Eislauf-DokuWie Savchenko und Massot zum perfekten Olympia-Paar wurden

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Aljona Savchenko und Bruno Massot 2018 während ihrer Kür in der Gangneung Ice Arena 

Pyeongchang – Am Ende, nach einer langen Reise voller Ungewissheiten, Risiken und härtester Plackerei, stimmt jedes Detail, fügt sich alles, ist ein Wunder auf dem Eis von Pyeongchang in Südkorea zu bestaunen. Sogar die Kostüme passen zur Farbe der olympischen Banden, zartes Violett. Aljona Savchenko fliegt, geworfen von Bruno Massot, leicht und elegant wie ein Büschel Federn im Wind, sie landet stets perfekt.

Erhabene Paarlauf-Kunst ist auf dem Eis von beiden  zu sehen, Harmonie, Gleichklang der Bewegungen, ein Feuerwerk der Ästhetik. Die inspirierende Musik hilft auch noch, die Choreografie ist perfekt abgestimmt auf „La terre vue du ciel“, die Erde vom Himmel aus betrachtet.

Und so sieht man zwei Paarläufer am Ende ihrer fabelhaften Kür tatsächlich von oben auf dem Eis liegen, erschöpft, die Luft anhaltend nach der über die Maßen anstrengenden Darbietung, bloß keine Abzüge im künstlerischen Wert riskieren. Und die gibt es auch nicht, kann es nicht geben, nach diesem Erlebnis und Ereignis, die Wertung ist ein Weltrekord, 159,31 Punkte. Goldmedaille. 

Am Vorabend verpatzt

Letztlich ist es unglaublich, dass sich doch noch alles fügte, damals am 15. Februar 2018 in der Kühle der Gangneung Ice Arena. Denn Savchenko/Massot hatten das Kurzprogramm am Vorabend verpatzt.  Massot, ein riesiger Bär von Eisläufer, geboren in Frankreich, springt den Salchow nur doppelt und nicht dreifach. Eine Standardübung, 1000 Mal geübt, sicher im Repertoire, nur jetzt nicht, im entscheidenden Moment. Ein  Fehler, bestraft mit hohen Abzügen. Platz vier vor der Kür am nächsten Tag.  Und da schaffen sie es sehr knapp dann doch noch, Gold dank ihres himmlischen Vortrags. Zu erwarten war das nicht mehr. Die Freude der beiden ist daher enthusiastisch.

Es ist ein Glück, dass diese große Geschichte den Autor und Regisseur Gerhard Schick interessierte, der sie in Form einer eindrucksvollen Dokumentation  in einer Langzeitbeobachtung vorführt, die an diesem Donnerstag um 20.15 Uhr bei Arte  zu sehen ist.  Schick findet frühe Aufnahmen von Savchenko, geboren in Obuchiw, Ukraine, die mit drei Jahren auf den Seen ihrer Heimat mit dem Schlittschuhlaufen begann.

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Das Selfie nach dem Sieg 

Und er erzählt ihre Geschichte:  Vier olympische Spiele hat sie bis Pyeongchang bereits erlebt, eine Ausgabe für die Ukraine, drei für Deutschland mit ihrem vorigen Partner Robin Szolkowy. 2006, 2010 und 2014 gelten die beiden schon als Stars, fünf Mal werden sie Weltmeister, Bronze gibt es bei den Olympischen Winterspielen 2010 und 2014. Doch Savchenko hat sich mehr erhofft, Gold.

Deshalb bringt sie alle Energie auf, um es ein fünftes Mal zu versuchen, mit neuem Partner diesmal, Massot aus Caen in der Normandie. Sie hat ihn beobachtet und für gut erachtet.  All das lässt der Autor Massot und Savchenko  selbst erzählen.

Trennung von Trainer Steuer

Als erstes steht fest: Das frisch installierte Eis-Paar braucht einen neuen Trainer, weg von Ingo Steuer und seinem Standort Chemnitz, hin zu Alexander König nach Oberstdorf. Schick erzählt und illustriert alles: Wie Savchenko schließlich Massot findet, wie es zum Spannungsaufbau mit dem autoritären Steuer kommt, zur Trennung von ihm und zur  Hinwendung zu König. Zu sehen sind die misslungenen ersten Trainingseinheiten von Savchenko/Massot im April 2014, die   Qual, die Arbeit mit Christopher Dean, dem Choreografen ihrer Wunderkür. Dean, ein Brite, hat selbst Eiskunstlauf-Geschichte geschrieben. Er hat 1984 in Sarajevo mit Jane Torvill olympisches Gold im Eistanzen gewonnen,  begleitet von Ravels „Bolero“. Dieses Kür ist ein Denkmal dieses Sports.

Schick erzählt auch die Vorgeschichte von 2018, die 2014 begann, als Savchenko/Szolkowy nicht Gold, sondern Bronze gewannen.  „Da habe ich es gedacht, es soll nicht sein. Mein Traum ist geplatzt“, sagt Savchenko im Film. Und: „Ich habe so viele Jahre gekämpft“. Sie kämpft weiter. Schick zeigt, wie besessen Savchenko, eine zierliche Frau mit Löwenherz, den fünften Anlauf auf dieses verdammte Olympia-Gold unternimmt. Der ehemalige Eiskunstläufer und TV-Kommentator Daniel Weiss, der Savchenko bestens kennt, sagt: „Sie wuchs am Druck, ’ne Sau zu sein. Das macht einen Champion aus.“

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Schicks viele Perspektivwechsel werden allen gerecht: Savchenko und ihren Erzählungen vom großen Gold-Traum. Massot und seinem staunenden Blick, auf die erste und einzige Olympia-Chance, die sich ihm bietet.  König, der  einfühlsam mit beiden arbeitet.   „Für Deutschland“ hätten sie Gold gewonnen, sagen sie. Weil das eingebürgerte Duo von diesem Land die Möglichkeit bekommt, ein Mirakel auf das Eis von Pyeongchang zu zaubern. „Eine Kür für die Unendlichkeit“ habe er gesehen, sagt Daniel Weiss. Savchenko findet: „Wunder passieren“. Massot ergänzt: „Das ist der Gral“.

Passenderweise sendet Arte diesen Film  an diesem Donnerstag, dem Vorabend der Eröffnung der Olympischen Winterspiele von Peking, denen schon jetzt all das zu fehlen scheint, was Savchenko und Massot den Wettkämpfen von Pyeongchang gegeben haben: Anmut, Freiheit, Glück.

Erstausstrahlung bei Arte, 3. Februar, 20.15 Uhr; auch zu sehen im Bayerischen Rundfunk am 9. Februar (22.45 Uhr) und in der Mediathek.

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