Tennislegende Boris Becker lebt wieder in Freiheit, nachdem er 2022 in Haft war. Nun hat er ein Buch über diese schwierige Zeit geschrieben.
Boris Becker über Zeit im Gefängnis„Ich spielte Karten mit einem verurteilten Mörder“

Ex-Tennisprofi Boris Becker hat ein Buch über seine Zeit im Gefängnis geschrieben.
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Der 29. April 2022 bedeutete einen Einschnitt für Boris Becker. Mindestens genauso einschneidend wie der 7. Juli 1985, als er mit 17 Jahren als jüngster Wimbledon-Sieger aller Zeiten in die Geschichte einging und zur Tennislegende wurde. Ein Status, den er mit zwei weiteren Wimbledon-Siegen sowie drei weiteren Grand-Slam-Titeln festigte.
Ohne jenen 7. Juli 1985 hätte es aber auch die Ereignisse vom 29. April 2022 nicht gegeben, die Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Haft, weil er seinen Insolvenzverwaltern Vermögenswerte in Millionenhöhe verschwiegen hatte, und die anschließenden siebeneinhalb Monate in Gefangenschaft, bis er frühzeitig nach Deutschland abgeschoben wurde – da ist sich Becker sicher. So schreibt er es in seinen Memoiren „Inside“, die an diesem Mittwoch (10. September) veröffentlicht werden.
Becker will seine Sicht der Dinge offenlegen
Der gefallene Tennisstar, der schon länger mehr wegen Frauen, Sorgerechtsstreits und Schulden in den Schlagzeilen war als wegen seines sportlichen Vermächtnisses, will auf knapp 350 Seiten seine eigene Geschichte erzählen und dem Narrativ der Boulevardpresse entgegenstellen („Ich war definitiv nicht der, für den sie mich hielten”). Was er im Gefängnis Wandsworth, nur rund drei Kilometer entfernt vom Centre Court in Wimbledon, und im Gefängnis Huntercombe erlebt hat, hat er mit dem Sportjournalisten Tom Fordyce zu Papier gebracht.
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Dabei geht‘s auch um Hochs und Tiefs seiner Tenniskarriere, Konkurrenten auf dem Court, die Liebe und seine Kinder. Die wichtigsten Themen und Aussagen im Überblick:
Boris Becker über ...
… die Zeit vor dem Prozess und die Verurteilung:
Der Tennisstar gesteht sich Fehler ein, macht aber auch Berater und Anwälte auf gewisse Weise mitverantwortlich – genauso wie seine frühe Karriere. „Nur wäre nichts von alldem passiert, hätte ich nicht mit siebzehn Jahren Wimbledon gewonnen“, schreibt er. „In diesem Moment wurde mein Weg vorgezeichnet.“ Es klingt fast, als hätte er keine Wahl gehabt, seinen Insolvenzverwaltern Vermögenswerte in Millionenhöhe zu verschweigen.
Seine früheren Berater nennt er im Buch außerdem „ein Hai nach dem anderen“. Außerdem bereut er offenbar, auf der Anklagebank nicht genug über seine Gefühlswelt gesprochen zu haben: „Mein Anwaltsteam hat mir geraten, nicht allzu viel zu erklären, sondern einfach Ja und Nein zu sagen.“ Ob das etwas am Urteil verändert hätte, lässt sich zumindest bezweifeln.
… das Ankommen im Gefängnis:
Im Gefängnis angekommen, merkte Becker schnell: „Ich bin eine Nummer, die keiner kennt.“ Die Nummer A2923EV. Weil er als „Hochrisiko-Insasse“ eingestuft worden sei, habe er eine Einzelzelle bekommen. Tatsächlich schreibt der Tennisstar aber, dass in Wandsworth, wo er den ersten Monat in Haft war, den Leuten egal war, wer er ist: „Niemand kam auf mich zu und fragte, wie ich Ivan Lendl geschlagen oder gegen Michael Stich verloren hatte.“
Es ging ihnen nur darum, woher er kam – er war der Deutsche. „Für die Listener [Häftlinge, die Neu-Insassen helfen, ein Bindeglied zwischen Wärtern und Gefangenen] war ich Boris. Kein Spitzname, niemand sagte ‚Bum Bum‘.“ Den Spitznamen hatte er zu Tennis-Hochzeiten wegen seines explosiven Aufschlagsspiels und seiner aggressiven Spielweise erhalten.
… das Leben als Star im Gefängnis mit Mördern und Pädophilen:
Nach seiner Verlegung nach Huntercombe, ein Gefängnis für ausländische Staatsangehörige, wurde er mehr erkannt. Vorteile bei den Insassen brachte ihm das offenbar nicht ein, bei manchem Wärter oder Mitarbeiter schon: So durfte er etwa im Gym arbeiten, einem beliebten Arbeitsplatz unter den Häftlingen. Auch bekam er immer wieder Fanpost ins Gefängnis, zum Teil auch mit Geld. Letzteres bekam er jedoch erst nach seiner Entlassung.
Dass er im Gefängnis auch mit Mördern oder Pädophilen saß, wurde für Becker mit der Zeit fast normal. „Eines Nachmittags fiel bei mir der Groschen. Ich spielte Karten mit einem verurteilten Mörder. Warum sollte man mit jemandem Karten spielen, der mit seinen eigenen Händen zwei Menschen getötet hat?“, schreibt er da, „der Grund dafür war schlicht und einfach: Alle hier drin waren gleich.” Die Unterscheidung „zwischen denen mit Verbrechen, die ich akzeptieren konnte, und denen mit unverzeihlichen moralischen Fehlern“ spielte keine Rolle mehr.
… die härtesten Momente im Knast:
Vom Luxushotel auf eine Gefängnispritsche: Becker musste sich in vielerlei Hinsicht umstellen. „In vier Wochen nahm ich sieben Kilo ab“, berichtet er. Zudem habe er sich darauf einstellen müssen, immer auf der Hut zu sein („Im Gefängnis wird immer zurückgezahlt. Nichts ist kostenlos“): „Die meisten Geschichten, die man von Häftlingen hört, sind nicht wahr“, so Beckers Eindruck. „Die Leute versuchen nur, dir unter die Haut zu gehen, sich in deinem Kopf festzusetzen (…), damit sie dich für ihre Zwecke benutzen können.“
So wie er Glück mit manchen Wärtern hatte, die ihm zu Jobs verhalfen, hatte er auch Pech: „Dieser Mann schien es zu genießen, mich zweiundzwanzig Stunden am Tag einzusperren“, berichtet er über einen Mitarbeiter in Huntercombe. Ein Schock für ihn war auch die Verlegung in das zweite Gefängnis – er war davon ausgegangen, nach einigen Wochen in Wandsworth in den offenen Vollzug zu kommen, doch „all das löste sich in Luft auf“. Durch die Abschiebung nach Deutschland verkürzte sich seine Haft später aber deutlich.
… Frauen und die Liebe:
Vergangene Frauengeschichten und Ehen – Becker war vor seiner jetzigen Ehe mit Lilian de Carvalho Monteiro bereits zweimal verheiratet, mit Barbara Becker und Lilly Becker – hinterfragt der Tennisstar in seinem Buch: „Frauen und ich – das war eine Zeit lang immer gleich abgelaufen. Ich konnte es in ihren Gesichtern sehen, an ihrem Verhalten erkennen. Ich möchte mit dir zusammen sein, weil du berühmt bist. Ich möchte mit dir zusammen sein, weil du reich bist“, schreibt er.
Mit Lilian war es anders. „Ich bin pleite und vorbestraft, ich sitze im Knast. (…) Aber Lilian möchte immer noch mit mir zusammen sein.“ Tatsächlich hatte seine heutige Frau (die beiden sind seit 2024 verheiratet) ihm erst ein Jahr nach dem ersten Kennenlernen 2018 ihre Nummer gegeben. Sie blieb bei ihm, auch als klar war, dass er ins Gefängnis muss. Heute erwartet das Paar gemeinsam ein Kind, es ist das fünfte für Becker, der bereits drei Söhne und eine Tochter von drei Frauen hat.
… seine Kinder:
Während er seine Söhne Noah und Elias aus der Ehe mit Barbara Becker an Stellen erwähnt, als es um die Abende vor der Verurteilung oder Besuche im Gefängnis geht, bleiben Tochter Anna Ermakova und Sohn Amadeus (aus der zweiten Ehe mit Lilly Becker) fast unerwähnt.
Sie hätten ihn auch nicht während der Haft besucht, erzählt Becker in einem Interview mit dem „SZ Magazin“: „Das wollte ich nicht. Die Vorstellung, dass meine Tochter ins Gefängnis zu gefährlichen Verbrechern kommen muss, um mich zu sehen, war ein Horror, für sie wie für mich. Wir haben relativ häufig miteinander telefoniert, öfter als heute. Telefonate mit Amadeus hat seine Mutter untersagt.”
… Freundschaften im und außerhalb des Gefängnisses:
Bereits mit Beginn seiner Karriere veränderten sich Freundschaften für ihn, schreibt Becker: „Wenn das erste Mal ein Freund eine Story über dich an die Presse verkauft, denkst du noch, dass es sich um einen Irrtum handeln muss. (...) Wenn es immer wieder passiert (...) fängst du an, Freunde auszusieben und aus deinem Leben zu verbannen. Du beginnst, das Vertrauen und den Glauben in andere Menschen zu verlieren.”
Als er ins Gefängnis kam, teilte sich demnach nochmal die Spreu vom Weizen: „Es gab Freunde, die versprochen hatten, Lilian zu helfen, wenn ich es nicht konnte. Nur hörten wir jetzt, wo ich im Knast war, nicht mehr viel von ihnen.” Es habe sich angefühlt wie Verrat: „Seit dem 29. April haben sie ihr wahres Gesicht gezeigt. Ich würde also sagen, dass es neunzig Prozent meiner alten Freundschaften nicht mehr gibt.”

Die Strafmaßverkündung in Beckers Insolvenzverfahren in London brachte 2022 großen Medienrummel mit sich. (Archivbild)
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Dafür sind neue hinzugekommen, mit Gefängnisinsassen. Er berichtet von seinem Geburtstag im Gefängnis, an dem er von gleich drei Häftlingen Kuchen bekommen habe, provisorisch gebacken. „Noch nie in meinem Leben hatte ich drei Geburtstagskuchen am selben Tag bekommen.“ Es war ein Lichtmoment im Knast: „Ich lag da und spürte die Liebe dieser Männer – verloren, gefährlich und dennoch entschlossen, ihr Leben zu verändern.“ Sein engster Freund in der Gefangenschaft, ein Drogendealer namens Ike, kam dann auch ein Jahr später zu Beckers Geburtstag nach Mailand.
... seine Tenniskarriere, Höhepunkte, Tiefpunkte und Konkurrenz:
Wie sehr sein erster Wimbledon-Sieg das Leben auch abseits des Courts veränderte, beschreibt Becker so: „Mein Vater organisierte eine Parade, als ich in meine Heimatstadt Leimen zurückkehrte. Ich wollte keine Parade und verstand nicht, wie in einer Kleinstadt mit zehntausend Einwohnern rund fünfzigtausend Menschen die Straßen säumen konnten. (...) Das Ganze war mir unangenehm, weil es einfach nicht mein Stil war und nicht zu mir passte. (...) Ich wollte ein guter Tennisspieler sein, aber auf diese Art gefeiert werden wollte ich nicht.“ Er schreibt auch über die Konkurrenz etwa zu Pat Cash, Michael Stich oder Andre Agassi – und wie er schon 1991 den Gedanken hatte, mit dem Tennis aufzuhören. Tatsächlich hörte er dann erst 1999 auf.
… sein Leben nach der Haft:
„Das Gefängnis lässt dich nie ganz los“, schreibt Becker. „Ich konnte jetzt zwar auf Kingsize-Matratzen schlafen, konnte mich in die Mitte des Bettes rollen, wenn ich wollte. (...) Aber das tat ich nicht. Egal, wo ich war, ob in São Tomé oder in unserer kleinen Wohnung in Stuttgart, ich lag immer ganz am Rand. So nah, dass ich fast aus dem Bett fiel. Ich reduzierte auch die größte Matratze zu einer kleinen Pritsche.”
Mit seiner Frau zog er schließlich nach Mailand: „Ich konnte nicht in Deutschland bleiben. (...)Die Aufdringlichkeit der Medien, die fehlende Privatsphäre. Die alten Geister und die gefährlichen Gewohnheiten. Ein neues Leben verlangte nach einem neuen Zuhause.“
„Inside” von Boris Becker erscheint am 10. September 2025 im Ullstein-Verlag.