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NRW erfasst jetzt auch Feindlichkeit gegen AsiatenStreit um „Meldestellendickicht“ für Rassismus

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Das Bild zeigt Klein-Tokio Straßenschilder auf Deutsch - und Japanisch im japanischen Viertel in Düsseldorf. Foto: Andreas Drouve / dpa-tm

Japan? Nein, Düsseldorf! Little Tokyo hat auch japanische Straßenschilder.

Die schwarz-grüne Landesregierung in NRW hat vier neue Meldestellen zur Erfassung von rassistischen Vorfällen eingerichtet. Die FDP hält deren Arbeit für wenig effizient - und warnt vor einer Ausbreitung des Denunziantentums.

Es ist ganz einfach. Wer in NRW einen rassistischen Vorfall melden will, ist nach wenigen Schritten am Ziel. Es reicht, den Sachverhalt in einem Online-Formular zu schildern und mit einem Mausklick an die zuständige Meldestelle zu schicken. „Ausgrenzungserfahrungen machen etwas mit den Betroffenen und sie stören unser Zusammenleben in einer offenen Gesellschaft“, sagt NRW-Familienministerin Josefine Paul. Deshalb sei es der Landesregierung ein Anliegen, „das Dunkelfeld im Bereich Diskriminierung aufzuhellen und damit Betroffenen die Möglichkeit zu geben, ihre Erfahrungen zu dokumentieren“, so die Grüne.

In NRW wurden in diesem Jahr vier neue Meldestellen ans Netz genommen, die sich mit den unterschiedlichen Ausprägungen von Rassismus befassen. Die „DINA NRW“ erfasst Antiziganismus, „MEDAR NRW“ antimuslimischen Rassismus, „MIQ NRW“ queerfeindliche Vorfälle und „MIRA NRW“ anti-schwarzen und antiasiatischen Rassismus. „Eine offene Gesellschaft muss sich mit den Herausforderungen von Hass und Hetze auseinandersetzen“, fordert Paul. Anfragen bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes würden seit Jahren zeigen, dass diskriminierendes und ausgrenzendes Verhalten kontinuierlich zunehme.

Bereits 2022 hatte in NRW die „Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Nordrhein-Westfalen“ (RIAS NRW) ihre Arbeit aufgenommen. Im dritten Erhebungsjahr wurde im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 42 Prozent bei antisemitischen Vorfällen erfasst. Nun sollen auch die Erfahrungen anderer Gruppen, die von Rassismus betroffen sind, in den Blick genommen werden. „Wir stehen als Land in der Verantwortung, allen Menschen ein sicheres und diskriminierungsfreies Leben zu gewährleisten“, betont Familienministerin Paul.

Meldestellen für Diskriminierung: Angaben sind anonym

Wie präzise das Dunkelfeld ausgeleuchtet werden kann, ist allerdings umstritten. Denn die Angaben, die die Meldestellen erfassen, sind anonym. Eine Verifizierung kann daher nicht erfolgen. „In den Formularen der vier Meldestellen werden keine Personendaten von Verursachern abgefragt oder gesammelt“, sagt eine Ministeriumssprecherin. Jeder Personenbezug sei zu unterlassen. „Werden ungewollten Daten dennoch im Freitextfeld eingetragen, werden diese unverzüglich anonymisiert und vor der Auswertung gelöscht“, heißt es.

Anders als vielfach vermutet, prüfen die Meldestellen auch keine Vorfälle auf Strafbarkeit, und sie haben keinen Verfolgungs- oder Sanktionierungsauftrag. „Wer einen Vorfall zur Anzeige bringen möchte, muss dafür zur Polizei gehen“, betont die Paul-Sprecherin. Die Erfassung habe vielmehr den Zweck, empirische Grundlagen zu gewinnen, in welchen Formen und wie häufig Rassismus in NRW anzutreffen ist.

Die Meldestelle RIAS hat für 2024 insgesamt 664 antisemitische Vorfälle erfasst, darunter ein Fall von extremer Gewalt, 18 Angriffe, 22 Bedrohungen, 61 gezielte Sachbeschädigungen, 56 Massenzuschriften, 228 Versammlungen, fünf Diskriminierungen sowie 549 Fälle von verletzendem Verhalten. „Zu den gemeldeten Fällen der neuen Meldestellen ist der erste Jahresbericht im kommenden Jahr abzuwarten“, heißt es im Paul-Ministerium.

Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus wird im Jahr 2025 mit rund 320 000 Euro gefördert. „Die jährliche Förderhöhe für die vier neuen Meldestellen beträgt jeweils 180 000 Euro“, erläuterte die Paul-Sprecherin. Personalplanung liege, wie bei jeder Projektförderung, in der Verantwortung des Trägers.

FDP: Kosten sind zu hoch

Der FDP im Düsseldorfer Landtag sind die Kosten für die neuen Meldestellen zu hoch. Sie verlangt im Rahmen der Haushaltsberatungen, die in dieser Woche stattfinden, Kürzungen bei den Ausgaben und hat entsprechende Änderungsanträge gestellt. Ralf Witzel, Vize-Fraktionschef der Liberalen im Landtag, warnt vor einem „Meldestellen-Dickicht“ in NRW und immer mehr gesetzlichen Vorschriften wie beim neuen Antidiskriminierungsgesetz.

Im Gespräch mit unserer Zeitung stellt der Politiker aus Essen klar: „Diskriminierung und gruppenbezogene Gewalt widersprechen zu Recht unserer Werteordnung des Grundgesetzes und sind selbstverständlich verboten.“ Wenn diese vorkommen sollten, sei „ein handlungsfähiger Rechtsstaat notwendig, der gestärkt werden sollte, um schnell und wirksam gegen tatsächliche Vorfälle vorzugehen“, sagt Witzel. Es sei „ineffizient und teuer“, künftig immer mehr Meinungsäußerungen zu dokumentieren, die unterhalb der Schwelle des rechtlich Unzulässigen liegen. Zudem bringe der Ausbau des Meldestellenwesens auch die Gefahr eines „sachlich nicht begründeten Denunziantentums mit sich“. Eine solche Entwicklung dürfe „nicht zur Einschränkung zulässiger Meinungsäußerungen führen“, so Witzel.

Vor allem die separate Erfassung von antiasiatischem Rassismus stößt bei vielen Akteuren im politischen Düsseldorf auf Unverständnis. Tatsächlich hatte es während der Corona-Pandemie nach Angaben des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung verstärkt Anfeindungen gegen Asiaten gegeben. Im Jahr 2020 hatte jede zweite befragte Person mit asiatischem Migrationshintergrund angegeben, Opfer von Diskriminierung geworden zu sein. Laut Familienministerium würden „asiatisch gelesene Menschen“ auch heute oft als „anders“ oder „gefährlich“ stigmatisiert.

Auch in Teilen der CDU gibt es Zweifel an der Notwendigkeit der neuen Meldestellen. Dabei handele es sich um ein Zugeständnis an die Grünen, sagt ein Innenpolitiker. Das gelte ähnlich auch für den Gesetzentwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz. „Da reichen die bundesgesetzlichen Regelungen eigentlich völlig aus.“ Die NRW-Initiative habe vor allem den Zweck, der politisch angeschlagenen Josefine Paul den dringend benötigten Applaus in den eigenen Reihen zu sichern. In der Einführung der neuen Meldestellen setze sich die Tradition der Grünen fort, als Regierungspartei „mit Fördermittelpolitik“ das eigene politische Klientel zu versorgen.