Abo

Harsche KritikUnion lehnt Bürgergeld weiter ab – Ampel-Politiker wütend

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Symbolbild

Berlin – Trotz Änderungen am ursprünglichen Regierungsentwurf für das geplante Bürgergeld steht die Einführung zum 1. Januar noch immer auf der Kippe. Mehrere Politiker der Union haben am Wochenende ihre ablehnende Haltung bekräftigt. CDU-Chef Friedrich Merz schrieb am Sonntag auf Twitter: „Aus dem zunächst für sich selbst verantwortlichen Bürger wird mit dem Bürgergeld mehr und mehr ein Versorgungsempfänger.“ Nicht Eigenverantwortung stehe bei der Reform im Vordergrund, „sondern ein paternalistischer Staat, der erst nimmt und dann einen Teil davon wieder gibt“, schrieb Merz weiter.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wies die Kritik prompt zurück und warf Merz Egoismus vor. „Was versteht Friedrich Merz von Eigenverantwortung? Dessen Motto ist doch, wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht“, sagte Heil am Sonntag beim SPD-Debattenkonvent in Berlin. „Egoismus ist nicht unser Weg, das mag seiner sein.“

Ablösung von Hartz IV: Weniger Druck für Betroffene

Geringverdiener dürften nicht gegen Bedürftige ausgespielt werden, warnte der Arbeitsminister. „Es geht darum, dass wir mit dem Bürgergeld dafür sorgen, dass Menschen, die in existenzielle Not geraten, verlässlich abgesichert werden“, bekräftigte Heil. Das von ihm verteidigte Bürgergeld soll nach den Plänen der Bundesregierung zum 1. Januar die bisherige Grundsicherung Hartz IV ablösen. Ziel ist es, Betroffene in die Lage zu versetzen, sich stärker auf Weiterbildung und Arbeitssuche konzentrieren zu können. Sie sollen dafür vom Jobcenter weniger unter Druck gesetzt werden. Die Regelsätze der Grundsicherung sollen zudem um rund 50 Euro pro Monat steigen.

Alles zum Thema Deutscher Bundestag

Am Freitag waren Änderungen der Fraktionen von SPD, Grünen und FDP am ursprünglichen Entwurf bekannt geworden. Die Ampelfraktionen hofften, damit die Kritiker auf Seiten von CDU und CSU besänftigen zu können. Doch auch aus den Reihen der CDU-Ministerpräsidenten gab es am Wochenende eher gegenteilige Signale.

Kretschmer: Sachsen kann nicht zustimmen

CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer kündigte an, die Reform blockieren zu wollen. „Das Bürgergeld in der jetzigen Form ist ein Fehler, und deswegen können wir dem als Freistaat Sachsen auch nicht zustimmen“, sagte Kretschmer am Samstag bei einem Landesparteitag.

Kretschmer und seine Amtskollegen von CDU und CSU könnten im Bundesrat ihr Veto gegen das Bürgergeld-Gesetz einlegen. Die nächste Bundesratssitzung, bei der das Thema aller Voraussicht nach auf der Tagesordnung steht, ist für den 25. November angesetzt. Sollte es dort zu einer Blockade kommen, müsste der Vermittlungsausschuss über die Zukunft des Vorhabens entscheiden.

Bürgergeld: Einführung am 1. Januar gefährdet

Der Vermittlungsausschuss ist ein Gremium von Bundestag und Bundesrat, das einen Konsens finden soll, wenn vom Bundestag beschlossene Gesetze in der Länderkammer keine Mehrheit finden. Eine Blockade des Bürgergelds könnte sich auch auf den ohnehin engen Zeitplan auswirken - und die Einführung zum 1. Januar gefährden.

Die Nachbesserungen, mit denen die Fraktionen nach wie vor hoffen, die Union umstimmen zu können, betreffen vor allem die zweijährige Karenzzeit - eine Art Schonzeit für Leistungsempfänger mit milderen Regelungen. Vorgesehen ist nun etwa, dass die Heizkosten während dieser Zeit nur noch in angemessener Höhe übernommen werden sollen. Der ursprüngliche Regierungsentwurf sah an dieser Stelle kein Limit für die Kostenübernahme vor. Geändert hat sich auch, dass Leistungsempfänger während dieser Zeit nur dann in eine teurere Wohnung umziehen dürfen, wenn das Jobcenter dies zuvor genehmigt.

CDU: Anpassungen nur „Kosmetik“

Neu ist auch, dass Leistungsempfänger künftig neben der Erklärung, kein erhebliches Vermögen zu haben, auch noch zusätzlich eine Selbstauskunft beifügen müssen. Auch so soll einem Leistungsmissbrauch vorgebeugt werden, vor dem Politiker der Union im Zusammenhang mit der Reform immer wieder warnen. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann bezeichnete die Anpassungen als „Kosmetik“. Im Kern sei das Bürgergeld nach wie vor eine „Abkehr vom Prinzip Fördern und Fordern“, sagte Connemann der dpa. Politiker der Ampelfraktionen ermahnten die Union wiederum, keine „Fake News“ zu verbreiten. Die Union lasse jeden „Respekt kläglich vermissen“, sagte etwa die Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

„Sie fährt nicht nur schäbige Angriffe mit falschen Zahlen auf Leistungsberechtigte und Geringverdiener. Sie droht auch, das Bürgergeld samt Schonvermögen und höheren Regelsätzen im Bundesrat aufzuhalten.“ Dabei wäre es Ausdruck von Verantwortung, dem Bürgergeld in der Länderkammer zuzustimmen, appellierte die Grünen-Chefin. (dpa)

KStA abonnieren