Russland soll an der Front große Verluste erleiden – die Ukraine verkündet die „Befreiung“ von Gebieten und neue Luftangriffe.
Neue Offensive gestartet„Sieht aus, als hätte Präsident Selenskyj viele Trümpfe“

Ein russischer Panzer feuert auf eine Stellung nahe Pokrowsk. An der Front kommt es derzeit zu heftigen Gefechten, heißt es aus Kyjiw. (Archivbild)
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Den Streitkräften der Ukraine sind nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in der Region Donezk in Zuge einer Gegenoffensive deutliche Geländegewinne gelungen. Die Soldaten hätten „seit Beginn der Operation“ in der Nähe der östlichen Kohlebergbaustadt Dobropillja 160 Quadratkilometer Land zurückerobert, erklärte Selenskyj nach einem Truppenbesuch in der Region in einer Videobotschaft.
Wolodymyr Selenskyj berichtet von der Front über Gegenoffensive
Die Soldaten hätten die Gebiete von russischen Truppen „befreit“, sie jedoch noch nicht offiziell eingenommen. Wann genau die Ukraine die Gebietsgewinne erzielt habe, sagte der Präsident nicht. Er betonte jedoch, Russland habe „Tausende Verluste erlitten“. Die Ukraine verteidige „rechtmäßig ihre Stellungen und ihr Land“, fügte er hinzu.
„Wir vereiteln jeden russischen Plan, unseren Staat zu zerstören“, erklärte Selenskyj zudem auf der Plattform X. „Unsere Verteidigung ist stets aktiv. Wir haben bewiesen, dass die Ukrainer die notwendigen Ergebnisse erzielen können, auch wenn viele Menschen auf der Welt Ergebnisse von Russland erwarten“, schrieb der ukrainische Präsident weiter.
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Russland könne nur zum Frieden „gezwungen“ werden, führte Selenskyj aus. Dafür sei es wichtig, dass die ukrainische Armee „über ausreichende Stärke und ausreichende Langstreckenfähigkeiten verfügt“, betonte der Ukrainer. „Und die Welt kann dies gemeinsam mit uns schaffen – durch starke Sanktionen und starken Druck“, fügte Selenskyj hinzu.
Ukraine nimmt weiter russische Ölindustrie ins Visier
„Nach internationalem Recht ist es der Ukraine gestattet, jedes legitime militärische Ziel auf russischem Territorium anzugreifen, da sich die Ukraine und Russland im Krieg befinden“, betonte auch ein Sprecher des Außenministeriums am Donnerstag. Die ukrainischen Streitkräfte haben in den letzten Wochen mehrfach russische Ölraffinerien angegriffen. In Russland herrscht seitdem eine Benzinkrise.

Rauch steigt über einer russischen Ölraffinerie auf nach ukrainischen Angriffen. (Archivbild)
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Auch am Donnerstag setzte Kyjiw diesen Kurs fort. Eine Raffinerie in der zentralen Region Baschkortostan sei durch die Angriffe „ins Herz“ getroffen worden, hieß es aus Kreisen des Inlandsgeheimdiensts SBU. Nach Angaben des Gouverneurs der russischen Region, Radij Chabirow, brach durch die Angriffe mit „zwei Drohnen“ ein Feuer aus.
Ukraine: Munitionsdepots in Kursk angegriffen
Die ukrainischen Spezialkräfte meldeten derweil einen Angriff auf russische Munitionsdepots in der Region Kursk. Ein fast zweiminütiges Drohnenvideo, das die Spezialkräfte auf Telegram veröffentlichten, zeigte eine Reihe von Explosionen, unterlegt mit einem Soundtrack von Johann Sebastian Bach. Unabhängig überprüfen lässt sich die Aufnahme derzeit jedoch nicht.
Auf dem der ukrainischen Armee nahestehenden Online-Portal DeepState war zu lesen, dass russische Truppen im vergangenen Monat in der Nähe von Dobropillja rasch vorgerückt sein sollen, einige ihrer Geländegewinne in den vergangenen Wochen jedoch wieder wettgemacht worden seien. Moskau bestreitet jegliche ukrainische Erfolge jedoch.
Russland bestreitet ukrainische Erfolge an der Front
So sprach Generalstabschef Waleri Gerassimow nach Angaben russischer Agenturen zuletzt von Geländegewinnen rund um die seit Monaten schwer umkämpfte Stadt Pokrowsk im Osten der Ukraine. „Unsere Streitkräfte rücken praktisch in allen Richtungen vor“, teilte der Generalstabschef weiter mit.
Die Ukrainer versuchten dagegen „erfolglos“ den russischen Vormarsch zu stoppen, behauptete Gerassimow, der zuletzt für Aufsehen gesorgt hatte, weil bei einer Pressekonferenz hinter ihm eine Karte zu sehen war, die darauf hindeutete, dass Russland weitere Teile der Ukraine erobern will.
Ukrainische Militärquellen berichteten derweil aus der Umgebung von Pokrowsk von der Einkesselung größerer russischer Einheiten, deren Kapitulation in Kürze erwartet werde. Eine unabhängige Darstellung der Lage war nicht möglich.
Heftige Gefechte an der Front: „Führen Gegenmaßnahmen durch“
Am Freitag meldete Kyjiw schließlich heftige Gefechte nahe der Stadt Kupjansk. „Die Stadt ist ein strategisches Ziel für den Feind“, berichtete die ukrainische Armee auf Telegram. „Unsere Soldaten führen Gegenmaßnahmen durch“, hieß es weiter.
„Das russische Militärkommando bekräftigt weiterhin seine Unterstützung für Putins Siegestheorie, die davon ausgeht, dass Russland einen Zermürbungskrieg gegen die Ukraine gewinnen kann“, kommentierte unterdessen das amerikanische Institut für Kriegsstudien (ISW) die Worte Gerassimows, die im Widerspruch zu den ukrainischen Angaben stehen.
US-Analysten: Ukraine kann „entscheidende Schwächen“ nutzen
Die US-Analysten gehen weiterhin davon aus, dass ein russischer Sieg keineswegs „unvermeidlich“ sei. Die Ukraine könne „entscheidende Schwächen Russlands“ nutzen, um Kremlchef Wladimir Putin dazu zu zwingen, seine ursprünglichen Eroberungspläne aufzugeben, heißt es im aktuellen Lagebericht des ISW.
Lob für die ukrainische Offensive in Donezk gab es derweil vom ehemaligen Oberbefehlshaber der US-Armee in Europa, Ben Hodges, der seinen Kommentar zu Selenskyjs Bekanntmachung auch für einen Seitenhieb auf Donald Trump nutzte.
Der US-Präsident hat mehrfach behauptet, der ukrainische Präsident habe im Kampf gegen Russland „keine Karten auf der Hand“. Hodges schätzt das anders ein. „Sieht aus, als hätte Präsident Selenskyj viele Trümpfe“, schrieb der ehemalige Top-General nun bei X. (mit dpa)