Kommentar zum EntlastungspaketMehr Ehrlichkeit von der Regierung, bitte!

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Die Vorsitzenden der Ampel-Parteien (l-r), Lars Klingbeil (SPD), Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP)

Unter dem Druck des Kriegs gegen die Ukraine und explodierender Energiepreise in Deutschland ist die Ampel-Koalition in ihre erste Krise gerutscht. Unabgestimmt hatte Finanzminister Christian Lindner einen Tankrabatt zur Entlastung angekündigt, von dem der Porschefahrer mit dickem Portemonnaie noch mehr profitiert hätte, als der Pendler mit kleinem Einkommen. Aus Sicht von Grünen und SPD ein geradezu unanständiger Vorschlag.

Mühsame Bestrebungen um Maximal-Kompromisse

Wie tief die Verwerfung zwischen den Koalitionsparteien ging, lässt sich an der Zahl der Stunden ermessen, die ihre Spitzen in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag benötigten, um die Kuh vom Eis zu ziehen. Das nächtliche Treffen von SPD, Grünen und Liberalen umwehte der Hauch der großen Koalition: Streit im Vorfeld - dann das mühsame Unterfangen, die auseinanderliegenden Positionen in Maximal-Kompromissen zusammenzukleistern.

Die Liberalen mussten von ihrer absurden Idee eines Tankrabatts abrücken, bekamen aber eine befristete Steuersenkung für Sprit. Die Grünen konnten sich mit ihrem Vorstoß durchsetzen, für alle befristet die Tickets für den Öffentlichen Nahverkehr zu senken. Die Sozialdemokraten wiederum haben dafür gesorgt, dass eine Reihe der Entlastungen wie zusätzliches Kindergeld und das Klimageld über die Steuer auch eine soziale Komponente erhält.

Schlimmste Auswirkungen für Menschen mit kleinem Einkommen

Unter dem Strich ist das ein weiteres Entlastungspaket, das Wirkung entfalten wird und das die Bürgerinnen und Bürger direkt im Geldbeutel spüren werden. Gemessen am Ehrgeiz, sich durch eine schnellere Energiewende aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern aus Russland zu befreien, ist das Paket allerdings enttäuschend. Es enthält praktisch keine Steuerungswirkung. Abgesehen von dem Hoffnungswert, dass wer einmal preiswert die Vorzüge des Öffentlichen Nahverkehrs ausprobiert hat, möglicherweise künftig sein Auto häufiger stehen lässt. Es soll demnächst auch klimafreundlicher geheizt werden - die Wirkung wird sich aber erst ab 2024 entfalten.

Perspektivisch wird die Bundesregierung ihren Bürgerinnen und Bürgern sehr viel mehr reinen Wein einschenken müssen. Die Entlastungen sind im Vergleich zu dem, was die Gesellschaft noch wird aushalten müssen, ein Tischfeuerwerk. Der Krieg gegen die Ukraine wird noch lange dramatische ökonomische und humanitäre Folgen haben. Die schlimmsten Auswirkungen müssen vor allem für Menschen mit kleinen Einkommen abgefedert werden. Man wird sich aber von dem Anspruch verabschieden müssen, dass der Staat jeden Verlust ausgleichen kann.

Autofreie Sonntage und Tempolimit als Lösung?

Vielmehr muss sich die Gesellschaft auf eine längere Phase der schweren Krise einstellen. Ein Ende des Kriegs ist nicht absehbar. Mit Putins Forderung, wonach seine Energielieferungen in Rubel bezahlt werden müssen, ist auch ein jähes Ende von Gas, Öl und Steinkohle aus Russland möglich. Das hätte nicht nur für die Verbraucherinnen und Verbraucher bittere Konsequenzen, sondern würde auch die Wirtschaft lähmen.

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Wenn die Bewältigung von Kriegsfolgen und die Umsetzung der Klimawende zeitgleich gelingen sollen, wird das nicht ohne Verhaltensänderungen und Entbehrungen funktionieren. Frieren für den Frieden ist keine gute Idee, wenn man Millionen von Menschen dafür die Heizung einen ganzen Winter lang abstellt. Aber autofreie Sonntage und Tempolimit wären schon einmal hilfreich.

Es ist erstaunlich, dass die Grünen es nicht mehr wagen, in der Koalition solche Vorschläge auf den Tisch zu legen. Nur zu begrüßen ist der Plan, bei den Bürgerinnen und Bürgern sowie in der Wirtschaft mit einer Kampagne fürs Energiesparen zu werben und über die Möglichkeiten dazu aufzuklären. Die Bereitschaft der Bevölkerung mitzumachen, dürfte nie so groß gewesen sein, wie sie es heute ist. (rnd)

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