LVR-Landesmuseum BonnLuther ist der Teufel und Gott muss wohl ein Rheinländer sein

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Blick auf das LVR Landesmuseum Bonn mit seiner Glasfassade.

Das LVR-Landesmuseum Bonn zeigt seine Sammlung jetzt unter dem Titel „Welt im Wandel“.

Das LVR-Landesmuseum in Bonn präsentiert seine Dauerausstellung neu und zeigt das Rheinland seit dem Mittelalter als umkämpfte „Welt im Wandel“.

Wenn der calvinistische Bildersturm durch eine Kathedrale fegt, freut das die Architekten. Endlich verstellt nichts mehr die freie Sicht auf Spitzbögen, Kreuzrippen und Bündelpfeiler, und das fromme Auge wird auch nicht mehr durch das lüsterne Licht gemalter Fenster abgelenkt. Dafür nimmt man gerne in Kauf, dass aus dem himmlischen Jerusalem auf Erden ein grauer Wartesaal geworden ist: Fürs Paradies bitte an der Kanzel eine Nummer ziehen.

Selbstredend beschlichen einen rheinischen Gegenreformator wie Eberhard Billick beim Anblick derart besenreiner Kirchen ganz andere Gedanken. Um das Jahr 1547 bestellte der Theologe für das Kölner Karmeliterkloster einen Gemäldezyklus von Bartholomäus Bruyn, auf dem Martin Luther unter anderem einen Schwanz und hübsche Krallenfüße angepasst bekam. In dieser Anmutung fordert er Jesus in einer frühen Liveschalte per Fingerzeig dazu auf, den Stein in seiner Hand in einen Laib Brot zu verwandeln – der Teufel hätte es nicht besser machen können.

Drei Arbeitsjahre stecken in dieser Präsentation des Bonner Landesmuseums 

Teufel und Kathedrale bilden jetzt ein schönes Bilderpaar in der neuen Sammlungspräsentation des LVR-Landesmuseums Bonn. Es findet sich in der Reformationsabteilung der Dauerausstellung und löst den Anspruch der Kuratoren, eine Welt, nämlich das Rheinland seit dem Mittelalter, im permanenten Wandel zu zeigen, auf vorbildliche Weise ein. Der damalige Glaubenskrieg erfasste sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und wurde auf allen Medienkanälen geführt. Gleich neben dem Lutherbild findet sich in Bonn anti-päpstliche Propaganda auf Steinkrügen, Gefäßen und Medaillen. Wer wollte, konnte sich mit katholischen Spottgesichtern zuprosten, ganz so, wie man heute mancherorts den politischen Widersacher auf Pappbechern zum Teufel wünscht.

Zur Eröffnung der Ausstellung „Welt im Wandel“ betonte LVR-Museumsdirektor Thorsten Valk, man habe Vorläufer der heutigen Transformationsgesellschaft in allen Epochen des Rheinlands vorgefunden – und die Präsentation entsprechend konzipiert. Diese kulturelle Dynamik soll bereits in den großen Leitkapiteln deutlich werden, die nicht mehr in sich abgeschlossene Zeiten abbilden, sondern deren Übergänge betonen. Exemplarisch steht dafür ein Höhepunkt der LVR-Sammlung, das steinerne Andachtsbild der Familie Wiltberg (1571), das mittelalterliche Frömmigkeit und das neue Selbstbewusstsein des Renaissance-Menschen in einem imposanten Schwellenwerk vereint.

Viele Menschen lauschen einem Prediger im Wald.

Pieter Brueghels „Predigt des Johannes“ ist jetzt wieder im Bonner Landesmuseum zu sehen.

Mehr als drei Jahre wurde „Welt im Wandel“ vorbereitet, und obwohl viele der rund 400 gezeigten Objekte bereits in der Vorgängerausstellung zu sehen waren, hat man doch ein weitgehend neues Rheinlandpanorama vor sich. Aus der Themenausstellung ist eine chronologische Erzählung geworden, die in der Glaubenswelt des Mittelalters beginnt, aber bewusst nicht mit den großen Prunkstücken, den Bildern der Ursulalegende etwa oder der grimmigen Roettgen-Pietà, sondern mit Steinreliefs und Kapitellen und einem Modell, das eine winzige Hütte ins Größenverhältnis zu einer monumentalen Kathedrale setzt. Es nimmt die Losung „Krieg den Palästen“ bereits vorweg.

Als kulturhistorische Sammlung mit 200-jähriger Geschichte kann das Landesmuseum aus dem Vollen schöpfen und seine Gemäldegalerien um Möbel, Kleider und Alltagsgegenstände ergänzen. So ergibt sich ein besseres Bild des Alltagslebens, jedenfalls der höfischen und bürgerlichen Eliten, vor allem in der Darstellung des Brühler Jagdschlosses Falkenlust. Den Anspruch, auch dem Leben der einfachen Leute gerecht zu werden, löst das Haus freilich nur ansatzweise ein. In der „Galerie der unscheinbaren Dinge“ sind zwar viele scheinbar triviale, in Wahrheit aber vielsagende Ausgrabungsstücke versammelt (etwa Zahnbürsten aus einem Zwangsarbeiterlager); aber sie wirken wie ausgelagert, um den Gang der „großen“ Geschichte nicht zu stören.

Manches hat eine neue Gewichtung bekommen. Die Mittelalterabteilung ist gewachsen, der niederländischen Malerei (und ihrem Einfluss auf das Rheinland) wird geradezu gehuldigt, und erstmals konnten die Kuratorinnen auch die bedeutende Fotografiesammlung des Hauses in angemessener Weise für die Dauerausstellung anzapfen. An der Rheinromantik kamen sie selbstredend ebenso wenig vorbei wie an der einschläfernden Düsseldorfer Malerschule. Beides wirkt freilich geradezu unterspielt im Vergleich zur Moderne-Sammlung, die mit dem rheinischen Expressionismus beginnt und bis in die jüngere Vergangenheit führt. Die Schau endet mit einer feministischen Ikone, auf der sich Ulrike Rosenbach in eine Elvis-Darstellung Andy Warhols beamt. Im Rheinland werden Revolutionen eben mit Bildern gemacht – und nicht gegen sie.


„Welt im Wandel. Das Rheinland vom Mittelalter bis Morgen“, LVR-Landesmuseum Bonn, Di.-So. 11-18 Uhr, ab 29. September. Freier Eintritt bis 15. Oktober 2023.

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