Finanzierung mit dem Bund für 2024 ungeklärtSteht das Deutschlandticket auf der Kippe?

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Die Werbung für das Deutschlandticket ist am Hauptbahnhof vor einer Bahn des ÖPNV zu sehen.

Werbung für das Deutschlandticket vor einer S-Bahn

Der Bund hat bisher keine Zusage gegeben, beim Deutschlandticket auch im kommenden Jahr Geld nachzuschießen, sollte die Grundförderung von drei Milliarden Euro nicht ausreichen.

Der Fortbestand des Deutschlandtickets für das Jahr 2024 ist ernsthaft gefährdet. In einem Brief an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat sein NRW-Amtskollege Oliver Krischer (Grüne) den Bund aufgefordert, seiner Nachschusspflicht nachzukommen, sollten drei Milliarden Euro als Finanzierungsbasis nicht reichen, um die Verluste der Verkehrsunternehmen auszugleichen.

Dieser Grundstock ist bis 2025 fest vereinbart und wird je zur Hälfte vom Bund und den Ländern getragen. Die Länder haben bereits zugestimmt, auch 2024 bei Bedarf nachzuschießen. Auf die Zusage des Bundes warten sie bisher vergeblich. Wie geht es weiter? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Gibt es verlässliche Berechnungen, wie hoch die Zuschüsse für das Deutschlandticket 2023 sein werden?

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) kennt bisher nur die Verkaufszahlen. Die liegen bundesweit bei rund elf Millionen. Acht Prozent davon sind Neukunden. „Die Einnahmen aus dem Verkauf für die ersten drei Monate werden erst Mitte September vorliegen“, sagt ein Sprecher. „Es ist viel Aufwand, die harten Zahlen von mehr als 2000 Verkehrsbetrieben zusammenzutragen. Erst dann können wir den Gesamtausfall des Jahres hochkalkulieren. Das ist schon nicht ohne, weil die ersten drei Monate ja nicht den Normalfall darstellen werden.“

Gibt es wenigstens eine Prognose?

Nein. Weil es keine Vergleichswerte gibt. Der Zuschussbedarf von drei Milliarden Euro ist kalkuliert worden auf Basis der Fahrgastzahlen von 2019, des letzten normalen Jahres vor der Pandemie. Dazu hat man den Rückgang während der Corona-Zeit und die Effekte des 9-Euro-Tickets gewichtet und einfließen lassen. Sollten die drei Milliarden Euro für 2023 ausreichen, dürfte das vor allem daran liegen, dass das Deutschlandticket erst Anfang Mai an den Start gegangen ist. Die gestiegenen Energiekosten als Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine sowie höhere Material- und Personalkosten waren in dieser Größenordnung nicht zu erwarten.

Für die KVB wird es immer schwieriger, die Betriebskosten über die Tickets zu erlösen

Wenn das alles so schwierig ist, warum wartet der NRW-Verkehrsminister nicht erst die Zahlen der ersten drei Monate mit Deutschlandticket ab?

Weil Verkehrsbetriebe wie die KVB ab Ende September ihre Wirtschaftspläne für 2024 vorlegen müssen. Wenn sich da eine Millionenlücke auftut, gehen die Diskussionen los. Laut VDV gehen mit jedem Abonnenten, der von einer Monatskarte auf das Deutschlandticket umstellt, monatlich bis zu 30 Euro an Fahrgeldeinnahmen verloren. Neue Kunden gewinne man vor allem unter den Gelegenheitsfahrern, die zuvor mit teuren Einzeltickets unterwegs waren. All das hat zur Folge, dass es für Verkehrsunternehmen wie die KVB immer schwieriger wird, die Kosten für den Betrieb von Bahnen und Bussen über die Tickets zu erlösen.

Der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) hat schon angekündigt, dass die Fahrpreise 2024 im schlimmsten Fall bis zu 20 Prozent steigen könnten.

Ja. Aber das trifft vor allem Gelegenheitsfahrer, die ohne Deutschlandticket unterwegs sind. Das ist nur noch jeder Vierte. Der VRS-Tarifbeirat hat diese Zahl wegen der stark gestiegenen Kosten für Personal, Energie und Material genannt. Er rechnet mit einem Fehlbetrag, der aus den sogenannten Resttickets resultiert, von 100 bis 120 Millionen Euro. Das wären allein 15 Millionen bei der KVB.

Die Bundesregierung feiert das Deutschlandticket als Riesenerfolg. Wie realistisch ist es, dass sie bei der Nachschusspflicht auf Konfrontationskurs bleibt?

Das Bundesverkehrsministerium sagt in einer Reaktion auf einen Bericht in der „Süddeutschen Zeitung“, die Diskussion werde „die angespannte Haushaltslage“ und die „damit notwendige Priorisierung des Mitteleinsatzes erschwert“. Man stehe mit den Ländern und der Branche in engem Austausch.

Der VRS geht davon aus, dass die drei Milliarden Euro von Bund und Land für 2023 ausreichen. Für das komplette Jahr 2024 sei man aber sicher, „dass der Finanzbedarf deutlich höher als die drei Milliarden ist. Daher wäre es von elementarer Bedeutung, wenn Bund und Land die offene Finanzierungsfrage für das kommende Jahr dringend klären“, so ein Sprecher.

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