Aktivisten äußern sich bestürztRadfahrerin nach Unfall mit Betonmischer hirntot

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Klima-Protest Berlin dpa 031122

Mitglieder der Umweltschutz-Gruppe „Letzte Generation“ blockieren eine Autobahn-Ausfahrt in Berlin (Archivbild)

Berlin – Die Radfahrerin, die am Montag in Berlin-Wilmersdorf bei einem Verkehrsunfall mit einem Lastwagen lebensgefährlich verletzt wurde, ist für hirntot erklärt worden. Das teilte die Polizei am Donnerstag mit und korrigierte damit vorherige Angaben. Zuvor hieß es, die Frau sei gestorben.

Die Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“ haben sich bestürzt über die Nachricht vom Hirntod einer Radfahrerin geäußert, die am Montag in Berlin von einem Lkw überrollt worden war. „Es trifft uns tief, dass die Radfahrerin, die am Montag in Berlin bei einem Unfall von einem Betonmischer schwer verletzt wurde, nun für hirntot erklärt wurde“, erklärte Aktivist Henning Jeschke am Donnerstag auf Anfrage. 

Der Rettungseinsatz gestaltete sich am Montag schwierig, da die Einsatzkräfte der Feuerwehr im Stau standen. Über die Gründe wird heftig diskutiert. 

Alles zum Thema Letzte Generation

Nach Angaben der Feuerwehr hatte sich die Ankunft eines rettenden Spezialfahrzeugs, das die Frau am vergangenen Montag bergen sollte, wegen eines Staus verzögert. Dieser soll wiederum, wie die Feuerwehr erklärt hatte, durch eine Protestaktion der Gruppe „Letzte Generation“ ausgelöst worden sein. Allerdings räumte ein Feuerwehrsprecher ein, auch die Bildung einer Rettungsgasse sei angesichts der Größe des Fahrzeugs problematisch gewesen. 

Nach dem Unfall in der Berliner Innenstadt am Montag meldeten sich sogar Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu Wort. Der eine drohte mit Haftstrafen für die Aktivisten, der andere rief zur Mäßigung auf. Im Anschluss fand ein Berliner Notfallsanitäter kritische Worte für die Berliner Feuerwehr – und die Berichterstattung.

Berliner Notfallsanitäter meldet sich auf Twitter zu Wort

Die Berliner Feuerwehr hatte am Montag mitgeteilt, ein Spezialfahrzeug, das zur Bergung der Frau benötigt worden sei, habe im Stau gestanden, der von Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ durch ihren Protest ausgelöst worden sei. Nun ermittelt die Polizei gegen die Demonstranten – denen öffentlich eine Mitschuld am Schicksal der Radfahrerin angelastet wird.

Die Berichterstattung und Reaktionen auf die Protestaktion und den Unfall in Berlin waren weitreichend. Auf Twitter meldet sich nun jedoch ein Notfallsanitäter zu Wort, der im Berliner Rettungsdienst arbeitet – und viel Zuspruch für seine Wortmeldung erhält.

Über 7.000 Menschen markierten den Beitrag des 43-Jährigen, der laut „Buzzfeednews“ anonym bleiben möchte und seit 15 Jahren im Rettungsdienst arbeitet, mit einem „Gefällt mir“.

Rettungssanitäter beschreibt Alltag: „Tagtäglich stecken wir Rettungskräfte im Stau“

Die Art des Klima-Protests halte er zwar für nicht zielführend und natürlich könne auch ein Stau, der durch Klima-Proteste verursacht wurde, dafür sorgen, dass ein Mensch zu Schaden komme. Dennoch stellt der Sanitäter klar: „Tagtäglich stecken wir Rettungskräfte im Stau. Jeden einzelnen verdammten Einsatz.“ Die Gründe dafür seien mit weitem Abstand vor jeglichen Protesten: „Falschparker*innen, ‚Zweite-Reihe-Parker*innen‘, Baustellen und fehlende Rettungsgassen“.

Die Schuld bei den Klima-Aktivisten zu suchen sei „respektlos dem Unfallopfer gegenüber, heuchlerisch, verlogen und hetzerisch“. Auch die Berliner Feuerwehr, „die sich jetzt ganz empört hinstellt“, wird von dem 43-Jährigen zur Selbstkritik aufgefordert.

So hätte eine „gezieltere Disponierung mit aktueller Staulage und optimaler Anfahrt“ Abhilfe in der Situation schaffen können. Auch zur „Indienststellung weiterer Fahrzeuge“ rät der Sanitäter. Es sei jedoch „viel einfacher, einen nur in kleinsten Teilen kausalen Zusammenhang zu unliebsamen Protesten zu nehmen und das zu einer Schlagzeile zu machen“.

Wenn Radfahrerinnen und Radfahrer ernsthaft besser geschützt werden sollen, müsste man Maßnahmen ergreifen, führte der Twitter-Nutzer aus und empfiehlt dafür „autofreie Innenstädte, Abbiegeassistenten, separate Fahrradspuren und eine Helmpflicht“. Vor allem aber: „Einen Planeten erhalten, auf dem man noch Fahrrad fahren kann“.

Rettungssanitäter kritisiert Politik und Medien: „Hört auf, Notfälle zu instrumentalisieren“

„Aber wenn ihr schon keine echten Argumente habt, dann hört auf Notfälle zu instrumentalisieren, wenn euch 95 % der anderen Gründe, warum Hilfe zu spät kommt, schon immer einen Scheiß interessiert haben“, findet der Sanitäter schließlich klare Worte. Gegenüber „Buzzfeednews“ wurde der 43-Jährige, der laut eigenen Angaben am Montag vor Ort war, noch deutlicher. „Komplett an den Haaren herbeigezogen“, sei der konstruierte Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Protesten, sagte der 43-Jährige.

Ziel der „Letzten Generation“ ist es, von der Bundesregierung Maßnahmen gegen die Klimakrise zu erzwingen. Mit ihren Protestformen sorgen die Aktivisten immer wieder für Diskussionen. Neben Protestaktionen durch das Festkleben auf Fahrbahnen setzten die Aktivisten zuletzt auch auf Attacken gegen Kunstwerke, um Aufmerksamkeit für ihre Sache zu gewinnen. (das/pst mit dpa)

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