GastbeitragUniversitäten: Antisemitische Straftäter exmatrikulieren

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„Antisemit:innen raus aus den Unis“ steht beim stillen Protest einer Initiative für die Sicherheit jüdischer Studierender an der Freien Universität Berlin am 9. Februar 2024 auf einem Plakat. Ein jüdischer Student war mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus gekommen, nachdem ein propalästinensischer Kommilitone ihn in Berlin-Mitte geschlagen und getreten haben soll. Foto: Christoph Soeder/dpa

Protest einer Initiative für die Sicherheit jüdischer Studierender an der Freien Universität Berlin am 9. Februar 2024. Ein jüdischer Student war mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus gekommen, nachdem ein propalästinensischer Kommilitone ihn in Berlin-Mitte geschlagen und getreten haben soll.

Michael Bertrams, Präsident des NRW-Verfassungsgerichtshofs a.D., plädiert für ein hartes Vorgehen der Universitäten gegen antisemitische Studierende.

So zerstritten die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP in ihrem Regierungshandeln mitunter auch sind – einig sind sie in ihrer entschiedenen Absage an Antisemitismus in Deutschland. Schon in ihrer Koalitionsvereinbarung von 2021 haben sie unter der Überschrift „Jüdisches Leben“ festgehalten: „Wir bekämpfen alle Formen des Antisemitismus. Den Schutz von Jüdinnen und Juden und ihren Einrichtungen werden wir gemeinsam mit den Ländern gewährleisten. Wir setzen uns für eine entschlossenere Verfolgung und Dokumentation antisemitischer Vorfälle ein.“

An zahlreichen Maßnahmen zur Verwirklichung dieser guten Vorsätze hat es bis heute nicht gefehlt. So hat die Bundesregierung Ende 2022 eine „Nationale Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben“ mit dem Ziel beschlossen, „Jüdinnen und Juden in Deutschland zu stärken und ihre Lebensrealitäten sichtbarer zu machen“. Im vergangenen Jahr hat die Ampel überdies die jährlichen Leistungen zum Schutz jüdischer Einrichtungen auf 22 Millionen Euro erhöht.

Betätigungsverbot für Terror-Organisation Hamas in Deutschland

Unmittelbar nach Beginn des Terrorangriffs auf Israel durch die Hamas am 7. Oktober 2023 haben die deutschen Sicherheitsbehörden überdies den Schutz von jüdischen und israelischen Einrichtungen hierzulande verstärkt. In diesem Zusammenhang hat schließlich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Betätigung der Terrororganisation Hamas und des internationalen palästinensischen Netzwerks „Samidoun“ (Palestinian Prisoner Solidarity Network) in Deutschland verboten und aufgelöst, nachdem Mitglieder dieser Gruppierungen auf öffentlichen Demonstrationen den Terror der Hamas vom 7. Oktober 2023 gebilligt, antisemitische Parolen skandiert und unverhohlen zur Gewalt gegen Juden aufgerufen hatten.

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Michael Bertrams, Präsident des Verfassungsgerichtshofs für NRW

All dies hat jedoch nicht verhindern können, dass es laut Bundeskriminalamt nach dem Terrorangriff der Hamas zu 2249 antisemitischen Straftaten in Deutschland gekommen ist. Zahlreichen Medienberichten zufolge wirkt sich der Nahost-Konflikt seit dem Hamas-Terror gegen Israel auch auf das Miteinander an den deutschen Universitäten aus. Jüdische Studierende beklagen zunehmend antisemitische Bedrohungssituationen, insbesondere offen geäußerten israelbezogenen Antisemitismus, bei dem das Existenzrecht Israels geleugnet wird und Jüdinnen und Juden in Deutschland kollektiv für den Nahost-Konflikt und den derzeitigen Krieg in Gaza verantwortlich gemacht werden. Das hat zur Folge, dass jüdische Studierende ihr Leben immer weiter einschränken, dass sie auf das Tragen von Davidstern und Kippa verzichten, ihre Namen ändern und es vermeiden, in der Öffentlichkeit hebräisch zu sprechen.

Besonders brutale Attacke auf einen jüdischen Studenten in Berlin

Ein besonders brutaler antisemitischer Vorfall hat sich zuletzt Anfang Februar in Berlin ereignet. Ein jüdischer Student der Freien Universität (FU) wurde von einem propalästinensischen Kommilitonen derart geschlagen und getreten, dass er mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus musste. Die Berliner Staatsanwaltschaft geht von einem gezielten antisemitischen Angriff vor dem Hintergrund des Nahost-Konflikts aus.

Der nicht nur von jüdischer Seite erhobenen Forderung, den Täter zu exmatrikulieren, ihn also auf Dauer von einem weiteren Besuch der Universität auszuschließen, ist die FU unter Hinweis auf das Berliner Hochschulgesetz nicht nachgekommen. Danach ist zurzeit als schärfste Sanktion lediglich ein dreimonatiges Hausverbot vorgesehen. Die Möglichkeit einer Exmatrikulation war 2021 vom damaligen rot-rot-grünen Senat abgeschafft worden, soll aber nun wieder eingeführt werden.

In NRW ist die Exmatrikulation als Ordnungsmaßnahme erlaubt

In Nordrhein-Westfalen – wie auch an den meisten anderen Universitäten – ist eine Exmatrikulation als Ordnungsmaßnahme hingegen schon jetzt erlaubt. Gemäß Paragraf 51 a des NRW-Hochschulgesetzes kommt sie unter anderem dann in Betracht, wenn eine Studierende oder ein Studierender „bezweckt oder bewirkt, dass ein Mitglied der Hochschule aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion (…) in seiner Würde verletzt wird, damit zugleich ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird und nach Art dieser Würdeverletzung und dieses geschaffenen Umfelds eine Behinderung des Studiums oder der sonstigen Tätigkeit dieses Mitglieds droht“. Soweit ersichtlich, ist aus einem solchen Grund an den Hochschulen unseres Landes bislang keine Exmatrikulation erfolgt.

Nach einem Bericht der WDR-Sendung „Westpol“ vom 12. November 2023 tun sich manche Hochschulleitungen „schwer damit, klare Zeichen zu setzen, weil sie eine weitere Zuspitzung der Lage auf ihrem Campus befürchten“.

Klare Signale des Kölner Uni-Rektors Joybrato Mukherjee

Das ist, zumal vor dem Hintergrund unserer historischen Verantwortung für Jüdinnen und Juden, nicht akzeptabel. Es bedarf deshalb dringend der – von jüdischer Seite vermissten – Solidarität der Hochschulleitungen. Wie diese aussehen kann, hat zuletzt der Rektor der Universität zu Köln, Professor Joybrato Mukherjee, ein in Düren geborener Sohn indischer Einwanderer, demonstriert, indem er bei ersten Anzeichen antijüdischer Vorkommnisse die Initiative ergriffen und umgehend mit den ihm zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln gegen Antisemitismus vorgegangen ist.

So hat er gegen die Beschriftung der Glasfront des Uni-Hauptgebäudes mit den Worten „Kein Podium für Genozid! #FreeGaza“ Anzeige wegen Sachbeschädigung und Volksverhetzung gestellt und vor dem Universitäts-Besuch des israelischen Botschafters Ron Prosor gegen potenzielle Störerinnen und Störer vorsorglich punktuelle zweitägige Hausverbote ausgesprochen.

Zwar hat das Verwaltungsgericht Köln im Fall eines Studenten das Verbot aufgehoben. Meines Erachtens wäre jedoch auch in diesem Einzelfall eine Entscheidung zugunsten der Universität vertretbar gewesen. Uni-Rektor Mukherjee hat im Übrigen erklärt, Kritik an seinen Verboten in Rechnung gestellt und in Kauf genommen zu haben.

Um den derzeit primär von islamistischem Antisemitismus bedrohten jüdischen Studierenden ein angstfreies Leben und Studieren in Deutschland zu ermöglichen, müssen antisemitische Übergriffe harte Konsequenzen nach sich ziehen. Der Gesetzgeber hat in Paragraf 46 des Strafgesetzbuchs vorgesehen, dass antisemitisch motivierte Straftaten eine höhere Strafzumessung rechtfertigen. Haben die Täter eine doppelte Staatsangehörigkeit, sollte ihnen künftig neben einer Exmatrikulation und einer abschreckenden Bestrafung auch der deutsche Pass entzogen und eine Abschiebung angedroht werden, wie dies zuletzt auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gefordert hat.

Ein Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit setzt nach dem neuen Einbürgerungsgesetz 2024 ein Bekenntnis gegen Antisemitismus voraus. Stellt sich dieses Bekenntnis als vorgetäuscht heraus, kann die deutsche Staatsbürgerschaft wieder entzogen werden.

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