Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Theologieprofessor erklärtWie Franziskus den Weg für Frauen im Konklave ebnete

Lesezeit 6 Minuten
07.05.2025, Vatikan, Vatikanstadt: Eine Nonne schützt sich vor dem Regen, während sie die letzte Messe der Kardinäle im Petersdom vor dem Konklave zur Wahl eines neuen Papstes auf dem Petersplatz verfolgt. Foto: Francisco Seco/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Eine Nonne schützt sich vor dem Regen, während sie die letzte Messe der Kardinäle im Petersdom vor dem Konklave zur Wahl eines neuen Papstes auf dem Petersplatz verfolgt. 

Der Tübinger Theologieprofessor Peter Hünermann schreibt über unbeachtete Entscheidungen des verstorbenen Papstes, die Weichenstellungen für die katholische Kirche bedeuten.

Weder kirchliche noch säkulare Medien haben bisher die Öffentlichkeit informiert, dass zur Papstwahl in Rom ab heute erstmals Frauen im Konklave dabei sein werden. Wie bitte? Sollte die Regel gebrochen werden, dass nur die Kardinäle den Papst wählen werden? Wird hier eine Revolution in der katholischen Kirche behauptet? Das kann doch nur kompletter Unsinn sein. Denkt man.

Trotzdem stimmt es: Im Konklave werden Frauen teilhaben an den Beratungen, wer Papst werden soll. Eingefädelt hat das Papst Franziskus persönlich. Und ich sehe ihn förmlich schmunzeln, wie gut ihm das gelungen ist. Vor wenigen Wochen erst, kurz vor seinem Tod am 21. April, hat Franziskus eine Frau zur Leiterin des Dikasteriums für die Religiosen ernannt.

Die italienische Ordensschwester ist zuständig für alle Männer und Frauen, die den Orden, Kongregationen und Missionsgesellschaften der katholischen Kirche angehören. Simone Brambilla ist eine tatkräftige Frau, die promoviert und in Afrika gearbeitet hat, innerhalb ihrer Kongregation zur Generaloberin gewählt worden ist und im Vatikan auf unterschiedlichen Stufen mitgearbeitet hat. Sie kennt ihre Behörde wirklich auf allen Etagen, war wohlgelitten und bis zur Vizeleiterin aufgestiegen. Als Franziskus sie zur Leiterin ernannte, hat er den zuständigen Kardinal zu ihrem Stellvertreter gemacht.

Der Vatikan hat rund 6000 Mitarbeiter

Ähnliches gilt für die Ordensfrau, die Papst Franziskus zur „Regierungschefin“ des Vatikans ernannt hat. Auf italienisch leitet Raffaella Petrini den „Governatorato“ . Was gehört zu ihren Kompetenzen? Der Governatore ist zuständig und verantwortlich für alles, was der Vatikan als international anerkanntes Völkerrechtssubjekt für seine Existenz inmitten der anderen Staaten braucht. Das sind sehr viele verschiedenen Dinge.

Dieser souveräne Kleinstaat, der rund 6000 Angestellte und Mitarbeiter hat, wird Jahr für Jahr von Millionen Menschen aufgesucht: von Katholiken und nicht-katholischen Christen, Glaubenden und Nicht-Glaubenden, er unterhält Beziehungen unterschiedlichster Art zu anderen Staaten und internationalen Institutionen. Man denke an das Nuntiaturwesen und die damit verbundenen Einrichtungen: die vatikanische Diplomatenausbildung, die Erhaltung der Nuntiaturen und mehr. Der Vatikan hat eigene soziale Medien, eine Hörfunk- und Fernsehanstalt, eine Post, einen Verlag, Immobilien und Ländereien auch außerhalb des von einer Mauer umgebenen vatikanischen Staatsgebiets. Er beschäftigt nicht zuletzt die Schweizer Garde.

Professor Peter Hünermann

Professor Peter Hünermann schreibt in seinem Gastbeitrag über Franziskus' Weichenstellungen im Verborgenen.

Dies alles ist wohlgeordnet zu verwalten, zu bewirtschaften und zu finanzieren. So ist der Governatore ebenso zuständig für die Finanzen des Vatikans wie für seine Immobilien. Die Skandale um die Vermögensanlagen des Vatikans und die waghalsigen Spekulationen in London, die mit großen Verlusten für den Vatikan endeten, sind vielen noch in schlechter Erinnerung. Die ordnungsgemäße Entgegennahme von Spenden und ihre zweckbestimmte Verwendung gehört ebenfalls zu den Aufgaben des Gobernatoratos. Die Mitarbeiter mit ihren spezifischen Aufgabenstellungen und die für sie geltenden arbeitsrechtlichen Regelungen bedürfen in dieser oder jener Form der Mitwirkung und der leitenden Hand des Gobernatoratos.

Was Papst Franziskus hier personalpolitisch eingefädelt hat, aber auch die Diskussionen über die Zukunft der Kirche vor seiner eigenen Wahl im Konklave von 2013 haben die Kardinäle jetzt nach seinem Tod aufgegriffen. Sie haben daraus ein regelrechtes offenes Forum gemacht, in dem sie die Lage der Kirche und die anstehenden Nöte einlässlich und detailreich diskutiert haben. Über dieses Präkonklave wurde öffentlich auf „Vatican News“ berichtet.

Die Zahl der teilnehmenden Kardinäle wurde mitgeteilt, ihre Diskussionsthemen und Beschlüsse wurden bekannt gegeben, auch, wie viele Kardinäle sich zu Wort gemeldet hatten. Die Teilnehmer konnten auch in Interviews Stellung nehmen zu den Problemen in der Kirche, die im eigentlichen Konklave eine Rolle spielen würden. Ferner wurden Entscheidungen für das kommende Konklave beschlossen. Aber gab es dieses Vorkonklave nicht auch schon früher? Und was hat das mit den Frauen zu tun, die da zu Leiterinnen von Dikasterien der Kurie ernannt worden sind?

Präkonklave 2013 war der Beginn von Aufräumarbeiten

Die Situation heute ist anders als beim Konklave vor zwölf Jahren. Damals hatte Papst Benedikt XVI. das Handtuch geworfen. Die Kardinäle standen nach seinem Rücktritt vor einem Scherbenhaufen. In der Kurie herrschte Chaos: Vom Schreibtisch des päpstlichen Sekretärs verschwanden Schriftstücke. Die Kurienkardinäle sahen den Papst nicht, wurden in ihrer Arbeit nicht koordiniert und kontrolliert. Aufsicht und die Transparenz über die Finanztöpfe des Vatikans waren Mangelware.

ARCHIV - 11.03.2013, Vatikan, Vatikanstadt: Kardinäle verfolgen am 12.03.2013 im Petersdom im Vatikan die Wahl-Messe "Pro Eligendo Romano Pontifice". Nach der Messe ziehen sich die Kardinäle in die Sixtinische Kapelle zurück und beginnen das Konklave, die Papstwahl für den Nachfolger von Papst Benedikt XVI. (zu dpa: «Konklave im Vatikan: Diese Kardinäle wählen den neuen Papst») Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Kardinäle im Petersdom bei der Wahl-Messe „Pro Eligendo Romano Pontifice“ 2013: Nach der Messe ziehen sich die Kardinäle in die Sixtinische Kapelle zurück und beginnen das Konklave. (Archivbild)

Die Diskussionen und Abmachungen vor dem Konklave 2013, in dem Papst Franziskus gewählt wurde, waren im Grunde kein Präkonklave, sondern der Beginn von Aufräumarbeiten, um überhaupt ein Konklave abhalten zu können. Zu einem förmlichen Präkonklave wurde erstmals jetzt vom Dekan des Kardinalskollegiums, Kardinal Giovanni Battista Re, eingeladen. Es setzt die Strukturreform voraus, die Papst Franziskus durch die Einbeziehung der Frauen in die leitende Kurienarbeit mit veranlasst hat.

Nochmals Einspruch: Nichts hat sich geändert, könnte man sagen. Der Papst hat einige – wenige – Frauen zu Leiterinnen von Dikasterien gemacht. Ihnen sind Kardinäle als Stellvertreter zugeordnet. Aber was soll das? Die Kardinäle sind ja nicht verpflichtet, diese Frauen anzuhören oder sich gar nach ihrem Rat zu richten, wenn sie ins Konklave gehen. Nur auf sein Gewissen werde er hören, hat der Kölner Kardinal Rainer Woelki erst vor wenigen Tagen zu seinem Wahlverhalten im Konklave gesagt. Bricht sich hier nicht der feine Unterschied zwischen „beraten“ und „entscheiden“ Bahn, auf den gerade die Frauen in der katholischen Kirche immer wieder hinweisen?

Franziskus hat für eine veränderte Stellung der Frau in der Kirchenleitung gesorgt

Die Antwort darauf ist – zugegeben – nicht ganz einfach. Negativ gilt zunächst: Es wäre fatal, tödlich für die Papstwahl, wenn formelle Regeln erlassen würden, bindende Vorschriften, die die Kardinäle für die Gültigkeit ihrer Wahl verpflichten würden, dieses oder jenes zu tun beziehungsweise zu unterlassen. Das wäre ein Bruch mit der völligen Freiheit der Wahl, die in der Sixtinischen Kapelle gilt. Es gibt mithin keine Sitzungen, keine Kontrolle, ob die Voraussetzungen für die Gültigkeit der Stimme gegeben sind. Es gibt tatsächlich nur die schweigend vollzogene Abgabe der Stimme.

Und: Es gibt die innere Leitschnur, sich nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden, im Vertrauen auf das Wirken des Heiligen Geistes. Die Papstwahl ist ein Akt des Glaubens an den lebendigen Gott.

Was folgt nun aus alledem? Erstens: Das Präkonklave erweist sich als öffentliches Forum, in dem ältere und jüngere Kardinäle eine offene, transparente Diskussion über alle wichtigen grundsätzlichen Probleme von Kirche und Glauben führen. Es werden damit verdeckte Parteibildungen zwischen den Kardinälen erschwert. Die gemeinsamen Entscheidungen zu Durchführungsbestimmungen des Konklaves untermauern dies.

Zweitens: Eine veränderte Stellung der Frau in der Kirchenleitung ist durch die jüngsten Ernennungen von Papst Franziskus klar und deutlich zum Ausdruck gekommen. Dies anzuerkennen, ist den Kardinälen in der absoluten Freiheit ihrer Wahl als Verpflichtung anvertraut. Indem sie diese Verpflichtung im Konklave wahrnehmen, nehmen sie die Frauen dorthin mit.


Der Autor

Peter Hünermann ist emeritierter Professor für Dogmatik an der Universität Tübingen. Der 96-Jährige, der letzte der großen Theologen aus der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965), tritt seit langem dafür ein, die Ämter in der katholischen Kirche für Frauen zu öffnen. (jf)