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„Das ist vollkommener Quatsch“Kölner Opern-Intendant geht nach Vorwürfen in die Offensive

7 min
Opernintendant Hein Mulders

Hein Mulders

Hein Mulders äußert sich im Exklusiv-Interview erstmals zu den Vorwürfen gegen ihn und spricht von einer „perfiden Schmierenkampagne“.

Herr Mulders, Sie haben am Donnerstag in einer E-Mail an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Oper öffentlich gemacht, dass es Gerüchte über ein angebliches Fehlverhalten von Ihnen am Arbeitsplatz gibt. Sie sprechen von „homophoben Diffamierungen“. Warum sind Sie diesen Schritt gegangen?

Hein Mulders: Weil ich mich wehren möchte. Gegen Gerüchte, die mich diffamieren und diskreditieren sollen, und zu denen ich schon viel zu lange geschwiegen habe. Mitte Dezember vergangenen Jahres habe ich zum ersten Mal mitbekommen, dass im Kölner Kulturbetrieb über mich geredet wird. Dass ich auf einer Toilette der Oper Sex gehabt hätte mit einem Mitarbeiter. Und dass man mich gesehen habe, als ich mit einem Mitarbeiter einen Lagerraum betreten hätte. Das klang so, als sei ich da reingegangen, um irgendwelche wüsten Dinge zu treiben.

Stimmen die Gerüchte denn?

Nein! Das mit der Toilette ist absolut erlogen. Ich war völlig sprachlos, als ich von dem Quatsch gehört habe. Und was das Lager betrifft: Als Betriebsleiter muss ich mit einem Mitarbeiter natürlich auch schon einmal in einen der Räume gehen.

Wie haben Sie denn im Dezember auf die Behauptungen reagiert?

Erst einmal gar nicht. Mir wurde in meinem Umfeld geraten, den Ball flach zu halten. Wenn ich mich gegen die Lügen und Unterstellungen verteidigen würde, würde ich die Sache vielleicht erst groß machen. Das schien mir vernünftig. Im Nachhinein aber denke ich, dass es ein Fehler war, nicht sofort zu reagieren.

Wieso?

Im Laufe der Wochen und Monate wurde es immer abstruser. Ich habe dann auch gehört, man würde mir unterstellen, ständig in Homosexuellen-Saunas zu gehen, in Wien, Aachen oder München beispielsweise. Und dass ich die Besuche mit der städtischen Kreditkarte bezahlt hätte. Auch das ist vollkommener Quatsch.

Wurden alle Ihre Abrechnungen vom städtischen Rechnungsprüfungsamt gecheckt?

Ja, das ist passiert, ohne dass ein Anflug von einer Unstimmigkeit entdeckt wurde. Unabhängig davon: Ich habe die städtische Kreditkarte überhaupt nicht, könnte damit also gar keine Besuche in Saunenbezahlen. Die Karte wird von meinem Sekretariat verwaltet, das alle Reisen für mich bucht.

Im Nachhinein denke ich, dass es ein Fehler war, nicht sofort zu reagieren
Hein Mulders

Sie sollen, so heißt es in der Oper, einen Mitarbeiter unter Druck gesetzt haben, indem sie ihm fälschlicherweise vorwarfen, Geld entwendet zu haben?

Nein. Zwischen Februar und Juli letzten Jahres wurden immer wieder kleinere Geldbeträge gestohlen. Personalabteilung, Geschäftsführung und mir als Intendant wurden anonyme Berichte dazu zugespielt. Und ein Mitarbeiter hat mich angesprochen, um von diesen Missständen zu berichten. Intern habe ich auf das Problem hingewiesen und gesagt, dass wir reagieren und die Polizei einschalten müssen. Am Ende aber wurde kein Täter gefunden, weshalb die Ermittlungen im November letzten Jahres eingestellt wurden. Ich habe nie einen Mitarbeiter konkret verdächtigt.

Haben Sie eine Ahnung, woher die Gerüchte stammen?

Nein, das weiß ich nicht. Ich kann da nur vermuten. Das möchte ich aber in der Öffentlichkeit nicht tun.

Warum, glauben Sie, halten sich die Geschichten denn so hartnäckig?

Wir leben in einer Zeit, in der Fake News immer bereitwilliger geglaubt werden. Hinzu kommen die gravierenden Vorgänge um den Chefdirigenten und Generalmusikdirektor der Oper im Mai vergangenen Jahres. Da wurde in der Presse berichtet, dass er ungefragt unangemessene Bilder sexueller Art mit dem Handy verschickt hat. Er hat sich für den Fehler zwar entschuldigt, musste seinen Posten eineinhalb Monate später räumen. Die Verunsicherung und Unruhe im Ensemble aber ist geblieben. Eine Situation, in der weitere Geschichten über sexuelle Ausschweifungen im Kulturbetrieb vielleicht auch einfacher geglaubt werden. So nach dem Motto: Noch einer, aber wen wundert’s …

Haben Sie damals als Chef denn auf die von Ihnen beschriebene Unruhe in der Belegschaft reagiert?

Ja, ich habe „Themis“ eingeschaltet, eine Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt, bei der Betroffene sich melden können. Im Oktober vergangenen Jahres gab es eine Informationsveranstaltung in der Oper, um für das Thema zu sensibilisieren. Bei dem Termin habe ich mich gewundert, dass dort auch sehr emotionale Fragen kamen. Und im Nachhinein habe ich das Gefühl, dass gerade diese Veranstaltung auch noch einmal Ideen geweckt hat, dass dies eine Möglichkeit wäre, einen Menschen zu diffamieren.

Mein Ruf soll geschädigt werden, es soll suggeriert werden, ich sei unseriös und moralisch nicht geeignet für eine Führungsposition
Hein Mulders

Aber warum gehen Sie gerade jetzt damit an die Öffentlichkeit?

Ich habe lange mit mir gerungen, was ich machen soll. Ich habe mit so einer Sache keine Erfahrung. Gerüchte kommen meist spät zu den Betroffenen, denke ich. Manchmal erst dann, wenn alle anderen schon Bescheid wissen. Als ich vor Kurzem von dem Saunen-Gerede gehört habe, habe ich gedacht: Jetzt reicht es! Das ist eine homophobe Diffamierungskampagne, und sie schockiert mich zutiefst. Mein Ruf soll geschädigt werden, es soll suggeriert werden, ich sei unseriös und moralisch nicht geeignet für eine Führungsposition.

Wie wir gehört haben, haben sich die Gerüchte über Sie längst schon über die Oper hinaus verbreitet.

Ja, das stimmt. Ich habe das Gefühl, dass im Kölner Kulturbetrieb nahezu alle Bescheid wissen. Auch im Kuratorium der Oper und in der Stadtverwaltung sind die Gerüchte bekannt. Selbst im nationalen und internationalen Opern-Bereich wird darüber gesprochen, wurde mir gesagt. Die Leute reden miteinander, und so groß ist die Branche nicht, da spricht sich so etwas schnell rum. Und die Informationen wurden offenbar gezielt platziert, um mir zu schaden. Das ist eine perfide Schmierenkampagne.

Wenn alle in der Oper Bescheid wissen, wie hat sich das denn auf das Arbeitsklima in den vergangenen Monaten ausgewirkt?

Ich habe bemerkt, dass Mitarbeiter einiger Abteilungen plötzlich weggeschaut haben, wenn ich ihnen im Haus begegnet bin. Vorher war es eher wie in einer großen Familie, zuletzt aber wurde ich von einigen gemieden. Und da merke ich schon, dass da eine gewisse Dynamik entstanden ist.

Zu den Vorwürfen, die verbreitet werden, gehört auch die Behauptung, Sie würden in Ihrer Zeit in Köln bereits den sechsten Dienstwagen fahren. Und die Werkstätten der Oper hätten häufig nichts zu tun, weil die Intendanz überwiegend schon bestehende Produktionen einkauft.

Was für ein Unfug! Wir haben 36 Standorte in der Stadt. Um die zu erreichen, wollte ich als Leasing-Dienstwagen einen kleinen Ford Puma haben. Aber bis der geliefert wurde, musste ich immer wieder auf andere Fahrzeuge aus dem Pool zurückgreifen. Vielleicht ist dadurch der Eindruck entstanden, ich würde mir ständig einen neuen Wagen „gönnen“. Und was die Bühnen-Werkstätten betrifft: Auch das stimmt schlichtweg nicht, in Summe sind die durchaus ausgelastet.

Laut der Gerüchte wird Ihnen auch „Narzissmus“ vorgeworfen. Der sei so ausgeprägt, dass man Ihnen keine Personalverantwortung übertragen dürfe. Wie kommentieren Sie diese Einschätzung?

Mit über 600 Mitarbeitenden braucht man einen selbstbewussten Führungsstil. Und ich bin ein Macher, ich setzte Sachen um. Ich denke, dass ich in Augen der Kritiker vielleicht der Störfaktor bin. Ich gucke nicht weg, wenn ich Missstände sehe. Und ich orientiere mich strikt an den tatsächlichen Möglichkeiten: Was habe ich im Portemonnaie? Was kann ich damit machen und wie genau setzen wir das um? Ich mache einfach pragmatisch meinen Job und sitze nicht im Elfenbeinturm.

Vielleicht kann man sagen, dass ich im Alter ein bisschen die Geduld verliere. Aber ich lasse mich trotzdem immer auf Gespräche ein
Hein Mulders

Das klingt, als würden Sie glauben, alles richtig zu machen.

Vielleicht kann man sagen, dass ich im Alter ein bisschen die Geduld verliere. Aber ich lasse mich trotzdem immer auf Gespräche ein. Und seitdem ich hier bin, versuche ich ständig, die Leute mitzunehmen und zu motivieren. Am Ende aber muss ich entscheiden, was wir tun und lassen. Das ist meine Aufgabe.

Behauptet wird, dass Teile der Mitarbeiterschaft Ihnen vorwerfen, es fehle Ihnen an „künstlerischen Visionen“, weshalb die Oper Köln in nationalen und schon gar nicht in internationalen Opernverbund keine Rolle mehr spiele.

Was soll ich dazu sagen? Ich sehe das völlig anders. Und auch externe Experten bewerten die Oper unter meiner Leitung als deutlich internationaler und niveauvoller. In einem Ensemble mit vielen kreativen Persönlichkeiten gehen die Meinungen allerdings auch schon einmal weit auseinander. Vielleicht spielen manchmal auch persönliche Kränkungen eine Rolle. Ich bin hier unter anderem der Casting-Direktor. Wenn ich beispielsweise die erste Stimme für eine Aufführung besetzte, muss ich mich auch gegen jemanden entscheiden. Das kann naturgemäß nicht immer gut ankommen, das verstehe ich auch.

Gibt es bei der Oper denn feste Regeln für den Umgang miteinander?

Ja, wir haben einen eigenen Verhaltenskodex entwickelt. Es gab einen für das Schauspiel, aber der passte nicht so gut für uns. Deswegen haben wir einen Kodex für alle Bühnen entwickelt. Damit sind wir inzwischen sogar ein Modell für andere Opernhäuser in Deutschland. Der Kodex hat zehn Seiten, wir haben alle Mitarbeiter mitgenommen, das war ein Riesenprozess.

Welche Rolle spielt bei Ihrer Arbeit denn das Baudesaster der Oper, die einfach nicht fertig werden will?

Seitdem ich hier bin, betreibe ich wegen den Verzögerungen bei der Sanierung ein Krisenmanagement. Die nötigen Improvisationen schaffen Voraussetzungen, die manchmal grausam für die Belegschaft sind.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie bei Ihrer Arbeit aktuell?

Für das kommende Jahr, von Januar bis Juni, sollten wir überhaupt keine Spielstätte haben. Dann habe ich mich darum gekümmert, dass wir wenigstens zwei unserer drei Säle weiterbenutzen können. Aber alle Funktionsräume müssen wir räumen, das ist eine enorme Belastung. Die Alternative wäre jedoch gewesen, ein halbes Jahr überhaupt nicht zu spielen oder mal in einer Kirche aufzutreten, wurde mir gesagt. Das ist eine besondere Belastung für das gesamte Team. Aber lieber spielen als nicht spielen!

Was erwarten Sie denn jetzt von Ihrem Arbeitgeber?

Gemeinsam mit einem starken Team die Oper und die Kinderoper am Offenbachplatz eröffnen!


Hein Mulders, 1962 im niederländischen Bussum geboren, studierte Kunstgeschichte und Musikwissenschaft. Nach Stationen in Antwerpen, Amsterdam und Essen leitet er seit Herbst 2022 die Kölner Oper. Sein Vertrag wurde im Mai dieses Jahres vorzeitig bis 2032 verlängert.