Abmelden, Streikgeld, ErlaubnisAlles, was Arbeitnehmer wissen müssen, die streiken gehen

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Der Bahnsteig am Breslauer Platz ist leer.

Die Gewerkschaft Verdi hat auch bei der KVB einen weiteren Streiktag angekündigt.

Die Streikwelle im öffentlichen Dienst rollt weiter. Doch welche Rechte haben Arbeitnehmer im Arbeitskampf eigentlich genau? Ein Überblick.

Flughäfen, Kindergärten, der ÖPNV und jetzt auch die Müllabfuhrseit Wochen streiken Beschäftigte, vor allem im öffentlichen Dienst, für höhere Löhne. Die Gewerkschaft Verdi fordert wegen der Inflation 10,5 Prozent mehr Einkommen für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten. Weil eine Einigung nach wie vor nicht in Sicht ist, sind weitere Streiks in den nächsten Wochen wahrscheinlich. Doch wann ist Streiken überhaupt erlaubt? Muss ich mich beim Arbeitgeber abmelden? Und kann ich abgemahnt werden? Ein Überblick.

Wann ist ein Streik erlaubt?

Streikrecht ist Richterrecht. Das heißt: Ob und wann Streiken erlaubt ist, wird aus Gerichtsurteilen herausgelesen. Diese Gerichtsurteile berufen sich in der Regel auf Artikel 9 des Grundgesetzes. Dort ist aber zunächst nur geregelt, dass Arbeitnehmer Interessenverbände wie Gewerkschaften gründen dürfen. Durch Entscheidungen von Gerichten hat sich über die Zeit aber ein Streikrecht verfestigt, dass Arbeitnehmern ein großes Maß an Streikfreiheit zugesteht. Einige Einschränkungen gibt es aber trotzdem.

Zunächst sind nur Streiks erlaubt, die von Gewerkschaften organisiert werden. Sogenannte wilde Streiks – ohne gewerkschaftliche Organisation – sind also verboten. Der Streik darf außerdem nur solche Ziele verfolgen, die in einem Tarifvertrag geregelt werden können, also etwa ein höheres Gehalt. Streiks, die sich beispielsweise gegen unternehmerische Entscheidungen richten, sind verboten. Ein Beispiel: 2015 hatte die Pilotenvereinigung Cockpit gegen die Lufthansa gestreikt, weil das Unternehmen den Ausbau des Billigfliegers Eurowings anstrebte. Vor Gericht wurde dieser Streik als unzulässig erklärt.

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Außerdem gilt das Übermaßverbot: Streiks sind erst dann erlaubt, wenn alle milderen Mittel ausgeschöpft sind, also wenn beispielsweise Verhandlungen um Gehaltserhöhungen gescheitert sind oder zu scheitern drohen.

Das Streikrecht ist außerdem durch die sogenannte Friedenspflicht eingeschränkt. Dabei verpflichten sich Gewerkschaften und Arbeitnehmer, nicht gegen Bestimmungen des laufenden Tarifvertrages oder gegen bestimmte Teile davon zu protestieren.

Darf man auch streiken, wenn man nicht in einer Gewerkschaft Mitglied ist?

Ja, auch wer nicht in einer Gewerkschaft organisiert ist, darf sich am Streik beteiligen.

Wer darf nicht streiken?

Auch Azubis oder Leiharbeiter haben das Recht zu streiken. Nur Beamte dürfen nicht streiken, also beispielsweise verbeamtete Lehrkräfte. Aktuell läuft ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, bei dem drei Lehrkräfte gegen das Streikverbot für Beamte geklagt haben. Mit einem Urteil ist aber wohl erst in ein paar Monaten zu rechnen.

Kriege ich weiterhin mein Gehalt?

Für die Zeit des Streiks sind Arbeitsverträge außer Kraft gesetzt. Das sorgt auf der einen Seite dafür, dass Arbeitnehmer ihre vertraglichen Pflichten während des Streiks nicht verletzten. Auf der anderen Seite zahlt der Arbeitgeber während des Streiks auch keinen Lohn.

Wer Mitglied in einer Gewerkschaft ist, erhält für die Dauer des Streiks eine Streikunterstützung. Verdi zahlt beispielsweise für jeden vollen Streiktag das 2,5-fache des Monatsbeitrags an Arbeitnehmer, die länger als ein Jahr bei ihnen Mitglied sind. Für Eltern kommen Kinderzuschläge obendrauf.

Auch die meisten der 45.000 Neumitglieder, die laut Verdi in den vergangenen zwei Monaten in die Gewerkschaft eingetreten sind, erhalten Streikgeld, allerdings etwas weniger. Wer noch kein ganzes Jahr Mitgliedschaft vorweisen kann, erhält das 2,2-fache des Monatsbeitrags.

Kurz vor dem Streik in die Gewerkschaft eintreten, nur um Unterstützung zu bekommen, funktioniert allerdings nicht. Nur wer im letzten Monat einen Mitgliedsbeitrag gezahlt hat, kann auch Streikgeld beantragen.

Muss ich meinem Arbeitgeber Bescheid sagen?

Weil während des Streiks der Arbeitsvertrag ruht, muss man als Arbeitnehmer seinem Chef weder Bescheid sagen noch sich abmelden. „Eine Pflicht zum Abmelden wegen Streiks würde eine psychische Hürde bedeuten, die mit der Bedeutung des Streikrechts als Grundrecht nicht zu vereinbaren wäre“, schreibt Dr. Till Bender vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) auf dessen Homepage.

Um das Streikgeld zu beantragen, sollten sich Gewerkschaftsmitglieder aber im lokalen Streikbüro anmelden. Alternativ kann man das Geld aber auch auf der Online-Plattform bei Verdi beantragen.

Kann mein Arbeitgeber mich wegen des Streiks entlassen?

Nein. Wer streikt, darf nicht entlassen oder abgemahnt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich um einen rechtmäßigen Streik handelt.

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