StilkolumneSoll ich zur Begrüßung jetzt wieder die Hand geben?

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Symbolbild Händeschütteln Corona

Händeschütteln – sollte man das jetzt schon wieder machen?

  • Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  • Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  • Diesmal erklärt Ingeborg Arians, ob die traditionellen Begrüßungsrituale, die in der Corona-Pandemie verschwunden sind, zurückkehren werden.

Köln – Als soziales Wesen ist der Mensch auf Beziehung angelegt und angewiesen. Die Pandemie hat uns da in einen totalen Zwiespalt gestürzt: Einerseits der Wunsch nach Nähe, andererseits das Abstandsgebot. Das hatte auch unmittelbare Folgen für unsere Rituale der Begrüßung. Einander gut zu begegnen, ist ein hochkomplexer Vorgang. Wir agieren und reagieren in Sekundenbruchteilen und schaffen Beziehung in der verbalen und nicht-verbalen Kommunikation. Rituale sorgen dafür, dass wir die Regeln nicht jedes Mal neu definieren müssen.

So signalisiert der Handschlag die friedliche Absicht der Begegnung und ist zugleich – vom Vertragsrecht kommend – ein Zeichen des Einverständnisses mit dem anderen. Zeitweilig ist diese formalisierte Geste des Handschlags ebenso weggefallen wie die Umarmung und erst recht der Wangenkuss, die beide in unserer Kultur eine noch größere Innigkeit signalisieren. Die entstandenen Ersatz-Gesten ließen den Einzelnen kaum eine Wahl. Die geballten Fäuste aneinanderzuschlagen – das haben viele eher als kämpferisch-aggressiv empfunden. Dagegen sagten mir Studierende, sie hätten sich überhaupt nicht umstellen müssen, weil sie einander schon vorher so begrüßt hätten.

Zur Person

Ingeborg Arians 2

Ingeborg Arians

Foto: Michael Bause

Alles zum Thema Henriette Reker

Ingeborg Arians, geboren 1954, hat Sprachen und Volkswirtschaftslehre studiert und ist Dipl.-Übersetzerin für Französisch, Spanisch und Englisch. Von 1986 bis 2019 war sie Leiterin der Abteilung Repräsentation und Protokoll im Amt der Oberbürgermeisterin der Stadt Köln. In dieser Zeit arbeitete sie für insgesamt vier Oberbürgermeister und die amtierende OB Henriette Reker.

Was sich post-pandemisch ändern wird; ob sich bestimmte Rituale wie eben das „Faust auf Faust“, der Ellbogencheck oder die Verneigung auf Dauer etablieren; oder ob die altbekannten Formen der Begrüßung einfach wieder aufleben – das ist noch nicht klar erkennbar. Meine Prognose: Die alten Rituale werden zurückkehren, aber nur langsam, nicht durchgehend, sondern stark orientiert an der individuellen Beziehung. Konkret: Familienangehörige und enge Freunde werden sich wieder umarmen, zumal wenn sie ihren Impfstatus kennen.

Was nach der Pandemie bleiben wird, ist das Tragen einer Maske im öffentlichen Raum. Früher fast nur bei Touristen aus Fernost zu beobachten, wird es künftig ein alltägliches Bild sein. Auch ohne behördliche Auflagen werden die Menschen die Maske als probates Mittel zum Eigenschutz einsetzen. Gleiches gilt für eine größere Selbstdisziplin bei der Hygiene: Nicht in die Handfläche niesen; ein Desinfektionsspray in der Tasche haben; die Hände beim Betreten eines Raums desinfizieren – auch das wird bleiben, um „gefährliche“ Gemeinschaftskontakte zu verringern.

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Bis auf Weiteres wird unser Verhalten uneinheitlich bleiben. Aber das finde ich nicht schlimm. Im Gegenteil: Mit einer gewissen Großzügigkeit im Umgang mit ehedem starren Ritualen lebt es sich womöglich sogar besser. Nämlich dann, wenn wir die Widersprüchlichkeiten aushalten. Denn das bedeutet zugleich, die Bedürfnisse anderer zu beachten und zu respektieren.

So könnten Sie zur Begrüßung von sich aus die Handflächen nach oben öffnen. Ergreift Ihr Gegenüber Ihre Rechte, ist es für Sie beide in Ordnung. Bevorzugt Ihr Gegenüber die kontaktlose Begrüßung, geht nicht Ihre ausgestreckte Hand ins Leere. Das erspart Ihnen beiden einen Moment der Unsicherheit oder gar Peinlichkeit. Wenn Sie es selbst hingegen offensiv auf einen Handschlag anlegen, müssen Sie die Folgen aushalten, da Sie ja diejenige Person sind, die eine noch weit verbreitete Zurückhaltung hinter sich lässt.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an: Stilkolumne@dumont.de

Und noch etwas: Wir sollten verstärkt das Mittel einsetzen, das uns für die zwischenmenschliche Kommunikation jenseits von Mimik und Gestik zur Verfügung steht: die Sprache. Fragen Sie Ihr Gegenüber einfach nach der von ihm oder ihr bevorzugten Form der Begrüßung! Damit sind Sie in jedem Fall sofort im Kontakt – auch kontaktlos.

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