Kommentar zur US-WahlDas Land wird gespalten bleiben – egal wer gewinnt

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Biden Trump

 Joe Biden (l), Herausforderer von US-Präsident Donald Trump (r.)

  • Die US-Wahl am 3. November hat nicht nur Auswirkungen auf die Vereinigten Staaten, sondern auf die ganze Welt.
  • Nach vier Jahren unter Donald Trump ist Amerika tief gespalten.
  • Das wird so bleiben – egal wer gewinnt. Und dennoch ist Amerika immer noch „great“.
  • Ein Kommentar von Chefredakteur Carsten Fiedler.

Der Begriff Schicksals-Wahl ist meistens eine Übertreibung, hier jedoch trifft er zu. Dieses Duell entscheidet über so viel mehr als nur die Frage, wer als nächster Präsident ins Weiße Haus einzieht. Diese Wahl hat nicht nur Auswirkungen auf die USA, sondern auf die ganze Welt. Es geht dabei nicht nur um globale Machtfragen, Militärbündnisse oder den Welthandel. Sondern auch darum, wie wir zusammenleben wollen. Und was Demokratie und gesellschaftliche Teilhabe bedeuten.

Hass und Zwietracht, politische Unversöhnlichkeit bis an den Rand bürgerkriegsähnlicher Szenarien – Amerika ist nach vier Jahren unter Donald Trump tief gespalten. Das politische System der führenden westlichen Nation ist schwer beschädigt.

Spalten statt Versöhnen

Trump hat Geschichte geschrieben, im negativen Sinne. Noch nie wurde ein Präsident so oft der Lüge überführt. „America first!“, dröhnte er bei seiner Amtseinführung vor vier Jahren. Gemeint hat er: Trump first. Politik ist für ihn ein Käfig-Fight, in dem alles erlaubt ist.

Sein „Trumpismus“ setzt auf das Prinzip Unwahrheit, Rache – und auf Spalten statt Versöhnen. Er hofiert Diktatoren, ignoriert internationale Umweltabkommen, verteidigt Rechtsradikale, instrumentalisiert Rassenunruhen für seine Zwecke und motiviert bewaffnete Wutbürger, im Falle seiner Abwahl „bereitzustehen“. Und er versagt in der Corona-Krise auf ganzer Linie.

Sicher gab es in den ersten drei Jahren seiner Amtszeit auch Erfolge – die Löhne stiegen, im Nahen Osten brachte er verfeindete Staaten einander näher. Aber insgesamt haben die USA nach vier Jahren Trump 7 Billionen Dollar mehr Staatsschulden, eine höhere Arbeitslosenquote und ein höheres Außenhandelsdefizit.

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Sein demokratischer Herausforderer Joe Biden will, wenn er gewählt wird, die USA wieder einen. Doch auch wenn Trump gehen muss, werden sein politisches Erbe und die tiefen Gräben in der amerikanischen Gesellschaft bleiben.

Dieses Erbe hat bei vielen Europäern Fragen darüber aufgeworfen, ob wir und die Amerikaner noch gleich ticken. Ob unsere Wertesysteme überhaupt noch Übereinstimmungen aufweisen.

Amerika ist „great“ – immer noch

An dieser Stelle wäre etwas mehr Demut angesagt. Nicht nur, weil es auch amerikanische Soldaten waren, die ihr Leben vor mehr als 75 Jahren dafür ließen, um uns von dem Gräuel-Regime der Nazis zu befreien. Nicht nur, weil wir in Europa selbst mit wachsendem Rechtsradikalismus oder Präsidenten wie Ungarns Viktor Orbán, einem Bruder im Geiste Trumps, zu tun haben.

Die gesellschaftliche Auseinandersetzung, die Amerika entzweit, können wir längst vor unseren Haustüren erkennen. Es ist eine Erosion, die sich im sinkenden Vertrauen in die demokratischen Institutionen und in einer Verrohung des gesellschaftlichen Miteinanders beobachten lässt. Wir als Europäer tun gut daran, uns gegen diese die Demokratie gefährdenden Entwicklungen zu stemmen. Und daran zu denken, dass eines gilt: Donald Trump ist nicht Amerika. Aber Amerika ist „great“. Immer noch. Trotz Trump.

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