Die Frau an der Spitze des Parlaments sorgt immer wieder für Debatten. Neuerdings geht es um ihr Verhältnis zum rechtspopulistische Portal „Nius“.
Auch Zweifel in der UnionIst Julia Klöckner als Bundestagspräsidentin geeignet?

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) auf ihrem Platz im Parlament.
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Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion belässt es nicht bei bloßer Kritik an Julia Klöckner. Sie zweifelt gleich grundsätzlich die Eignung der CDU-Politikerin als Bundestagspräsidentin an. „Die Union muss sich ernsthaft fragen, ob Klöckner tatsächlich die richtige Wahl für das zweithöchste Staatsamt war“, sagt Irene Mihalic dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Es liegt nun an der Union und auch Klöckner selbst, jeden Zweifel bezüglich der Überparteilichkeit, ihrer Amtsführung und an ihrer Eignung auszuräumen“, findet die Grünen-Politikerin.
Anlass für Mihalic‘ Äußerungen ist ein Bericht von „Table Briefings“. Nachdem Klöckner ein Grußwort beim Sommerfest der CDU Koblenz in den Räumen der CompuGroup Medical des Unternehmers Frank Gotthardt gehalten und bei der Gelegenheit dessen Portal „Nius“ mit der linken „tageszeitung“ verglichen hatte, lieferte „Table Briefings“ Details zu dem Kontakt von Klöckner und Gotthard. So habe Klöckner bereits im Frühsommer 2023 in ihrer damaligen Funktion als Bundesschatzmeisterin die Gründung eines gemeinsamen Unternehmens der CDU mit Gotthardt befürwortet. Damals war eine „CDU App GmbH“ geplant, die die Digitalstrategie der Partei hätte verantworten sollen.
Zwar ging „Nius“, das von dem umstrittenen einstigen „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt geführt wird und mit rechtspopulistischen Kampagnen auffällt, erst im Juli 2023 online an den Start. Aber nun kommt Klöckner als Bundestagspräsidentin durch das CDU-Fest in Gotthardts Hallen ins Gerede.
Ärger gab es schon vor ihrer Wahl in das zweithöchste Staatsamt. Im Januar 2025 postete Klöckner auf Instagram: „Für das, was Ihr wollt, müsst Ihr nicht AfD wählen. Dafür gibt es eine demokratische Alternative: die CDU.“ Dies erweckte bei vielen den Eindruck, als gebe es zwischen beiden Parteien gar keinen Unterschied.
Umstrittene Äußerungen
Der Unmut hielt nach Klöckners Amtsübernahme an. So ließ sie wissen, es sei ein Irrtum, wenn Kirchen sich wie eine Nichtregierungsorganisation verhielten und in die Tagespolitik einmischten. Das sahen auch manche Christdemokraten anders. Später untersagte Klöckner der Bundestagsverwaltung, zum Christopher Street Day die Regenbogenfahne zu hissen, obwohl queere Menschen immer häufiger angegriffen werden.
Für Kontroversen sorgte schließlich Klöckners bisweilen rigide Art, Sitzungen zu leiten – oder bestimmte Kleidungsstücke von Parlamentariern wie Basken-Mützen, T-Shirts mit „Palästina“-Aufdruck, Palästinensertücher oder Anstecknadeln zu untersagen. Dabei fühlten sich in erster Linie Vertreter des linken Spektrums provoziert. Anderen ist Klöckners Agieren zu kleinlich.
Probleme bei Kanzler-Wahl
Missmut bis in die Union löste aus, dass Klöckner zunächst wie alle anderen ratlos wirkte, als ihr Parteifreund Friedrich Merz im ersten Durchgang nicht zum Kanzler gewählt wurde – und zu klären war, welche Möglichkeiten die Geschäftsordnung in diesem Fall bietet. Genau das zu wissen, so schien es, wäre eigentlich Klöckners Job gewesen.
Der CDU-Chef Merz hatte im vorigen Jahr wissen lassen, dass er Personal nach Kompetenz auswählen werde und nicht danach, ob genauso viele Frauen wie Männer im Kabinett seien. So sei Christine Lambrecht (SPD) als Verteidigungsministerin eine „krasse Fehlbesetzung“ gewesen. Derlei solle man nicht wiederholen. „Wir tun damit auch den Frauen keinen Gefallen“, betonte Merz - wohl nach dem Motto, Frauen vor Misserfolg zu bewahren, wenn sie doch solchen Ämtern nicht gewachsen seien. Vor diesem Hintergrund macht inzwischen aber auch in der Union die Frage die Runde, ob sich der Kanzler einen Gefallen damit tat, Klöckner aufzustellen.
Dass die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin, ehemalige CDU-Vizechefin, einstige deutsche Weinkönigin und zweimal erfolglose Spitzenkandidatin bei Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz nach der gewonnenen Bundestagswahl eine Rolle in der ersten Reihe spielen würde, war absehbar. Erstens war sie eine der fleißigsten Wahlkämpferinnen, und zweitens hat die CDU immer noch einen Mangel an Frauen an der Spitze.
Weil sie aber als Agrarministerin unter anderem den Ärger mit den Bauern nicht in den Griff bekam, sollte es nicht wieder ein Ministerium sein. Mit Klöckner als Parlamentspräsidentin konnte sich Merz in der Diskussion um die Kabinettsbesetzung zugleich Luft verschaffen.
Gleichwohl sind nun tiefe Seufzer in der Partei zu hören, wenn die Sprache auf Klöckner kommt. Ist sie nicht hoffnungsvoll gestartet mit ihrer Antrittsrede über die Wahrung der Demokratie? Doch, sagt ein einflussreicher Bundestagsabgeordneter: „Das lag aber daran, dass Gregor Gysi als Alterspräsident unmittelbar davor die schlechteste Rede seines Lebens gehalten hatte.“
Dass sie als Bundestagspräsidentin intellektuell nicht an die früheren Amtsinhaber der CDU, Norbert Lammert und Wolfgang Schäuble, heranreiche, sei ebenso bekannt gewesen wie ihr „exaltiertes“ Auftreten, heißt es. Insofern sei ihr wenig präsidiales Wirken gar keine Überraschung - und trotzdem eine Enttäuschung. Ein Kritiker ätzt, frei nach Merz: „Tun wir der Frau mit dem hohen Amt auch einen Gefallen?“