Neue Insekten, neue Krankheiten?Was die Asiatische Buschmücke nach NRW bringt

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Buschmücke

Neu in NRW: die Asiatische Buschmücke

Köln – Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, erwartet eine Ausbreitung exotischer Infektionskrankheiten in Deutschland infolge des Klimawandels. Dieser führe zu einer Ausdehnung der Lebensräume für Mücken und Zecken. Wie ist die Lage in NRW? Die wichtigsten Fragen dazu beantwortet Helge Kampen, Biologe am Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, dem Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald.

Wie viele invasive Insektenarten gibt es bereits in NRW?

Bei dieser Frage muss man unterscheiden: Handelt es sich um medizinisch relevante oder medizinisch nicht-relevante Arten? Von letzteren gibt es sicher etliche  in Deutschland und auch in NRW. In NRW hat sich dagegen bisher lediglich eine, für den Menschen medizinisch relevante, invasive Stechmückenart angesiedelt: die Japanische Buschmücke. Erstmals nachgewiesen wurde sie 2012. Mittlerweile ist sie weit verbreitet. Auch die Asiatische Tigermücke wurde bereits vereinzelt gefunden. Die hat sich in NRW aber (noch) nicht etabliert.

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Helge Kampen ist Biologe am Friedrich-Loeffler-Institut.

Wie kommt das? Nimmt die Entwicklung durch den Klimawandel Fahrt auf?

Dass die Mücken nach Europa kommen, hat mit dem Klimawandel erstmal nichts zu tun, eher mit der Globalisierung. Durch internationalen Handel und steigende Mobilität können exotische blutsaugende Insekten oder deren Eier mitsamt ihrer Erreger eingeschleppt werden. Durch den Klimawandel haben sie aber bessere Überlebenschancen. Mücken, die normalerweise über den Winter gestorben wären, gelingt es bei steigenden Temperaturen, zu überleben. Wie wir aus Laborversuchen und den ersten West-Nil-Fieber-Fällen in Ostdeutschland wissen, können aber auch einige einheimische Stechmückenarten bei steigenden Temperaturen Krankheitserreger übertragen. Um sich zu infizieren, braucht es nicht zwingend neue, invasive Insektenarten.

Welche Auswirkungen hat das bisher und was erwarten Sie noch?

Die Folge ist, dass sich Stechmücken und Zecken ausbreiten, und unabhängig davon zum Teil auch die Erreger, die sie übertragen können. Lothar Wieler vom RKI hat einige davon genannt. Dass die Malaria in Deutschland wieder endemisch wird, halte ich für so gut wie ausgeschlossen. Das hat mehrere Gründe: Malariainfektionen werden immer symptomatisch und fallen deshalb auf. Wir verfügen über wirksame Medikamente zur Behandlung und ein gutes Gesundheitssystem. Die früher in Europa endemischen Erregerstämme, die gut an die einheimischen Anopheles-Arten angepasst waren, wurden ausgerottet. Tropische Erregerstämme, mit denen wir es heute nur noch zu tun haben, entwickeln sich dagegen nicht gut in den hier vorkommenden Anopheles-Arten.  Schließlich gibt es in Europa kein Erregerreservoir für die Malariaparasiten in Wildtieren. Stechmücken können sich daher hier nur am Menschen infizieren, um den Erreger weiterzutragen. Wegen der guten medizinischen Überwachung werden solche humanen Infektionsquellen aber auch zukünftig nur sehr selten zur Verfügung stehen.

Eine spezielle Frage zu Zecken: NRW zählt zwar nach den Kriterien des Robert-Koch-Instituts nicht zu den FSME-Risikogebieten, aber dennoch gibt es in Nordrhein-Westfalen Gebiete, in denen FSME-Erkrankungen aufgrund von Zeckenstichen vorkommen. Das sind einzelne Bereiche im Münsterland, im bergischen Land und im Bereich der Solingen-Ohligser Heide. Welche Entwicklungen sehen Sie da – wächst die Gefahr für FSME?

Die Gefahr, die von Zecken ausgeht, ist vergleichsweise überschaubar: Gegen FSME kann man sich impfen lassen. Vor Zeckenstichen kann man sich außerdem gut schützen, indem man folgendes beachtet: Halten Sie sich möglichst nicht im hohen Gras oder im Unterholz auf. Tragen Sie vor allem im Wald und auf Wiesen, lange Kleidung und geschlossene Schuhe. Wer zusätzlich die Hose in die Socken steckt, erschwert den Zecken den Zugang zur Haut. Sprühen Sie Haut und Kleidung vor Wald- oder Wiesenspaziergängen mit Anti-Insekten-Spray ein. Nach der Rückkehr sollte man duschen, damit lassen sich auch Zecken abspülen, die schon auf dem Körper herumlaufen, sich aber normalerweise erst nach Stunden festsaugen.

Wie können Ärzte konkret sensibilisiert werden?

Im Medizinstudium wird dieses Thema eher vernachlässigt. Das ist auch nicht ganz unbegründet, schließlich gibt es viele dringendere Themen. Trotzdem sollten Ärzte sensibilisiert werden, indem beispielsweise vermehrt Artikel zu dem Thema in Fachmagazinen erscheinen. Ein anderer Weg wären Fortbildungsveranstaltungen.

Wie kann man sich schützen?

Sich impfen lassen, wenn es möglich ist. Kleine Wasserstellen im Garten gar nicht erst entstehen lassen, beziehungsweise entfernen oder stechmückensicher abdecken. Stechmückenlarven entwickeln sich bei höheren Temperaturen in ca. 12-14 Tagen. Wenn also alle 7-10 Tage stehendes Wasser entfernt oder gewechselt wird, können keine Mücken schlüpfen. Ansonsten helfen Insektensprays, Cremes, Moskitonetze und lange Kleidung.

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Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein?

Das Risiko, dass man sich in Deutschland aktuell mit Erregern infiziert, die durch Stechmücken übertragen werden, ist sehr gering. Es gibt einfach zu wenig Infektionsquellen. Bei Zecken-übertragenen Erregern ist das Risiko deutlich höher, da einheimische Wildtiere ein Erregerreservoire darstellen und Zecken sehr viel länger leben. Einmal infiziert, bleiben sie es lebenslang. Insbesondere die Borreliose ist auch in NRW weit verbreitet. Allerdings stechen Zecken in ihrem Leben auch sehr viel seltener als Stechmücken. Auch wenn es also keinen Grund zur Panik gibt, muss man nach Zeckenstichen gewarnt sein und darf auch bei Stechmücken Infektionen nach Stichen keinesfalls kategorisch ausschließen.

Was erwarten Sie für die Zukunft? Weitere, gefährlichere Arten?

Es ist durchaus möglich und sogar wahrscheinlich, dass weitere gebietsfremde Stechmücken- und Zeckenarten nach Deutschland eingeschleppt werden. Die Frage ist, ob sie sich ansiedeln können. So schnell passiert das normalerweise nicht. Wenn es bei uns allerdings immer heißer wird und längere Hitzeperioden vorkommen, ist eine Ansiedlung weiterer, auch gefährlicher Arten nicht auszuschließen.

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