Vollständige Absage der lit.Cologne„Eine Insolvenz ist erst mal abgewendet“

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lit.Cologne-Veranstalter Rainer Osnowski

  • Die Veranstalter der Kölner lit.Cologne haben am Donnerstag bekannt gegeben, auch alle Nachholtermine des Festivals ganz abzusagen.
  • Im Interview erläutert Festival-Chef Rainer Osnowski die Gründe für die Absage und kündigt an, wie es 2021 mit der lit.Cologne weitergehen soll.

Herr Osnowski, als Sie im Frühjahr die lit.Cologne absagen mussten, organisierten Sie zahlreiche Ausweichtermine im Herbst. Nun haben Sie bekanntgegeben, dass auch diese Termine ausfallen. Warum?

Wir haben im März gedacht und natürlich gehofft, im Herbst würde die Situation eine andere sein. Wir haben es unter großem Einsatz geschafft, über 30 Veranstaltungen im Herbst zu platzieren. Als Beschränkungen aufgehoben wurden, hatten wir die Hoffnung, dass wir die geplanten Termine durchführen können. Dem ist nun nicht so.

Warum nicht?

Unsere verlegten Veranstaltungen waren alle zu 100 Prozent ausverkauft. Wenn eine Spielstätte aufgrund von Coronaschutzmaßnahmen auch nur 100 Plätze weniger anbieten kann, bei den meisten sind es noch viel weniger Plätze, wären wir schon in Probleme geraten, denn wie soll man sich verhalten? Unter den Ticketbesitzern losen? Die Veranstaltungen splitten und zeitversetzt stattfinden lassen? Wie könnte das mit den Hygienemaßnahmen zu vereinbaren sein? Wir haben vieles überlegt und durchdacht und kein Weg erscheint uns hier fair, gut oder im Entferntesten unseren Ansprüchen und denen des Publikums genügend. Deshalb haben wir uns schweren Herzens zur kompletten Absage der Nachholtermine entschlossen.

Was bedeutet diese Komplettabsage finanziell für die lit.Cologne?

Wir haben bisher eine große Welle der Solidarität erfahren. Wir haben aber noch immer keine endgültig verwertbaren Zahlen, wie viele Tickets behalten worden sind, Aber die Tendenz, dass bis zur Hälfte der Menschen die Tickets nicht zurückgeben und nicht erstattet bekommen wollen, zeichnet sich ab. Das ist natürlich großartig, und das versetzt uns in die Lage, weiter planen zu können. Wir haben natürlich gehofft, durch die Nachholtermine einige Einnahmeeinbußen aus dem Frühjahr etwas kompensieren zu können, aber nun ist es, wie es ist. Es bleibt uns nur immer wieder, unserem großartigen Publikum Danke zu sagen.

Wie groß ist die Sorge, dass nun doch noch viele Tickets zurückgegeben werden?

Wir hoffen einfach, dass auch jetzt keine großen Rückgaben der Tickets folgen.

Wie bedrohlich ist die Situation aktuell? Nach der Absage im Frühjahr war auch von einer möglichen Insolvenz die Rede.

Eine mögliche Insolvenz ist durch die sensationelle Solidarität der BesucherInnen erstmal abgewendet und ein nun hoffentlich folgender zweiter Solidaritätsakt führt dann dazu, dass wir 2021 planen können. Jetzt war das Problem, dass alles ausverkauft war, wir können nichts zeigen, ohne die Hälfte der Menschen zu verprellen. Aber im nächsten Jahr, wenn zum Beispiel im Theater im Tanzbrunnen statt 1000 nur 700 Menschen anwesend sein dürfen, können wir das anbieten. Wenn kein großer wirtschaftlicher Einbruch mehr folgt, findet die lit.Cologne 2021 auf jeden Fall statt.

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Und wann soll die Ausgabe 2021 stattfinden?

Da niemand weiß, wie sich die allgemeine Situation in den nächsten Monaten, vor allem im Winter, entwickelt wird eine Grundunsicherheit sicherlich bleiben. So haben wir über Alternativtermine nachgedacht und diesen nun gefunden: Deshalb wird die lit.Cologne 2021 erstmalig im Frühsommer, vom 30. Mai bis zum 13. Juni, stattfinden.

Können Sie den Verlust von Thalia als Hauptsponsor kompensieren?

Wir hoffen, dass wir den Ausstieg von Thalia kompensieren können. Es wird im Bereich Buchhandel keinen vergleichbaren Partner geben. Wir arbeiten an diversen Konzepten, hier noch nichts spruchreif. Parallel führen wir Gespräche mit neuen potentiellen Partnern, die ein Interesse daran haben, dass Europas größtes Literaturfestival weiter existieren kann.

Der Rat der Stadt Köln hat im Mai beschlossen, dass die lit.Cologne bis zu 500.000 Euro Unterstützung erhalten soll. Wie ist da der aktuelle Stand?

Es finden jetzt die ersten Gespräche mit der Wirtschaftsförderung der Stadt statt. Erstmal muss geklärt werden, welches unseres Transformationsprojekte unterstützt wird. Die Stadt Köln stopft ja nicht ein finanzielles Loch, das bei uns entstanden ist, sondern investiert in die Zukunft, wenn es uns gelingt, ein gemeinsames Projekt zu finden.

Wie könnte das aussehen?

Eine vermehrte Digitalisierung der lit.Cologne, Veranstaltungen, die in hybrider Form stattfinden. Das ist mit einer Zukunftsentwickelung der lit.Cologne verbunden.

Die lit.Cologne wird also nächstes Jahr anders aussehen als bisher?

Die lit.Cologne wird im Kern immer die lit.Cologne bleiben. Das ist das sehr erfolgreiche und bewährte Modell, das so von den Menschen geliebt wird. Aber es wird komplementär Formate geben, die sich in Richtung digitaler Welt bewegen. Das heißt nicht nur Reichweitenerweiterung, sondern auch ganz neue, interessante Konzepte. Wie das genau aussehen wird, kann ich aber noch nicht sagen. Aber die lit.Cologne als Flaggschiff wird es weiter so geben, wie sie war. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Live-Veranstaltungen immer etwas sein werden, was die Menschen lieben und besuchen möchten.

Aber Sie werden vermutlich nicht mehr so viele Tickets wie bisher verkaufen können. Führt das nicht zu Problemen?

Man kann ja, wie es in diesen Zeiten so schön heißt, nur auf Sicht fahren. Wir können pessimistisch denken und sagen, es wird nie mehr Veranstaltungen mit mehr als 1000 Leuten geben. Aber wer sagt uns, dass das nicht geschehen wird? Warten wir es ab. Denn der Hunger der Menschen auf Kultur und die lit.Cologne wird hoffentlich weiterhin groß sein.

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