Schriftsteller Yannic Federer„Köln ist eine verdammt gute Stadt“

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Der Schriftsteller Yannic Han Biao Federer

Der Schriftsteller Yannic Han Biao Federer

  • Durch den Gewinn des Brinkmann-Stipendiums der Stadt erfuhr der Autor große Bestätigung.
  • In Köln fand er als literarischer Neuling den lange vermissten Austausch mit Gleichgesinnten.
  • Als Mitarbeiter des Literaturhaus erlebte Federer einen Perspektivenwechsel.
  • Berlin schätzt er, aber er sieht es längst nicht als einzigen Wirkungsort für junge Autoren.

Köln – Köln war sehr wichtig für mich, auch wenn ich lange in Bonn gewohnt habe. Ich bin ja eigentlich in einem kleinen Dorf im Freiburger Umland aufgewachsen. Da war es erst einmal weniger einschüchternd, nach Bonn zu gehen, alles ist etwas übersichtlicher. Aber in Köln habe ich dann irgendwann Leute kennengelernt, die, wie ich, schreiben wollten. In dieser Zeit ist vieles entstanden, eine Textwerkstatt zum Beispiel, in der wir, ganz ohne institutionellen Rahmen, über unsere Texte diskutiert haben.

2014 ist außerdem „Land in Sicht“, die Lesereihe im Café Fleur, an den Start gegangen. Im Literaturhaus hat Tilman Strasser die „Zwischenmiete Köln“ ins Leben gerufen, dann kam Dorian Steinhoff mit seiner Literaturshow. Und jetzt gibt es gleich zwei Studiengänge in der Stadt, die sich mit literarischem Schreiben beschäftigen. Das sind alles kleine Glutnester, die sich gegenseitig befeuern. Sie bieten den Austausch, der absolut notwendig ist für die Schreibenden.

Zur Reihe und zur Person

Jede Kulturszene ist auf den Nachwuchs angewiesen, damit neue Impulse entstehen. Welche Ausbildungsmöglichkeiten und Perspektiven findet dieser in Köln vor, was sind Anreize, hier zu bleiben und nicht nach Berlin abzuwandern?

Yannic Han Biao Federer wurde 1986 als Sohn einer Indonesierin und eines Deutschen in Breisach geboren. 2019 erschien sein erster Roman, „Und alles wie aus Pappmaché“, im Suhrkamp Verlag. In Klagenfurt gewann er den 3sat-Preis.

Für junge Autorinnen und Autoren sind Förderstrukturen immens wichtig. In Nordrhein-Westfalen gibt es da einige sehr gute Einrichtungen, den Preis der Wuppertaler Literatur Biennale zum Beispiel, das Brinkmann-Stipendium der Stadt Köln, um nur einige zu nennen. Für mich war das Brinkmann-Stipendium ein unglaublicher Anschub, eine Bestärkung, dass ich das Schreiben ernsthaft verfolgen muss.

Natürlich kann die Stadt im Hinblick auf die Förderung von Literatur, junger Literatur insbesondere, immer mehr machen. Die Literatur steht heute ja unter einem besonderen Druck, ist eingeklemmt zwischen Netflix, Podcasts und dem Dauerrauschen der Sozialen Medien. Außerdem brechen viele Plattformen weg, die der Literatur einmal zur Verfügung standen, die Literaturkritik bekommt nicht mehr den Raum, den sie früher noch besaß. Wir müssen Antworten finden auf diese neue Situation. Der jungen Literatur und ihrer Vermittlung kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Hier werden die neuen Formate, die neuen Formen ausprobiert. Die Literatur hat unheimlich viel zu geben, auch morgen noch. Wenn wir wollen, dass uns dieser Schatz an kultureller Praxis nicht verloren geht, müssen wir jetzt an der Frage arbeiten, wie diese Praxis morgen aussehen wird.

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Das Literaturhaus ist ein großes Geschenk, so etwas gibt es nicht überall und nicht überall in dieser Qualität. Es ist außerdem ein Andockpunkt für viele Kooperationspartner, ist also sehr offen. Ich hatte dort meine erste große Lesung als Brinkmann-Stipendiat, daran denke ich sehr gerne zurück. Inzwischen bin ich im Literaturhaus auch als Mitarbeiter tätig, arbeite gemeinsam mit den Kolleginnen an Programm und Kommunikation. Das ist für mich sehr spannend – den Blick zu wechseln und zu weiten, als Veranstalter zu denken, kuratorisch zu arbeiten.

Es gibt keine Stadt, in der ich so viele Menschen kenne, wie Berlin, und es gibt keine Stadt, in der ich so selten gewesen bin. Unglaublich viele Leute, die ich kennengelernt habe, sind dorthin abgewandert, und insofern wäre es für meine Generation untypisch, wenn ich mir nicht auch drei Mal im Jahr die Frage gestellt hätte, ob ich nicht unbedingt nach Berlin gehen muss. Ich schätze die Stadt sehr, sie hat wahnsinnig viel zu bieten, aber ich finde es wichtig, dass das nicht der einzig mögliche Wirkungsort für Autorinnen und Autoren ist.

Wenn viele Menschen vom gleichen Ort aus die Welt beobachten, werden sie zu einem sich selbst stabilisierenden System. Der Semiotiker Juri Lotman hat treffend beschrieben, dass die kulturelle Innovation aus der Peripherie kommt, während sich die Strukturen im Zentrum verhärten. Aus der Peripherie muss das Neue kommen, das die Verhärtungen destabilisiert. Es gibt in Deutschland eigentlich keine andere Stadt, von der ich denke, da muss ich unbedingt hin. Köln ist schon eine verdammt gute Stadt.

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