums und will prüfen lassen, ob das geplante Museumsdepot von Investoren für die Stadt Köln geplant, errichtet und möglicherweise sogar betrieben werden kann.

Bei den Linken kommt die Kultur kaum vor, dafür konzentriert sich die Partie auf das Thema Bildung – als Voraussetzung für kulturelle Teilhabe. Sie will „bei Bund und Land deutlich hörbar mehr Geld für Bildung und für die Kommunen fordern“, der Clubkultur politische Rückendeckung verschaffen und die Kölner Oper zur „Open Opera“ weiterentwickeln, die sich der gesamten Stadtgesellschaft öffnet.

Volt versucht das Problem der kommunalen Kulturpolitik an der Wurzel zu packen und will die Kultur zur „Pflichtaufgabe im kommunalen Selbstverständnis“ machen; aktuell zählt sie zu den freiwilligen Leistungen. Ansonsten stehen Effizienz und Entbürokratisierung im Fokus des kulturpolitischen Wahlprogramms. Aber auch Volt fordert niedrigere Schwellen: „Eine gerechte Kulturpolitik muss Teilhabe ermöglichen, nicht nur Zugang gewähren.“ Was nicht im Wahlprogramm steht: Finanzieren will Volt seine Wahlversprechen in anderen Politikfeldern notfalls durch Einsparungen im Kulturbereich, etwa durch die Zusammenlegung von Museen.

In der Kulturpolitik gibt sich die AfD haushälterisch und bekennt sich zum Sparkurs, „leider auch im Kulturbereich“. Konkrete Vorschläge gibt es dazu kaum, außer die „ernsthafte und ergebnisoffene Prüfung einer Fusion der beiden Opernhäuser von Köln und Bonn“. Ansonsten ist viel von Bürgerbeteiligung etwa bei kulturellen Großprojekten die Rede, und der Stiftungsgedanke soll gefördert werden. Außerdem fordert die AfD, das Film Festival Cologne zu stärken, notfalls zulasten kleinerer Festivals; aktuell ist die Stadt beim Film Festival Cologne nur Juniorpartnerin von Land und Filmstiftung NRW.

Ansonsten geht es der AfD um Kulturkampf. Die Stichworte hierbei sind Gendern, das sie der Verwaltung untersagen will, die Umbenennung von politisch belasteten Straßennamen oder die Debatte über die „Abschaffung“ historischer Denkmäler.