Palästina Filmtage in KölnWie viel muss dieser Dialog aushalten?

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Zu sehen ist eine Szene der Dokumentation, in der die Israelin MeytalOfer und die Palästinenserin Bushra Awad miteinander sprechen. Beide haben im Nahostkonflikt Angehörige verloren.

Das Filmhaus zeigt in Köln die Dokumentation „The Narrow Bridge“

Die Palästina Filmtage im Filmhaus Köln waren wegen des Angriffs der Hamas im Oktober verschoben worden - nun fanden sie doch statt.

Als die Palästinenserin Abir Aramin 2007 starb, war sie gerade einmal zehn Jahre alt. Ein israelischer Soldat hatte sie mit einem Gummigeschoss am Kopf getroffen, und sie erlag ihren Verletzungen. In der Doku „The Narrow Bridge“ tritt ihr Vater Bassam Aramin auf, Vergeltung sucht er keine: „Wir müssen das Land teilen: als ein Staat, als zwei Staaten, als fünf Staaten. Ansonsten werden wir es als ein Grab für unsere Kinder teilen.“

Bassam Aramin kommt in der Doku neben anderen Palästinensern und Israelis zu Wort, die Angehörige im Nahostkonflikt verloren haben. Das Kölner Filmhaus zeigte die Doku in Kooperation mit der Initiative „Palestinians and Jews for Peace“ in einer Sonderausgabe der Palästina Filmtage. Vom 13. bis zum 16. Januar stand die kulturelle Filmarbeit der Region im Fokus. Die Filmtage finden auf Initiative des Städtepartnerschaftsverein Köln-Bethlehem und des Café Palestine Köln statt.

Die Palästina Filmtage standen in der Kritik

Die Filmtage begleitete dabei auch eine emotional geführte Debatte. Eigentlich hätten sie schon im Oktober stattfinden sollen. Die CDU-Fraktion Köln und der Blogger Thomas Wessel kritisierten damals, dass neben den Filmen auch eine Ausstellung der Künstlerin Halima Aziz gezeigt werden sollte. Neben ihrer Kunst geriet auch ein Instagram-Post in den Fokus, den Aziz zwei Tage nach dem Angriff der Hamas veröffentlichte: „Palästinenser, die unter Besatzung leben, haben das Recht, sich einer solchen Besetzung zu widersetzen“. Vera Schöpfer, Leiterin des Filmhauses, sagte zu Aziz' Post: „Das ist jemand, die in Gaza Familienangehörige verloren hat. Die selbst den Krieg dort 2008 erlebt hat. Es liegt mir fern, sie für emotionale Posts zu verurteilen, auch wenn ich sie selbst nicht richtig finde.“

Alles zum Thema Nahostkonflikt

Zu der ursprünglich geplanten Ausgabe kam es nicht, die Filmtage wurden wegen des Angriffs der Hamas verschoben, um Rücksicht auf die Opfer zu nehmen. Zu Beginn des Jahres gab es einen neuen Versuch - mit einer Sonderausgabe ohne Werke von Halima Aziz und mit einem geänderten Programm. „Ich finde es wichtig, dass wir differenziert auf palästinensisches Leben schauen – und vor allem mit den Menschen reden und nicht über sie“, betonte Vera Schöpfer.

Auch die Sonderausgabe des Filmhauses führt zu Diskussionen

Doch auch beim zweiten Anlauf gab es Kritik, dieses Mal von der „Allianz gegen Antisemitismus Köln“. In einem Statement beanstandete die Organisation, dass die israelische Perspektive zu wenig beleuchtet werde und darüber hinaus nicht abgebildet werde, dass in Palästina viele antisemitische und israelfeindliche Filme im Fernsehen laufen. Sie riefen auch zu einer Kundgebung in der Maybachstraße auf.

Kritik kam aber nicht nur von einer pro-israelischen Seite. Nach dem Screening von „The Narrow Bridge“ berichteten fünf Aktivistinnen von „Palestinians and Jews for Peace“ von ihren Erfahrungen. Während das pro-israelische Lager eine einseitige Haltung gegen Israel bemängelt habe, habe ein pro-palästinensisches sich daran gestört, dass in einer Veranstaltung mit dem Namen Palästina Filmtage nur einer von vier Filmen von einem palästinensischen Regisseur stammt. 

Aktivistinnen von „Palestinians and Jews for Peace“ teilen ihre Erfahrungen

Eine der Aktivistinnen, Nadine Migesel, steht dabei besonders zwischen den Fronten. Sie ist Deutsch-Palästinenserin und hat einen israelischen Pass. „Von meinen palästinensischen Freunden höre ich: ‚Wie kannst du überhaupt von Frieden sprechen? Wie kannst du nur einen Apartheidstaat unterstützen?‘ Von meinen jüdisch-israelischen Freunden höre ich: ‚Wie kannst du nur den Frieden unterstützen? Das sind doch Terroristen.‘“ Sie habe sich zerrissen und allein gefühlt. In der Gruppe „Palestines und Jews for Peace“ habe sie tolle Menschen kennengelernt, denen sie sich anvertrauen konnte. „Ich habe in ihren Augen denselben Schmerz und dieselbe Frustration gesehen.“

Den eigenen Schmerz zu teilen, ist auch der Ansatz der Aktivistinnen und Aktivisten in der Doku. Trotz aller Meinungsverschiedenheiten eint sie die Trauer um ein Kind oder einen Angehörigen. Doch die Aktivisten berichteten auch davon, wie ihre eigenen Landsleute sie als Verräter beschimpfen.

Wie viel muss der Dialog zwischen Israelis und Palästinensern aushalten?

Bei den traumatischen Erfahrungen, die Menschen in Israel und Palästina machen, sind radikale Positionen leider keine Seltenheit. Eindrücklich ist etwa Bassam Aramins Erinnerungen an seine Zeit in einem israelischen Gefängnis. Er habe die Juden so gehasst, dass er sich eine Holocaust-Doku anschauen wollte, um ihr Leid zu sehen. In seinem Fall führte das aber zu einer Wandlung. Ihm seien schon nach wenigen Minuten die Tränen gekommen. Er habe nicht verstanden, wie man anderen Menschen so etwas antun konnte.

Sowohl die Geschehnisse in der Doku als auch die Diskussion über die Filmtage in Köln erinnern daran, dass ein Dialog zwischen so konträren Positionen einiges aushalten muss. Vielleicht ist es also sinnvoll, beim Schmerz als kleinstem gemeinsamen Nenner anzufangen - und dabei die gemäßigten Kräfte auf beiden Seiten zu unterstützen.

Zur Veranstaltung

Das Filmhaus Köln zeigt den Film „The Narrow Bridge“ erneut am 24. Januar um 18:30 Uhr in der Maybachstraße 111, 50670 Köln. Tickets gibt es hier.

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