„Für Geld nicht gleich zur Stadt laufen“

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Herr Bach, das bürgerschaftliche Engagement für die Kultur hat in Köln eine lange Tradition. Aber offenbar hat Ihnen vor 25 Jahren etwas gefehlt, sonst hätten Sie nicht den Kunstsalon gegründet.

PETER BACH: In Köln war damals alles in Blöcke aufgeteilt. Die Bildende Kunst scharte sich um das Museum Ludwig, die Musik war lange nicht so etabliert wie heute, und der Tanz spielte gar keine Rolle. Wir haben uns deshalb gesagt, wir müssen über die Grenzen der einzelnen Künste hinweg arbeiten, denn das wäre auch eine Stärkung der Kunst insgesamt. Und tatsächlich: Gerade die Künstler waren erfreut, Künstler aus anderen Disziplinen kennenzulernen.

Das war aber wohl nicht alles.

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BACH: Wir fanden auch, dass es mehr Beteiligung der Mitglieder geben müsse als bei den anderen Vereinen. Da kam dann der Salongedanke auf. Nicht als historischer Salon, sondern als offener Salon, der auch groß sein kann. Unser Grundsatz war: Die Bürgerschaft muss doch in der Lage sein, Dinge selbst zu finanzieren. Es kann nicht jeder gleich zur Stadt laufen, wenn er Geld für die Kultur braucht.

Wie sahen die Anfänge aus?

BACH: Wie in Studentenzeiten. Wir hatten noch nicht die renovierten Räume, aber schon die Fabrik. Es war schwer genug, eine zu finden, die nicht zerstört war. Und dann ging das ab hier.

Am Beginn standen die Künstlergespräche, die Jours fixes.

BACH: Die Künstler stehen im Mittelpunkt, das war die Devise. Wir hatten zwar noch nicht so weitläufige Netzwerke wie heute, aber vor allem in Köln einen guten Stand. Georg Ringsgwandls „Tankstelle der Verdammten“ und Gerd Köster, das waren schon Hits. International hatte ich ganz gute Kontakte zum Film, sehr früh besuchte uns der Produzent Chris Sievernich.

Herr Müller, Sie haben vor zwei Jahren den Vorsitz des Kunstsalons übernommen. Was hat Sie bewogen, sich zu engagieren?

ANDREAS C. MÜLLER: Vor 20 Jahren sprach Peter Bach mich an, ob ich nicht Gastgeber für Musik in den Häusern sein wollte. Ich fand die Idee großartig und war ohnehin in dem Alter, in dem die Kinder aus dem Gröbsten raus sind, man beruflich etabliert ist und sich denkt: Da gab es doch noch etwas anderes als Arbeit.

Was haben Sie Neues gemacht?

MÜLLER: Wir bemühen uns stärker um die Freie Szene und haben einen Theaterpreis samt Festival ins Leben gerufen. Zu meinem 60. Geburtstag bat ich meine Gäste, für das Preisgeld zu spenden, das war der Grundstock. Für gewöhnlich bewirbt man sich mit einem Inszenierungskonzept für einen Theaterpreis und finanziert so zwei oder drei Aufführungen. Meistens kommt dann nicht mehr viel nach. Wir machen es etwas anders und unterstützen Projekte, die bereits gelaufen sind. Mit unserer Hilfe kann das Stück dann noch mehrmals gezeigt werden. Es gibt eine zweitägige Endrunde mit drei Aufführungen, und das Publikum entscheidet mit. Das ist unser zentraler Festivalgedanke: Man erlebt etwas zusammen, man tauscht sich aus, statt nur zu konsumieren.

Wie wichtig ist es Ihnen, in die Stadt hinein zu wirken?

MÜLLER: Mit den öffentlichen Festivals sind wir bewusst in der Stadt vertreten, das sind unsere Meilensteine. Darüber kennen uns auch die meisten, wobei erstaunlich viele Besucher unserer Festivals den Kunstsalon dann doch nicht kennen. BACH: Es ist für alle Kulturvereine schwierig, einen Marketingapparat aufzubauen. Unser stärkstes Instrument ist die Mundpropaganda. Und wir verlassen uns auf die Homepage. MÜLLER: Wir machen auch viel über soziale Medien. Trotzdem wird es immer schwieriger, Mitglieder zu werben. Es gibt viele Menschen, die kommen gerne zu einzelnen Veranstaltungen, aber die wollen nicht unbedingt einem Verein beitreten.

Woran liegt das?

MÜLLER: Das ist eine gesellschaftliche Entwicklung, das erleben alle im Kölner Kulturrat vertretenen Institutionen. Die Menschen gehen in Konzert, Kino oder Theater. Aber sie sagen: Lass mich in Ruhe mit Mitgliedschaften, ich will jeden Tag frei entscheiden, was ich mache.

Funktioniert der Gemeinschaftsgedanke nicht mehr?

MÜLLER: Eigentlich sind die Leute von der Grundidee begeistert. Bei den Festivals Musik und Literatur in den Häusern der Stadt erleben wir das jedes Mal. In jedem Wohnzimmer sagen die Gäste: Das war mal etwas ganz anderes, den Künstlern so nah zu sein. Viele gehen jedes Jahr zu den gleichen Gastgebern und haben Freunde gewonnen. BACH: Wir versuchen, Künstler mit Stipendien und Preisen in eine Position zu bringen, in der sie von ihrer Kunst leben können. Das ist für Künstler immer eine entscheidende Frage, und daran kann man bei uns mitwirken. Unsere Villa-Aurora-Stipendiaten sind alle etwas geworden.

An prominenten Gästen mangelt es Ihnen nicht.

MÜLLER: Mit Persönlichkeiten wie Sasha Waltz ins Gespräch zu kommen, das ist schon toll. Umgekehrt ist es für die Prominenz schön, sich mit Publikum oder Gästen direkt auszutauschen. BACH: Wir sind selbst erstaunt, wen wir alles hier gehabt haben. Mitunter haben wir dafür großen Aufwand betrieben, etwa bei Maximilian Schell oder bei Hannelore Elsner.

Wer war für Sie der beeindruckendste Gast?

BACH: Der Filmproduzent Gyula Trebitsch. Er war in Buchenwald gewesen, doch man kann natürlich nicht fragen: Wie war es denn im KZ? Wir haben uns dann darauf verständigt, dass ein junger Schauspieler Trebitsch' private Notizen zu dieser Zeit verliest. Als der dann seine Erinnerungen auf der Bühne hörte, klappte er zusammen. Er hat lange still dagesessen. Ich weiß nicht mehr, ob das drei, vier oder sieben endlose Minuten waren.

DER KUNSTSALON IN KÜRZE

1994 gründete Peter Bach den Kölner Kunstsalon als private Initiative, um Kunst und Kultur zu fördern. Sein Nachfolger als Vorsitzender des Vorstands ist seit 2018 Andreas C. Müller. Der Verein mit aktuell rund 800 Mitgliedern veranstaltet mit Literatur und Musik in den Häusern der Stadt zwei öffentliche Festivals, er vergibt Preise für Theatergruppen und Tanzchoreografen, ein Atelierstipendium sowie das Villa-Aurora-Stipendium für Bildende Künstler. Für seine Mitglieder bietet der Kunstsalon zudem Proben- und Atelierbesuche, Kunstreisen oder Filmvorführungen an.

Das älteste

Kunstsalon-Format ist „Jour fixe“, eine Gesprächsreihe mit prominenten Gästen wie Wim Wenders, Sasha Waltz und Rosemarie Trockel. An diesem Samstag feiert der Kunstsalon sein 25-jähriges Bestehen mit einem Sommerfest in den eigenen Räumen, einem ehemaligen Fabrikgebäude in der Brühler Straße. Die Veranstaltung ist ausverkauft.

Peter Bach

Andreas C. Müller

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