Kommentar zum SoliWeg damit! Der Teil-Erhalt der Abgabe ist verfassungswidrig

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Ist der Aufbau Ost nun abgeschlossen – oder nicht?

  • Michael Bertrams war Präsident des Verfassungsgerichtshofs NRW.
  • Wie Christian Lindner ist er der Meinung, dass Ende 2019 mit dem Soli Schluss sein muss.
  • Es gibt keinen legitimierenden Grund mehr für die Finanzierung. Der Soli hat deshalb – wie Giovanni Trapattoni es gesagt haben würde – „fertig“.

Während Greta Thunberg gegen den Klimawandel und für die Zukunft unserer Erde kämpft, sorgt die Bundesregierung für die Zukunft des Solidaritätszuschlags (Soli). Auf Greta wartet – glaubt man englischen Buchmachern – mit fünfzigprozentiger Wahrscheinlichkeit noch in diesem Jahr der Friedensnobelpreis. Folgt man dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, dann wartet 2020 auf die Bundesregierung mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit das Bundesverfassungsgericht.

Lindner hält nämlich die Soli-Überlegungen der Regierung für verfassungswidrig und will deshalb das Verfassungsgericht anrufen. Zu Recht, wie ich finde. Auch ich bin der Auffassung, dass Ende 2019 mit dem Soli Schluss sein muss. Seine weitere Erhebung wäre mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Daran ändert die Tatsache nichts, dass sich die Regierung aus mehreren Vorschlägen nun das Soli-Modell von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) herausgesucht hat, wonach künftig nur noch Spitzenverdiener den Soli zahlen müssen.

Michael Bertrams war Präsident des Verfassungsgerichtshofs NRW. Er schreibt über aktuelle Streitfälle sowie rechtspolitische und gesellschaftliche Entwicklungen

Michael Bertrams war Präsident des Verfassungsgerichtshofs NRW. Er schreibt über aktuelle Streitfälle sowie rechtspolitische und gesellschaftliche Entwicklungen

Solidaritätszuschläge hat es aus unterschiedlichen Gründen wiederholt gegeben. So diente ein 1991 erhobener Soli der Kostenbeteiligung Deutschlands am Golf-Krieg und der Unterstützung ost- und südeuropäischer Länder. Dieser Soli war von Beginn an auf ein Jahr befristet und endete folgerichtig 1992. Der Soli, von dem hier die Rede ist, beruht auf dem „Solidaritätszuschlaggesetz 1995“ (Soli-Gesetz 1995).

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Seit dem Jahr 1998 beträgt er 5,5 Prozent der Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer und dient als „ein solidarisches finanzielles Opfer aller Bevölkerungsgruppen“ zur „Finanzierung der Einheit Deutschlands“. Dem Bund bescherte der Soli im vergangenen Jahr mehr als 18 Milliarden Euro. Eine Befristung sieht das Soli-Gesetz von 1995 nicht vor.

Aufbau Ost ist abgeschlossen

Es erledigt sich jedoch auch ohne Befristung mit Ablauf des 31. Dezember 2019. Zu diesem Zeitpunkt entfällt der dem Gesetz zugrundeliegende Erhebungszweck, „die Finanzierung der Einheit Deutschlands“, der sogenannte „Aufbau Ost“. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem „Solidarpakt II“ und dem ab 2020 maßgeblichen neuen Bund-Länder-Finanzausgleich.

Der Solidarpakt II hat 2005 den Solidarpakt I ersetzt, durch den der Aufbau Ost von 1995 bis 2004 mit 95 Milliarden Euro unterstützt worden war. Über den Solidarpakt II erhalten die ost- deutschen Länder und Berlin seit 2005 – aufgeteilt in zwei „Körbe“ – zusätzliche Mittel in Höhe von insgesamt 156 Milliarden Euro.

Im Korb I hat der Bund den neuen Ländern und Berlin 105 Milliarden Euro bereitgestellt, um insbesondere die Lücken in der Infrastruktur zu beheben. Im Korb II hat sich der Bund verpflichtet, von 2005 bis 2019 weitere 51 Milliarden Euro unter anderem für Wirtschaftsförderung, Verkehrsinvestitionen sowie für Wohnungs- und Städtebau zu zahlen. Alle diese Fördermaßnahmen enden am 31. Dezember 2019.

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Der Aufbau Ost ist damit abgeschlossen. Die neuen Länder werden ab diesem Zeitpunkt in den – im Juni 2017 von Bundestag und Bundesrat beschlossenen – neuen Bund-Länder-Finanzausgleich einbezogen, von dem ab 2020 alle leistungsschwachen Länder profitieren. Mit Beginn des Jahres 2020 fehlt es mithin an der besonderen Zweckbestimmung, die dem Soli-Gesetz 1995 zugrunde liegt und die den derzeit erhobenen Zuschlag legitimiert. Eine weitere Soli-Erhebung auf der Grundlage dieses Gesetzes oder eines – im Sinne des Regierungsvorschlags – modifizierten Soli-Gesetzes ist meines Erachtens verfassungsrechtlich ausgeschlossen.

Der Soli ist eine „Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer“ im Sinne von Artikel 106 des Grundgesetzes. Diese Abgabe steht dem Bund zu. Unter welchen Voraussetzungen der Bund sie erheben darf, sagt die Verfassung nicht. Den Gesetzesmaterialien ist jedoch zu entnehmen, dass sie dazu bestimmt sein muss, „anderweitig nicht auszugleichende Bedarfsspitzen im Bundeshaushalt zu decken“. Der Bund ist deshalb nicht befugt, eine solche Abgabe ohne weiteres als zusätzliche Steuer auf das Einkommen zu erheben.

Sie muss vielmehr durch besondere Gründe, das heißt durch einen besonderen Finanzbedarf, legitimiert sein. Andernfalls wäre der Möglichkeit „Tür und Tor geöffnet“, dass sich der Bund nach Belieben unter Hinweis auf einen nicht näher spezifizierten Finanzbedarf zusätzliche Steuereinnahmen verschafft und damit den bundesstaatlichen Finanzausgleich unterläuft. So sieht das etwa der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier.

Ein besonderer Grund für den Solidaritätszuschlag war der objektive Bedarf des Bundes zur Finanzierung des Aufbaus Ost nach der deutschen Wiedervereinigung. Dieser Grund ist, wie dargelegt, entfallen. An seine Stelle ist aber kein anderweitiger legitimierender Grund getreten. Der Soli hat deshalb – wie Giovanni Trapattoni es gesagt haben würde – „fertig“.

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