Nächste Woche geht es für mehr als 130 Kardinäle ins streng abgeschirmte Konklave. Aber noch ist Zeit für Absprachen außerhalb. Und für kryptische Andeutungen.
Die Tage davorAlles dreht sich schon um Papst 267

Feuerwehrleute platzieren den Schornstein auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle, wo sich die Kardinäle zur Wahl des neuen Papstes versammeln werden.
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In der Sixtinischen Kapelle wird noch gesägt, geschraubt und gehämmert. Hier unter Michelangelos Deckengemälde vom Jüngsten Gericht entscheiden wohl im Laufe der nächsten Woche mehr als 130 Kardinäle darüber, wer künftig als Papst die weltweit 1,4 Milliarden Katholiken führen wird. Doch bis wieder Weltgeschichte geschrieben wird, sind die Handwerker zugange.
Aber wer weiß? Möglicherweise haben die entscheidenden Gespräche auch schon anderswo stattgefunden, in einer der vielen Trattorien rund um den Vatikan. Vielleicht im „Tre Pupazzi“, den „Drei Puppen“, im „Arcangelo“ dem „Erzengel“, oder gleich im „Caffé dei papi“, dem „Café der Päpste“. Überall dort waren jetzt Kardinäle zu sehen, ohne dass man mehr weiß. Abgesehen davon, dass auch unter Kirchenleuten zu dieser Jahreszeit Artischocken auf römische oder jüdische Art beliebt sind. Also geschmort oder frittiert.
Kardinal Woelki: „Man lernt sich kennen“
Manche der Männer in Rot weichen für Treffen lieber in eines der vielen Priesterheime in Rom aus, den Sitz eines Ordens oder gleich ins Umland. Dort redet sich diskreter. So oder so gibt es, bevor das Konklave am Mittwoch beginnt, nur noch ein Thema: Wer wird es? In diesen Tagen werden die Weichen für die Nachfolge von Papst Franziskus gestellt. Offiziell heißt die Zeit nun Sedisvakanz - die Zeit des unbesetzten Stuhls.
Neben den Begegnungen im Restaurant gibt es auch förmliche Zusammenkünfte. Seit der Beerdigung treffen sich die in Rom anwesenden Kardinäle - auch die, die nicht mehr wählen dürfen, weil sie über 80 sind - fast jeden Morgen in einer großen Aula im Vatikan zur sogenannten Generalkongregation (auch: Vorkonklave). Dort spricht sich nicht so leicht wie in der Trattoria, aber Gelegenheit für kryptische Andeutungen ist allemal.
Marx will kein „Königsmacher“ sein
Letztlich geht es auch nicht viel anders zu als in Firmen und Vereinen, wenn eine wichtige Personalentscheidung zu treffen ist. Man fühlt vor, bringt Namen ins Spiel, testet die Stimmung. Einer der drei Deutschen, die mitwählen dürfen, der konservative Kardinal Rainer Maria Woelki aus Köln, sagt: „Es gibt Kaffeepausen, man trifft sich abends zum Essen, lernt sich kennen.“ Und möglicherweise bilden sich Allianzen heraus.
Ein anderer Deutscher, der deutlich progressivere Kardinal Reinhard Marx aus München, wird von der italienischen Presse zu den „Königsmachern“ gezählt - den Leuten also, die im Konklave die Stimmung entscheidend beeinflussen könnten. Er selbst will davon nichts wissen: „Ich glaube, ich bin im falschen Film. Wir wählen doch keinen König.“ Aber natürlich gefällt einem Kardinal, wenn er als wichtig gilt. Und noch sind Interviews erlaubt.
Viele in Rom hoffen auf italienischen Papst
Was nun die Kandidaten für die Nachfolge angeht, hat sich in den vergangenen Tagen wenig getan. Favorit auf den Posten als Pontifex Maximus 267 ist nach wie vor die bisherige Nummer zwei des katholischen Kirchenstaats, Pietro Parolin. In zwölf Jahren neben Franziskus hat der Italiener bewiesen, dass er einen solchen Apparat managen kann. Als Mann der Mitte gilt er auch. Und mit 70 Jahren hätte er auch ein gutes Alter.
Zudem finden viele in Rom, dass es nach fast einem halben Jahrhundert mit Ausländern wieder einmal Zeit für einen italienischen Papst wäre. Wer weiß, ob sich in der immer internationaler werdenden Kirche noch einmal eine solche Chance ergibt? Parolins Gegner wenden ein, dass der Kurienkardinal nie Pfarrer war, nie Bischof. Und es ihm für den höchsten Posten an Ausstrahlung fehle. Fällt die Wahl trotzdem auf ihn, wäre das Konklave wohl schnell vorbei.
Falls es dauert, dürfte sich ein anderer Kardinal durchsetzen. Aktuell sind mehr als ein Dutzend Namen im Gespräch: weitere Italiener wie der Erzbischof von Bologna, Matteo Zuppi (69), und der Patriarch von Jerusalem, Pierbattista Pizzaballa (60), sowie andere Europäer wie der Ungar Peter Erdö (72), der Franzose Jean-Marc Aveline (66) und die beiden Spanier Juan José Omella Omella (79) und Cristóbal López Romero (72).
Konklave so international wie noch nie
Die Wahl könnte aber auch wie 2013 auf einen Kardinal von einem anderen Kontinent fallen: den Filipino Luis Antonio Tagle (67) oder den Myanmarer Charles Maung Bo (76), beide aus Asien, den Afrikaner Fridolin Ambongo Besungu (65) aus der Demokratischen Republik Kongo oder einen US-Amerikaner wie Raymond Burke (76) oder Robert Francis Prevost (69), auch wenn dies als weniger wahrscheinlich gilt.
Und natürlich sind andere Überraschungen möglich. Viele Kardinäle müssen sich erst noch ein Bild von ihren Mitbrüdern machen: Von 135 wahlberechtigten Kirchenmännern wurden 108 von Franziskus ernannt, die letzten davon erst im Dezember. Zudem hatte der Papst aus Argentinien eine Vorliebe für Leute von der „Peripherie“, wie er das nannte: aus der Mongolei zum Beispiel, aus Osttimor oder dem Südsee-Inselstaat Tonga. Viele Kardinäle, die jetzt entscheiden dürfen, waren bislang nur selten im Vatikan.
In der Theorie könnte sogar ein Mann zum Papst gewählt werden, der gar kein Kardinal ist. Aber das war zum letzten Mal vor sechseinhalb Jahrhunderten der Fall und dürfte, so Gott will, so bleiben. Was die Dauer angeht, glauben die meisten Experten, dass es bis zum nächste Wochenende eine Entscheidung geben wird. Dann hätte der neue Papst nach dem „Habemus Papam“ vom Petersdom bald darauf schon wieder einen Termin mit Zehntausenden Gläubigen: das Angelus-Sonntagsgebet. (dpa)