Klischees über NRW-StädteKöln ist schön – weil niemand widerspricht

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Köln Dom 220819

Blick auf den Kölner Dom

  • „Bielefeld existiert nicht“ – diese Verschwörungstheorie gibt es schon seit 25 Jahren.
  • Jetzt will der Oberbürgermeister die Existenz seiner Stadt endlich sichern.
  • Welche Klischees über andere NRW-Städte gibt es? Und was wird über Köln immer behauptet?

Bielefeld – Nach 25 Jahren hat Bielefeld endlich einen Oberbürgermeister, der die Existenz seiner Stadt sichern will. Es soll das Ende einer Verschwörung werden. Und ist schon nach einem Tag die größte PR-Aktion, die Bielefeld jemals erlebt hat. Eine Million Euro hat Pit Clausen ausgelobt für denjenigen, der beweist, dass es sie gar nicht gibt.

Seit 25 Jahren kursiert diese Behauptung. „Ich hätte nie gedacht, was ich damit anrichte“, sagt Achim Held, heute 50, Informatiker aus Kiel, der sie in die Welt gesetzt hat. Auf einer Studentenparty 1993 sei sie entstanden. Als Gag. „Ein Student hat damals gesagt, er käme aus Bielefeld. Aber jeder, den wir gefragt haben, war noch nie dagewesen.“ Wenig später sei er auf der Autobahn an Bielefeld vorbeigefahren. Wegen einer Baustelle sei die Stadt auf allen Schildern durchgestrichen gewesen. Ausfahren unmöglich.

Daraufhin habe Held einen Text mit der Verschwörungstheorie geschrieben. „Ich habe einfach behauptet, dass irgendwelche Geheimdienste oder Aliens uns die Existenz der Stadt vorgaukeln. Landkarten, Autokennzeichen – alles gefälscht“ , sagt Held. Anfangs habe sein Werk kaum Beachtung gefunden. „Die ein oder andere Zeitung hat drüber berichtet.“ Erst durch das Einstellen des Textes ins Usenet, das lange vor dem World Wide Web entstanden ist, habe die Geschichte mehr und mehr Leser bekommen.

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Reaktionen aus aller Welt

„Nach 25 Jahren ist es gut gewesen mit der Bielefeld-Verschwörung“, findet allerdings Clausen. „Den hartnäckigen Anhängern des Spruchs, dass es uns gar nicht gibt, räumen wir mit der #Bielefeldmillion noch einmal eine faire und großzügige Chance ein. Dann sollen auf den Spruch doch Beweise folgen.“

370 Reaktionen aus aller Welt sind in den ersten 24 Stunden schon eingetroffen, unter anderem aus Russland, den USA, England und Australien. Ein Beweis ist bisher nicht darunter. Dabei sagt doch allein die Logik: Wie kann man von einer Stadt eine Million erwarten, die es gar nicht gibt? An wen sollte man sich wenden? Die Stadtoberen haben auch keine Antworten.

„Wir sind gespannt auf jede kreative Einsendungen und uns zu 99,99 Prozent sicher, dass wir jeden Beweis widerlegen können. Und für den Fall, dass es uns doch nicht geben sollte, sei sicherheitshalber erwähnt, dass keine Steuergelder auf dem Spiel stehen“, sagt Martin Knabenreich, Chef von Bielefeld-Marketing selbstsicher.

Wo wir schon einmal dabei sind, mit Verschwörungstheorien aufzuräumen, dann bitte gleich richtig. Bielefeld – Du bist nicht allein!

Wuppertal ist Deutschlands schlimmstes Regenloch

Also: Wuppertal ist nicht das schlimmste Regenloch, die regenreichste Ecke des Landes und die Menschen kommen dort auch nicht mit einem Regenschirm auf die Welt. „Das wird wegen der Lage im Bergischen Land zwar immer wieder behauptet, aber das Stadtgebiet hat mitnichten die höchste Niederschlagsmenge“, sagt Thomas Kesseler-Lauterkorn, Diplom-Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst in Essen. Recht feucht sei es zwar schon, bei 1175 Millimeter Niederschlag im Jahr. Der Remscheider Stadtteil Lennep liege mit 1498 drüber. Und im Klimamittel der Jahre 1981 bis 2010 ist Wuppertal zum Ebbe-Gebirge (1600 Millimeter) die reinste Sahelzone. Und mit der Million Euro Preisgeld aus Bielefeld werde es für ihn persönlich leider auch nichts, sagt Kesseler-Lauterkorn. Im Stadtteil Deppendorf in Bielefeld gebe es nämlich eine Klimastation – durchschnittliche Regenmenge: 933 Millimeter. Daraus könne man die Schlussfolgerung ziehen, dass es Bielefeld gibt.

Düsseldorf hat die längste Theke der Welt

Wo wir gerade bei Feuchtgebieten sind. Nein! Die längste Theke der Welt steht nicht in Düsseldorf, selbst wenn die Toten Hosen das seit 1986 in ihrem „Altbierlied“ behaupten und die Landeshauptstadt diese Dreistigkeit auch noch untermauert, das sei ja nur symbolisch gemeint, man müsse halt alle 250 Tresen der Stadt zusammenzählen. Die längste Theke der Welt stand im Juni 2010 im Dorf Satow bei Rostock, reichte über 783,80 Meter vom Amtsgebäude bis zum Sportplatz. Ein Getränkehändler feierte so sein 20-jähriges Bestehen und überbot damit den Rekord einer Barschule aus dem Zillertal (610 Meter).

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Bochum ist unabsteigbar

Das Wort fehlt bis heute im Duden, aber Bochum ist nicht „unabsteigbar“. Das war es vielleicht mal, tief im Westen, wo die Sonne verstaubt. Von 1971 bis 1993 spielt der VfL ununterbrochen in der Bundesliga. Ein Mythos war geboren, dem die alten VfL-Fans noch heute hintertrauern und das Wortgeschöpf, von dem keiner so recht weiß, wer es erfunden hat, zum Teil bis heute auf ihren Kutten tragen. In Bochum (873 Millimeter) regnet es übrigens im Jahresschnitt noch weniger als in Bielefeld, weiß der Diplom-Meteorologe.

Wanne-Eickel heißt auf Lateinisch Castrop-Rauxel

Und in der unmittelbaren Nachbarschaft liegt Castrop-Rauxel, von dem immer wieder behauptet wird, es sei die lateinische Übersetzung von Wanne-Eickel, also ein und dieselbe Gemeinde und daher quasi nicht existent. Unter anderem von dem verstorbenen FDP-Politiker Jürgen Möllemann, der bei der gescheiterten Olympia-Bewerbung Düsseldorfs und des Ruhrgebiets für die Spiele 2012 über den ehemaligen Arbeitsminister Norbert Blüm scherzte: „Der übt Schmetterling im Planschbecken in Wanne-Eickel, lateinisch Castrop-Rauxel.“

Köln ist die schönste Stadt Deutschlands

Bliebe noch die Behauptung, Köln sei „die schönste Stadt Deutschlands“. Dieser Annahme von Stadionsprecher Michael Trippel hat in all den Jahren noch nie jemand widersprochen. Auch am Freitag wird Trippel seine Weltsicht vor dem Spiel gegen Borussia Dortmund erneut bewerben.

Sogar die Funktionäre der Deutschen Fußball-Liga werden nicht einschreiten. Es wird keinerlei Sanktionen geben. Also muss doch was dran sein. Vielleicht gibt es Bielefeld ja doch nicht!

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