Die Rückkehr der ShowklassikerWarum TV-Sender alte Formate wiederbeleben

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Sebastian Pufpaff moderiert die Neuauflage von TV Total. 

Köln – Es gab eine Zeit, irgendwann Ender der 90er, Anfang der 2000er Jahre, da musste man abends vor dem Fernseher sitzen und Pro Sieben schauen, wenn man am nächsten Tag auf dem Schulhof mitreden wollte.

Stefan Raab gab mit „TV total“ den Ton an. Ob er im „Raabigramm“ Prominenten wenig schmeichelhafte Ständchen von der Ukulele begleitet vorspielte, sich für „Raab in Gefahr“ bei der Rhythmischen Sportgymnastik zum Affen machte oder Regina Zindlers „Maschendrahtzaun“ in die Charts brachte – Raab bot reichlich Gesprächsstoff.

„TV total” kehrt mit Sebastian Pufpaff zurück

2015 war Schluss mit der Karriere vor der Kamera, der Kölner zog sich aus dem Fernsehen zurück. „TV Total“ nahm er mit in den Ruhestand. Doch schon an diesem Mittwoch kehrt die ehemalige Late-Night-Show als Primetime-Format auf den Bildschirm zurück, wenn auch nicht mit Raab, sondern mit dem 45 Jahre alten Sebastian Pufpaff. 

Wenn man sich den Trailer anschaut, dann scheint die Neuauflage voll auf den Nostalgie-Faktor zu setzen. Ob Nippelboard, die prägnante Stimme aus dem Off oder die Band Heavytones. Alles ist, wie es einmal war.

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Ob Jugendliche sich bei der Neuauflage allerdings wie beim Start vor 22 Jahren vor dem Fernseher versammeln, ist mehr als fraglich. Lineares Fernsehen ist bei den Jüngeren häufig kein Thema mehr. Zu einer bestimmten Uhrzeit auf das Programm zu warten, finden sie genauso absurd wie die Vorstellung, nur an einem PC ins Internet zu können.

Da drängt sich die Frage auf, warum Pro Sieben die Show aus der Mottenkiste holt. Und mit diesem Rückgriff auf Altbewährtes steht der Münchener Privatsender nicht allein da.

14 Millionen Zuschauer bei „Wetten, dass..?”

Wohl kaum ein Unterhaltungsformat hat in diesem Jahr so viel Aufmerksamkeit erhalten, wie die Geburtstagsshow von „Wetten, dass…?“ am vergangenen Samstag. Fast 14 Millionen Zuschauer, ein Dauerfeuer bei Twitter, das Interesse war riesig.

Schon denkt das ZDF darüber nach, es nicht bei der einmaligen Ausstrahlung zu belassen. ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler hat es angedeutet: „Eine Fortsetzung war eigentlich nie geplant. Angesichts der großen Resonanz werden wir aber sicher darüber noch einmal nachdenken.“

Bei Sat.1 kann man bald wieder Jörg Draeger bewundern, wie er in der Gameshow „Geh aufs Ganze“ im schlimmsten Fall den Kandidaten den Zonk präsentiert. Und wenn Bruce Darnell bald bei Pro Sieben seine „Surprise“-Show startet, in der Menschen überrascht werden und es „sehr emotional, herzlich, spannend und lustig“ wird, dann ist die „Rudi Carrell Show - Lass dich überraschen“ auch nicht wirklich weit weg. Das Gewand ist neu, das Konzept ebenfalls uralt.

Neue, alte Geheimwaffen

Man kann die Reden vom letzten Lagerfeuer der TV-Unterhaltung nicht mehr hören, aber offensichtlich ist, dass die Sender im Kampf gegen die allzeit verfügbare Streaming-Konkurrenz plötzlich zur Geheimwaffe auserkoren haben, was lange Zeit als verstaubt und piefig galt.

Die große Show, am besten live, die wieder alle vor dem Fernseher versammelt – oder zumindest diejenigen, die da vor vielen Jahren schon einmal saßen. Der große Erfolg von „Wetten, dass…?“ etwa fußte zu ganz großen Teilen darauf, dass schon die Eurovisions-Hymne bei denen, die das Format noch von früher kennen, für ein wohliges Gefühl sorgt. Da ist sie dann eben doch wieder, die viel beschworene Nostalgie.

In einer zunehmend komplexer werdenden Welt, in Zeiten globaler Probleme wie Klimawandel und Pandemie sehnen sich offenbar viele Zuschauer nach etwas Vertrautem, etwas, das ihre Eskapismus-Sehnsüchte bedient. Weil die Fernsehzuschauer im Schnitt älter werden, sind sie für solche Format eben besonders empfänglich. Und vergessen darüber auch, dass Gottschalks mitunter arg sexistische Sprüche völlig aus der Zeit gefallen sind und sich eine „Wetten, dass..?“-Sendung früher gerne mal wie Kaugummi zog.

Sollte man Geld nicht besser in Neues investieren?

Bleibt nur die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, die finanziellen Mittel, die es etwa braucht, um eine Folge „Wetten, dass..?“ zu produzieren, in neue Formate zu stecken. Erfolge wie das „ZDF Magazin Royale“ mit Jan Böhmermann oder „Die Carolin Kebekus Show“ zeigen, dass moderne Unterhaltung anders und relevanter aussieht als die alten Kamellen.

Auch das Publikum ist übrigens gespalten in der Frage, ob die Show-Dinos dauerhaft wiederbelebt werden sollen. Laut einer aktuellen Online-Umfrage sind 40 Prozent der Erwachsenen in Deutschland dafür, „Wetten, dass…?“ in der einen oder anderen Form wieder regelmäßig auszustrahlen.

Drei Prozent kennen „Wetten, dass..?” gar nicht

35 Prozent sind gegen weitere Shows aus der Reihe, wie das Meinungsforschungsinstitut Yougov am Dienstag mitteilte. 22 Prozent machten in der Umfrage keine Angabe. Yougov zufolge waren die Befragten im Alter zwischen 35 und 44 Jahren mit einem Zustimmungswert von 25 Prozent am häufigsten für ein Dauer-Comeback. Das sind eben genau die, die „Wetten, dass..?“ mit ihrer Kindheit verbinden.

Drei Prozent der Befragten kennen nach eigenen Angaben die ZDF-Show übrigens gar nicht. Wetten, dass man die auch mit einer neuerlichen Ausstrahlung nicht vor den Fernseher locken kann?

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