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Waffen für UkraineWichtige Munition hat Lieferzeit von einem Jahr – EU-Minister beraten

Lesezeit 3 Minuten
Ukrainischer Soldaten bereiten eine Panzerhaubitze des Typs „Acacia“ zum Abschuss vor.

Ukrainischer Soldaten bereiten eine Panzerhaubitze des Typs „Acacia“ zum Abschuss vor.

Die Ukraine braucht dringend Geschosse. Die EU will liefern – doch die Produktion liegt darnieder. Die EU-Außenminister arbeiten an einem Plan.

Die Priorität laute „Munition, Munition und noch einmal Munition“. So hatte der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow seinen Amtskollegen aus der EU ins Gewissen geredet. Sein Land brauche dringend „eine Million Schuss Munition“, um sich gegen Russland zu verteidigen.

Gebraucht wird vor allem 155-Millimeter-Munition, die bei der ukrainischen Armee knapp wird. Diese Geschosse kommen etwa in der Panzerhaubitze 2000 zum Einsatz, die Deutschland an die Ukraine geliefert hat.

Produktion der Rüstungsindustrie „absolut inakzeptabel“

Doch woher nehmen? Der estnische Außenminister Urmas Reinsalu brachte die Misere Ende Februar auf den Punkt. Derzeit verschieße Russland an einem Tag so viele Geschosse wie in der EU in einem Monat produziert würden, sagte Reinsalu. Die derzeitigen Produktionskapazitäten der europäischen Rüstungsindustrie seien „absolut inakzeptabel“. Ähnlich alarmiert klang auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.

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Das soll sich nun ändern – ziemlich genau ein Jahr nach dem Gipfel von Versailles, bei dem sich die Staats- und Regierungschefs der EU grünes Licht für gemeinsame Waffeneinkäufe gegeben haben.

Die EU will dreigleisig vorgehen. Zunächst sollen die Mitgliedsstaaten mit insgesamt einer Milliarde Euro gelockt werden, um so schnell wie möglich Geschosse aus eigenen Lagerbeständen freizugeben. Das Problem dabei ist, dass die EU nicht weiß, wie viele Granaten in den Lagern der Mitgliedsstaaten liegen, wie ein hoher EU-Beamter jetzt bedauernd einräumte. Das macht Planungen schwierig.

Deswegen sieht der zweite Teil des Plans vor, dass die EU-Staaten künftig bei der Nachbestellung von Munition und Waffen gemeinsam vorgehen. Auch dafür soll eine Milliarde Euro bereitgestellt werden. Nationale Alleingänge sollen so gut wie möglich vermieden werden.

Die gemeinsame Bestellung von Artilleriegeschossen soll ähnlich organisiert werden wie die gemeinsame Bestellung von Impfstoffen zu Beginn der Corona-Pandemie. Damals hatte die EU verschiedenen Pharmakonzernen feste Abnahmemengen garantiert.

Die EU hofft, dass ein solches Vorgehen von der Industrie wohlwollend angenommen wird. Schließlich sende man ein klares Nachfragesignal, hieß es in Brüssel.

Produktionskapazität derzeit unklar – Lieferzeit soll verkürzt werden

Zwar könnten schon im Mai erste Bestellungen bei der Rüstungsindustrie eingehen. „Das ist sehr ambitioniert, aber nicht unrealistisch“, sagte ein hoher Brüsseler Beamter. Doch das löst nicht das Problem der langen Lieferzeit. Sie beträgt derzeit für 155-Millimeter-Geschosse gut ein Jahr. EU-Beamte hoffen zwar, dass sich diese Zeit auf vielleicht neun Monate reduzieren lässt. Doch sicher ist das nicht – und damit ist auch die Frage nicht beantwortet, ob in den nächsten Monaten überhaupt genügend Munition für die Ukraine produziert werden kann.

Denn es gibt auch keine gesicherten Angaben darüber, wie hoch die Produktionskapazität der 15 Rüstungsunternehmen in elf EU-Staaten, die 155-Millimeter-Artilleriegeschosse produzieren, wirklich ist. Berichte, wonach in der EU pro Jahr maximal 600.000 Geschosse hergestellt werden können, wollten EU-Diplomaten nicht bestätigen. Sie beriefen sich dabei auf Geheimhaltungsvorschriften.

Der dritte Teil des EU-Plans schließlich ist die Idee, die europäische Munitionsproduktion langfristig zu steigern, damit auch in Zukunft Lieferungen möglich sind. Dazu könnte es einen EU-eigenen Fonds geben, der – auch ähnlich wie bei der Impfstoffbestellung – der Rüstungsindustrie die Möglichkeit gibt, schon jetzt in neue Fertigungsstraßen für Artillerie- und Panzermunition zu investieren. Nach Ende des Kalten Kriegs wurden diese Produktionslinien in vielen Rüstungsunternehmen eingemottet.

Ob alle Teile des EU-Plans realisiert werden, steht in den Sternen. Die EU-Mitgliedsstaaten pochen vor allem in Verteidigungsfragen auf ihre nationalen Kompetenzen und dürften Zentralisierungsbestrebungen aus Brüssel kritisch beäugen.

Nach eigenen Angaben hat die Bundeswehr in der vergangenen Woche 5.000 weitere 155-Millimeter-Geschosse an die Ukraine geliefert – und damit insgesamt bereits 23.500.

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