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„Es ist Reality-TV“Wie Trump das Selenskyj-Treffen für seine Inszenierung nutzt

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„Auf diesem Bild kommuniziert sich klar, wer das Sagen hat", sagt Expertin Christiansen über dieses schwarz-weiß-Foto, das das Weiße Haus für die Inszenierung in den sozialen Netzwerken nutzte. /Handout/White House

„Auf diesem Bild kommuniziert sich klar, wer das Sagen hat“, sagt Expertin Christiansen über dieses schwarz-weiß-Foto, das das Weiße Haus für die Inszenierung in den sozialen Netzwerken nutzte. /Handout/White House

Die frühere Merkel-Beraterin Eva Christiansen analysiert die Kommunikation des US-Präsidenten. Trump mache Reality-TV - mit Staatsgästen als Statisten.

Viele Jahre hat Eva Christiansen Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Medienpolitik beraten. Nach dem Ulraine-Gipfel schaut sich die 55-Jährige die Selbstinszenierung von Donald Trump mit Videos und Bildern an.

Und sie benennt den schmalen Grat für Staatsgäste - wie die Europäer in den Verhandlungen über den Ukraine-Konflikt am Montagabend - zwischen Höflichkeit und Einschleimen.

Frau Christiansen, US-Präsident Donald Trump informiert über seine Politik auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social. Nach seinem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und den Europäern im Weißen Haus hat er Bilder und Videos gepostet, die wie Werbeaufnahmen wirken. Wie funktioniert seine Inszenierung?

Die Kommunikation von Präsident Trump ist ganz klar auf die sozialen Medien fokussiert und auf Selbstinszenierung ausgelegt. Er und sein Team wissen um die Macht der Bilder und Videos und sie nutzen sie. Sie überlegen vorher sehr bewusst, welche Message über die Bilder transportiert werden soll.

Was sehen Sie als Medienexpertin und frühere medienpolitische Beraterin von Bundeskanzlerin Angela Merkel in seinem kurzen Video über die Ankunft der europäischen Gäste im Weißen Haus?

Es ist ein freundliches Video. Präsident Trump inszeniert das Treffen im Weißen Haus wie einen klassischen Gipfel. Er zeigt seine Gäste bei der Ankunft, Präsident Selenskyj begleitet er persönlich hinein, aber er spielt natürlich selbst die Hauptrolle. Er tritt als der amerikanische Präsident auf, der die Weltläufe bestimmt. Dann kommen die Fahnen und das Militär hinzu. Er setzt damit auf die Symbolik präsidentieller Macht und klassischem Nationalbewusstsein – untermalt mit dynamischer Musik. Das verstärkt noch den Eindruck, den er setzen will: Staatschef par excellence. Die Zeitlupe ist ein Mittel, um alles noch staatstragender und mächtiger wirken zu lassen. Und der Schluss ist ein Klassiker: Er schaut ernst direkt in die Kamera. Seine drei Botschaften: Die Lage ist ernst, alle kommen zu mir, ich führe den Laden an. Und hat dabei natürlich vor allem seine Anhänger im Blick.

Welches der Fotos ist Ihnen besonders aufgefallen?

Interessant ist das Schwarz-Weiß-Bild von Trump und Selenskyj. Präsident Trump wendet sich dem ukrainischen Präsidenten freundlich zu und dieser legt auf dem Foto die Hand aufs Herz, eine sehr respektvolle Geste gegenüber dem Gastgeber. Und auch hier auf diesem Bild kommuniziert sich klar, wer das Sagen hat.

Das Oval Office im Weißen Haus war nie ein Ort für Pressekonferenzen. Warum hat Trump das geändert?

Früher gab es dort den Handschlag, zwei, drei nette Worte und dann schloss sich die Tür. Heute ist es Reality-TV. Präsident Trump weiß: Menschen schauen gerne und viel Reality-TV. Das jetzt live aus dem Oval Office zu sehen, ist etwas Besonderes. Es ist aber – genau wie in den Reality-TV-Formaten „scripted reality“. Denn das Geschehen ist ja nur vermeintlich authentisch und spontan. Präsident Trump überträgt das Format auf die Politik: Er ist der Entertainer und der Gast manchmal nur Statist. Er nutzt oft die reelle Situation auch für ganz andere Themen und macht daraus die politische Information.

Die frühere geordnete Pressekonferenz im Anschluss wird damit obsolet. Im Oval Office dominiert der Präsident seinen Gast und die Antworten. Jeder Staatsgast muss nun im Vorfeld über die Szene im Oval Office nachdenken. Aber darauf kann man sich inzwischen auch einstellen und sollte vorher darüber nachdenken, was die eigene Botschaft ist und wie man auf überraschende Verläufe reagiert. Eine Pressekonferenz ist viel klarer, ein definiertes Format mit Statements und Reaktionsmöglichkeiten. Nun ist es ein Gespräch, das plötzlich ganz woanders hinführen kann. Allerdings ist es kein echtes Gespräch. Es ist eines für die Kameras, für die eigenen Anhänger. Und der Präsident dirigiert die Fragen. Er passt sich an die Sehgewohnheiten der Menschen an und erreicht sie genau dort: direkt über Social Media.

Am Montagabend haben ihm die Europäer geradezu gehuldigt. Trump genießt das. In Deutschland wirkt das befremdlich. Wie weit können Politiker mit Schmeicheleien gehen, ohne dass es peinlich wird?

Als Gast muss man dem Gastgeber nicht huldigen, aber man bedankt sich für das gute Gespräch, für den freundlichen Empfang. Das ist zwischenmenschliche Höflichkeit. Wie weit man dabei geht und wann aus Höflichkeit Einschleimen wird, ist ein schmaler Grat. Wir haben uns alle inzwischen auch schon etwas daran gewöhnt, dass dieses Verhalten jetzt dazu gehört.

Ich hatte aber hier nicht das Gefühl, dass ihm alle nur schmeichelten. Sicher hätte man den Dank und die Anerkennung gegenüber dem Gastgeber in früheren Zeiten nicht ständig betonen müssen. Es stellt sich hier aber eine Abwägungsfrage: Wie erreiche ich mein Ziel? In diesem Fall das Ziel, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine beendet wird und der Ukraine kein Diktatfrieden aufgezwungen wird. Für informierte Zuhörer konnten die Europäer ihre Punkte machen. Es gehört zur politischen Klugheit, zu erreichen, dass der Gastgeber auch zuhört. Aber man muss natürlich wieder nach Hause fahren können, ohne sagen zu müssen: Ich bin mir nicht treu geblieben. Das ist hier aber aus meiner Sicht der Fall. Leider wissen wir allerdings: Donald Trump kann seine Meinung ganz schnell wieder ändern, egal wie freundlich und schmeichelnd es vorher war.

Wie grundlegend werden die sozialen Medien den klassischen Journalismus verändern?

Natürlich nimmt die Nutzung der sozialen Medien immer weiter zu. Für Politiker und Politikerinnen sind sie eine wichtige Art der Kommunikation mit den Bürgern. Das darf man nicht nur der AfD überlassen, die die Kommunikation über soziale Medien sehr gut beherrscht. Ihre Abgeordneten halten ihre Bundestagsreden beispielsweise so, dass gezielt einzelne Sätze ganz schnell bei TikTok und Instagram landen und damit Themen kampagnenfähig gesetzt werden.

Wie sollten dieklassischen“ Medien sich darauf einstellen?

Es führt kein Weg daran vorbei: Auch für traditionelle Nachrichten und klassischer Journalismus müssen die Verbreitungswege über die sozialen Medien für sich nutzen. Da gibt es ja schon viele gute Beispiele. Die Tagesschau ist bei Instagram sehr präsent und viele junge Leute kennen sie von dort, nicht weil sie um 20 Uhr abends vor dem Fernseher säßen. Ja, man kann die Qualität und Bandbreite von Zeitungen und Nachrichtenmagazinen nicht einfach so auf 10-Sekunden-Videos oder Reels übertragen. Es braucht die richtige Mischung. Es gibt immer noch viele Menschen, die für Qualitätsjournalismus Geld ausgeben. Ich glaube auch nicht, dass das ausstirbt, gerade nicht in der jetzigen Welt, in der unabhängige und kritische Einordnungen notwendiger denn je sind.