Razzia in DürenIslamisten-Gruppe hatte Verbindungen zu Extremisten in ganz Europa

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Die Polizei ist mit einem Großaufgebot gegen Männer vorgegangen, die unter Terrorverdacht stehen.

Düren – Das Schaubild beim Staatsschutz der Kölner Polizei glich einem Stern. Mehr als ein Jahr lang hatten die Ermittler alle brisanten Kontakte einer Islamisten-Gruppe aus Düren zur gewaltbereiten Extremistenszene in Deutschland und halb Westeuropa zusammengetragen. Die Verbindungslinien erinnerten an einen Himmelskörper.

Nach Informationen des Kölner Stadt-Anzeiger hatte sich in Düren eine militante Szene radikal-islamischer Salafisten rund um den 22 Jahre alten Konvertiten Eduard K. gebildet. Die siebenköpfige Kerntruppe trainierte für den Kampf gegen die Ungläubigen (Kuffar). Observationsteams beobachteten die Sympathisanten der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (IS) bei zwei Übungen in einem Waldstück bei Düren.

Gezielt warfen die jungen Männer Ende November 2020 Äxte in Bäume oder maßen sich im Messerkampf. Die Trainingsanleitungen sollen aus IS-Anschlagsvideos stammen. Kilometerlange Märsche und das Übernachten in der kalten Wildnis standen ebenfalls auf dem Programm.

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Box- und Schießtraining mit Schreckschusspistole

Beinahe täglich trafen sich die Verdächtigen im Alter zwischen 16 und 22 Jahren in einer Garage in Düren. Neben Box- und Schießtraining mit einer Schreckschusspistole legten die mutmaßlichen Salafisten ihren Teppich aus, um zu beten. Anschließend schwärmte die Riege über den „Heiligen Krieg gegen die Kuffar“. Ahnungslos, dass heimlich installierte Kameras und Mikrofone alles aufnahmen, spielte man Hardcore-Nasheeds (islamische Gesänge) über den Dschihad ab.

Am Donnerstagmorgen schlug die Ermittlungsgruppe „Stern“ im Auftrag der landesweiten Schwerpunktabteilung gegen Terrorismus der Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft zu. 330 Polizeibeamte durchsuchten Objekte in Düren, gleichzeitig durchleuchteten niedersächsische Kollegen die Räume zweier Extremisten in Salzgitter. Gegen die Beschuldigten aus NRW und Niedersachsen ermitteln die Strafverfolger wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Auf dem Handy eines Verdächtigen fand sich ein Live-Video über das Kampf-Training mit der Axt.

Die Akteure werden laut Experten immer jünger 

Der Fall belegt aus Sicht des Leitenden Kölner Kriminaldirektors Klaus-Stephan Becker, „dass derzeit eine neue Dschihad-Generation hierzulande entsteht.“ Mit Blick auf die Razzia in Düren oder den geplanten Anschlag durch einen 16-jährigen Syrer in Hagen konstatiert Becker, „dass die Akteure immer jünger werden, die Szene hat kein Nachwuchsproblem“. Zudem hätten Erfolge der Taliban in Afghanistan die hiesige Radikalen-Community geradezu aufgestachelt.

Ähnlich wie bei der Migrationswelle 2015 aus Syrien und dem Irak fürchtet der Kölner Kripo-Chef, dass Terroristen durch den neuerlichen Flüchtlingsstrom vom Hindukusch unentdeckt nach Deutschland gelangen könnten. „Das islamistische Terrorrisiko ist noch nicht vorbei“, betont Becker. Zumal die Nachforschungen der Kölner Polizei gegen die Dürener Gruppe ein riesiges Islamisten-Netzwerk enthüllten, in dem zahlreiche Protagonisten unter Terrorverdacht stehen.

Treffen mit hessischer Extremistengruppe

Die Geschichte begann im Jahr 2019. Seinerzeit hatte die Kölner Polizei vier Verdächtige aus Düren im Zuge der Gefahrenabwehr für vier Wochen im Langzeitgewahrsam festgesetzt. Zwei von ihnen arbeiteten damals auf einer Baustelle in der Kölner City. Belauschte Telefonate legten den Verdacht nahe, dass man ein Attentat in der Innenstadt beabsichtigte. So gab es Treffen mit einer hessischen Extremisten-Truppe, die einen Autobombenanschlag geplant haben soll. Die Staatsschützer fürchteten, dass die Kölner Lichter oder der Christopher Street Day das Ziel sein könnten.

Zu den festgesetzten Islamisten aus Düren zählte auch Eduard K.. Nachdem er wieder freikam, weil sich der Verdacht nicht erhärten ließ, avancierte der deutsche Konvertit im Aachener Raum zu einer charismatischen Figur. Mit 17 zum Islam übergetreten, spielte er den Erkenntnissen zufolge Ende 2019, Anfang 2020 eine führende Rolle dabei, neue Anhänger zu gewinnen.

Eduard K. soll 30 junge Männer mit seiner Ideologie indoktriniert haben

Alarmiert stellte der Aachener Staatsschutz fest, dass der Kreis um den islamistischen Gefährder bis zum Frühling 2020 etwa 30 junge Männer mit der Salafisten-Ideologie indoktriniert haben soll. K. gerierte sich als Experte in islamischen Glaubensfragen, zitierte Koran-Suren auf arabisch und setzte zu Hause ein erzreaktionäres Regiment durch. Seiner Frau soll er vorgeschrieben haben, nur mit Handschuhen Fenster putzen zu dürfen, damit niemand von außen ihre Haut sehen konnte.

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Zudem knüpfte die Dürener Zelle zahlreiche Beziehungen zu Figuren der westeuropäischen Terror-Garde: Bereits im Sommer 2020 exerzierten Mitglieder der Dürener Gruppe mit islamistischen Gefährdern aus dem Raum Braunschweig/Salzgitter Messerattacken. Auch hier führte die Spur in einen hochbrisanten Zirkel. Einer der niedersächsischen Protagonisten stand fünf Jahre zuvor im Mittelpunkt von Terrorwarnungen, die zur Absage des Länderspiels gegen die Niederlande in Hannover führten.

Verbindungen zum Attentäter von Wien

Die Ermittler registrierten auch Verbindungen zu militanten Milieus in Hamburg, Berlin oder nach Ostdeutschland. Stets kamen die Dürener mit bekannten Dschihadisten zusammen. So etwa mit hessischen Radikalen, die im Verdacht standen, das Radrennen rund um den Henninger Turm für ihre Attacken zu benutzen. Oft ging es ins Ausland: zur Extremistenszene nach Brüssel, Wien oder Winterthur.

Im Oktober 2020 kam hoher Besuch aus der Schweiz. Mit einem weiteren Mitstreiter kam der eidgenössische Besar D. zu den „Brüdern“ nach Düren. Bis heute weiß die Polizei nicht, was den Islamisten in den Aachener Raum führte. Der Besucher soll in das Wiener Attentat vom 2. November mit vier Toten und 22 Verletzten involviert gewesen sein. Kurz nach dem Terrorakt ging er in Haft.

Bisher fehlen Hinweise auf konkrete Anschlagspläne der Dürener Gruppe. Durch die  Auswertung beschlagnahmter Handys und Datenträger erhoffen sich die Behörden nun Antworten.

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