Kölner Kunstbuchverlag Wienand„Mit den Büchern verschwindet auch die Kultur”

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Michael Wienand 

  • Der Kölner Kunstbuchverlag Wienand feiert sein 70-jähriges Bestehen unter dem provokanten Motto „Das Buch ist tot“.
  • Wie läuft das Geschäft in der zunehmend schwierigen Branche? Wie kann man überleben? Ein Gespräch – und ein Rückblick – mit dem Verleger Michael Wienand.

Köln – „Ich bin ein entschiedener Wegwerfer von Büchern“, sagt der Kölner Verleger Michael Wienand. Nanu, denkt man, müsste das nicht die Todsünde für jemanden sein, der sein berufliches Leben den Büchern widmet? Aber bevor Wienand in die Dante’sche Hölle für Verleger fährt, schickt er einen entscheidenden Halbsatz hinterher: „von schlecht gemachten Büchern“. Platz schaffen für Qualität, dieses Motto passt schon viel besser zu Wienand, dessen Name weit über Köln hinaus für sorgfältig gemachte und schön gestaltete Kunstbücher steht.

Gegründet wurde der Verlag 1949 noch von Wienands Vater Adam, der sich als klassischer Druckerverleger verstand, herausgab, was ihm gefiel, und zu seinen eigenen Lieblingsautoren zählte. Sein Sohn und Nachfolger brachte eigene Vorlieben mit: Statt Kirche und Kultur waren ab den 1970er Jahren moderne und zeitgenössische Kunst die Leitsterne der Verlagsarbeit, wobei eines der frühen Herzensprojekte Michael Wienands eher einer lokalpatriotischen Quelle entsprang: Tilman Röhrigs „Sagen und Legenden von Köln“. „Ich hatte mich in der Schule über ein furchtbar langweiliges Sagenbuch geärgert und wollte es als Verleger ganz anders machen“, so Wienand. Offenbar galt von Anfang an: Platz da für das Bessere.

Zum 70-jährigen Bestehen seines Verlages lud Michael Wienand jetzt ins Museum Ludwig, um illustre Gäste vor der nahezu vollständig versammelten Kölner Kunstwelt über die Zukunft seines altehrwürdigen Metiers philosophieren zu lassen. Die Losung der Veranstaltung „Das Buch ist tot“ schien direkt aus der Verlegerhölle zu stammen, doch auch hier hat Wienand eine gelungene Ausflucht parat: „Ich wollte keine Rückschau, denn wie gut wir waren, wissen wir selbst.“ Stattdessen sollte es um die Zukunft des analogen Buches im digitalen Zeitalter gehen. Auch für den Wienand Verlag ist das ein Thema mit Fallstricken, denn das Bildungsbürgertum, das nach dem Ausstellungsbesuch wie selbstverständlich einen Katalog nach Hause trug, stirbt allmählich aus. Und von den Digital Natives weiß auch Wienand nicht, was sie genau wollen und wie sie für das langsame Papiermedium ohne Updatefunktion zu gewinnen sind.

Mittlerweile experimentiert Wienand mit digitalen Extras wie QR-Codes in seinen Büchern oder er verlagert besonders umfangreiche (und finanziell undankbare) Projekte wie Werkverzeichnisse teilweise ins Netz. Aber so richtig mag er sich dann doch nicht fürs E-Book und dessen potenziell unbegrenzte Möglichkeiten begeistern. Seine Frage ist und bleibt, wie man den Menschen das analoge Buch als „tiefe Bereicherung des eigenen Lebens“ vermitteln kann, und seine Antwort findet sich selbstredend im eigenen Sortiment.

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Etliche Wälzer im Grabstein-Format sind darunter, etwa der Katalog zur Sonderbund-Ausstellung im Kölner Wallraf-Richartz-Museum. Aber in Wienands Büchern liegt die Kunst eben nicht begraben, sie spukt vielmehr sehr lebendig auf den Seiten und dann im Kopf umher. Ohnehin ist das Buch für Wienand keine Mitnahmeware, sondern Kulturträger. Und dann wird er geradezu kämpferisch: „Mit den Büchern verschwindet die Kultur. Dagegen muss man sich stemmen.“

Mittlerweile stemmt sich Wienand auch mit schmaleren Formaten gegen den drohenden Kulturverlust. Seine „Kleine Reihe der Künstlerbiografien“ ist als Lektüre für 90 Minuten gedacht, aber deswegen, so Wienand, nicht unbedingt nur für zwischendurch. Auch bei dieser Reihe frage er sich stets: „Muss das wirklich gedruckt werden?“ Das ist die Schmerzgrenze für Wienand, wobei der digitale Wandel für Kunstbuchverlage eben auch „ein schmerzhafter Prozess“ sei. Gerade deswegen müssten Verlage, Museen und Künstler gemeinsam überlegen: Was können wir tun?

Mit einem für 2020 geplanten Buchprojekt sucht Wienand den Schulterschluss mit den Kölner Institutionen. Es geht um eine Art goldene Buchkiste mit den Schätzen der Stadt. Ob es diesen Wälzer als Volksausgabe und als Edition geben wird, etwa wie die gebündelten Kataloge des großen Ausstellungsreigens zur Kunst des Ruhrgebiets? Abwarten, sagt der Verleger.

Eine Rückschau gönnt sich der zukünftelnde Michael Wienand dann aber doch: In der Kölner Kunst- und Museumsbibliothek liegen die Meilensteine der Verlagsgeschichte in Vitrinen aus und scheinen darauf zu warten, von verliebten Lesern wachgeküsst zu werden. Im Buchladen geht das selbstredend auch.

„Wienand. Kunst in Büchern seit 1949“, Kunst- und Museumsbibliothek im Museum Ludwig, Bischofsgartenstr. 1, Köln, Mo. 14-21 Uhr, Di.-Do. 10-21 Uhr, Fr.-So. 10-18 Uhr, bis 14. November

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