Debatte um Visa-BannFinnland begrüßt russische Touristen mit ukrainischer Hymne

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Imatra Staudamm Imago 160822

Der Staudamm in der Nähe von Imatra gehört zu Finnlands Touristenattraktionen. (Archivbild)

Imatra/Oslo – Es ist eine der meistbesuchten Attraktionen Finnlands. Jeden Tag wird die Öffnung eines fast hundert Jahre alten Staudamms des Flusses Imatrankoski nahe der Stadt Imatra mit Klängen des finnischen Komponisten Jean Sibelius begleitet – eigentlich. Denn derzeit werden Hunderte Schaulustige, die sich üblicherweise für das Spektakel auf einer Brücke versammeln, um zu sehen wie die Wassermassen unter ihnen hindurchrauschen, von der ukrainischen Nationalhymne begrüßt. Erst danach folgen die gewohnten Klänge von Sibelius.

Hintergrund der Aktion ist, dass viele russische Touristen und Touristinnen in der Region ihren Urlaub verbringen – also auch regelmäßig den Staudamm besuchen. „Das ist schlecht für russische Touristen und die Russen, die Finnland lieben“, kommentierte der russische Urlauber Mark Kosykh die Aktion gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. „Wir verstehen die Ukrainer. Manche Russen unterstützen diesen Krieg nicht“, erklärte Kosykh. „Nicht alle Russen sind für Putin.“

„Das ist schlecht für die Russen, die Finnland lieben“

Das hält die finnischen Gemeinden jedoch nicht von weiteren Protestaktionen ab. Auch in der nahe gelegenen Stadt Lappeenranta wird dem AFP-Bericht zufolge an jedem Abend die ukrainische Nationalhymne am Rathausplatz abgespielt – die Einkaufszentren der Stadt gelten als überaus beliebt bei russischen Urlaubern.

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Zudem zeigen Videos in den sozialen Netzwerken, dass in der finnischen Stadt auch „Slava Ukraini“-Plakate gut sichtbar in zentralen Straßen angebracht wurden. Der Ausruf „Ruhm/Ehre der Ukraine“ ist seit Beginn des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine das Credo der ukrainischen Streitkräfte und ihrer internationalen Unterstützer geworden.

Protestaktion hat politischen Hintergrund: Visa-Bann für alle Russen?

Die Protestaktionen haben derweil auch einen politischen Hintergrund. In der EU ist in den letzten Tagen eine Debatte über Touristen-Visa für russische Staatsbürger entbrannt – Einigkeit ist dabei nicht in Sicht.

„Russische Bürger haben den Krieg nicht gestartet, aber wir müssen uns gleichzeitig klar machen, dass sie den Krieg unterstützen“, sagte die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin am Montagabend bei einem Gipfeltreffen der Regierungschefs der fünf nordischen Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Oslo. „Ich finde es nicht richtig, dass russische Bürger als Touristen in die EU, den Schengen-Raum einreisen und Sightseeing machen können, während Russland Menschen in der Ukraine tötet.“

Scholz lehnt Visa-Bann für russische Staatsbürger weiterhin ab

Unterstützung erhalten Marin und die anderen Staaten des Baltikums aus Dänemark, Tschechien und Polen planen ebenfalls Visa-Einschränkungen für russische Staatsbürger. Die Befürworter eines Visa-Banns fordern eine europäische Diskussion und eine gemeinsame Position in dieser Angelegenheit.

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Die scheint jedoch in weiter Ferne: Bundeskanzler Scholz lehnt einen Visa-Bann für russische Staatsbürger weiterhin ab. Der Sozialdemokrat bekräftigte am Montag seine Position und verwies dabei unter anderem auf russische Staatsbürger, die vor Putins Regime flüchten würden. „Alle Entscheidungen, die wir treffen, sollten es nicht komplizierter für sie machen, Freiheit zu suchen und das Land zu verlassen, um der Diktatur in Russland zu entkommen“, sagte er. „Es ist nicht der Krieg des russischen Volks, es ist Putins Krieg.“

Bisher sind lediglich Personen aus der politischen und wirtschaftlichen Führung Russlands mit Einreisesperren in die EU belegt. (mit afp und dpa) 

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