Sie hat die Hosen an

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Valie Export vor neun Jahren

Valie Export vor neun Jahren

Als sich die ehemalige Klosterschülerin Waltraud Lehner als Valie Export neu erfand, schien sich die Grenze zwischen Kunst und Leben gerade aufzulösen. Yoko Ono stieg mit John Lennon ins Bett, um vor laufenden Kameras über den Weltfrieden zu reden, Studenten passten die Aktionen der klavierzertrümmernden Avantgarde den Straßenverhältnissen an, und Joseph Beuys brütete über der Idee einer Sozialen Plastik. Auch Exports Auftritte sorgten beim Publikum mitunter für Verwirrung: Trug sie die Aktionshose mit Loch vor den Genitalien nicht nur durchs Pornokino, sondern auch abends beim Fernsehen auf der Couch? Und wie oft durfte Peter Weibel am kürzeren Ende der Hundeleine mit ihr vor die Tür und Gassi gehen?

Als Export vor fünf Jahren in Köln war, um dem Museum Ludwig symbolisch einige künstlerische Souvenirs zu übergeben, schüttelte sie über derlei Fragen nur ungläubig den Kopf. „Ich bin ja auch nicht mit dem Tapp und Tastkino spazieren gegangen“, sagte sie, sondern nur zu ausgesuchten Zielen. Exports feministische Version des Kinos, ein über den Oberkörper gezogener Karton, in dem Passanten ihre nackten Brüste ertasten konnten, hatte mit dem Aufbegehren einer Klosterschülerin dann auch herzlich wenig zu tun. Sie rebellierte nicht gegen die guten katholischen Sitten, sie führte den weiblichen Körper als Projektionsfläche und Objekt der männlichen Begierde vor.

In Österreich sorgte die geborene Linzerin damit ebenso verlässlich für Skandale wie in der Bundesrepublik – heute packt einen beim Blick auf zu Museumsklassikern gewordenen Aktionen beinahe die Nostalgie. In den 1960er und 1970er Jahren gehörte Export zur Speerspitze junger Künstlerinnen, die neben ihrem Körper auch Video als revolutionäres neues Medium entdeckten und dabei Freiheiten erkämpften, die teilweise, so Export, schon lange nicht mehr sicher sind: „Das Bild einer Frau ist heute: Schick, schlank, schön, ein guter Beruf, Kind, Mann, Party schmeißen – das ist eine Ausbeutung, da kommt kein Mensch mehr mit.“

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Ein frühes Werk von Valie Export wird nie den Weg in ein Museum finden: Im Jahr 1970 ließ sie sich einen Strumpfhalter in den linken Oberschenkel tätowieren, als „Zeichen der vergangenen Versklavung“ und getreu der Einsicht, dass man „den Schmerz zeigen muss, um davon zu erzählen“. Die Zurichtung des weiblichen Körpers ist jene alte unverheilte Wunde, die Export bis heute begleitet, auch wenn sich ihr Repertoire an Themen und künstlerischen Formen mit den Jahren deutlich erweitert hat. An diesem Sonntag wird die Frau, die die Aktionshose anhatte, 80 Jahre alt.

Valie Export

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