BahnbögenEine Passage voller Attraktionen

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Die Animation der Bahnbögen GmbH (oben) zeigt, wie es bald in Ehrenfeld aussehen könnte.

Die Animation der Bahnbögen GmbH (oben) zeigt, wie es bald in Ehrenfeld aussehen könnte.

Köln – Es ist düster und stinkt, Obdachlose haben den Müll so zusammen geschoben, dass sich zwischen Abfall, Ratten und Kot ein Quartier aufschlagen lässt, ein paar Geschäftsleute dürfen nebenan ihr Auto parken - ein Schandfleck mitten in der City, fünf Gehminuten vom Dom entfernt. Man braucht viel Fantasie, um den Mitarbeitern der Bahnbögen Köln GmbH folgen zu können, wenn sie ihre Visionen für dieses finstere Stück Stadt zwischen St. Ursula, Eigelstein und Weidengasse beschreiben.

Sie schwärmen von einer Passage voller Attraktionen zwischen Hansaring und Breslauer Platz, Kultur- und Einkaufsangeboten, einem Brauhaus und einer großen Markthalle, in der alle Einzelhändler des multikulturellen Veedels einen Marktstand als „Filiale“ aufmachen sollen - eine Kölner „Portobello Road“ mit Bahnbögen, so wie sie in Berlin und Wien umgebaut wurden. „Warum sollte so etwas nicht auch in Köln möglich sein?“, fragt Lutz Figge von der Bahnbögen Köln GmbH, die von der Deutschen Bahn 90 Bögen in Innenstadt und Ehrenfeld bis 2044 gepachtet hat.

Mit der Diskussion um die Zukunft des Eigelsteinviertels, in dem sich die Anwohner gegen eine neue Zuhälter- und Drogenszene und den Abstieg des kölschen Viertels wehren, sind die düsteren Bahnbögen zum Symbol für die verpassten Chancen der Quartierentwicklung geworden. Bei der emotionalen Bürgerversammlung im Restaurant Bosporus vor einigen Tagen hat Figge mit scharfer Kritik an der Stadt für Aufregung gesorgt. Die Verwaltung habe die Verantwortung, dass nichts passiere.

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Die Interessengemeinschaften von Eigelstein und Weidengasse scheinen bereit, sich auf neue Attraktionen im Viertel einlassen zu wollen, um es zu beleben und so der Szene wieder den Platz zu nehmen. Man sehe die Probleme und auch Risiken, sagt Gerd Franke vom Förderverein Eigelstein. Trotzdem unterstütze man die Pläne für die Bahnbögen, weil „eine solche Initiative Bewegung ins Viertel bringen kann“. Die IG Weidengasse hofft darauf, dass man so „neues, hoffentlich auch junges Publikum“ ins Viertel locken kann.

Groteske Szenarien möglich

Bislang gelten für die meisten Bereiche und Häuser des Viertels strenge Regelungen, zum Schutz des Wohnviertels und Einhaltung der einst verabredeten Sanierungsziele, die noch nicht einmal kulturelle Nutzungen vorsahen. Das führt zu grotesken Konstellationen: So könnte in dem leer stehenden Ladenlokal gleich zu Beginn des Eigelstein an den Bahnbögen kein Alkohol verkauft oder Musik gemacht werden, während gleich nebenan in der Kneipe bei Musik und Bier die Kontakte zwischen Prostituierten und Freiern geknüpft werden dürfen. Die Bahnbögen GmbH arbeitet zur Zeit an genehmigungsfähigen Plänen, in dem irgendwie das Wort „Vergnügungsstätten“ umschifft werden soll und trotzdem ein neues Brauhaus oder ein Jazz-Club Platz finden kann.

„Es geht nur hopp oder top“, sagt Figge, der wenig Spielraum für Kompromisse sieht. Ohne neue Attraktionen könne man niemanden locken. Eine Disko hinterm Haus müsse keiner fürchten, darauf werde man achten. Dass das Viertel unter Umständen jedoch an manchem Wochenende mit Tausenden Besuchern rechnen müsse, sei jedoch kaum vermeidbar. So schlägt das Unternehmen auch die Etablierung eines großen Antik- und Designmarkts auf den umliegenden Straßen vor. „Hier ist eine wunderbare Mischung und pulsierendes Leben im einzigen, nicht durchgestylten Viertel der Stadt möglich“, schwärmt Figge. Das klingt verlockend. Klar ist aber auch: Das pulsierende Leben würde das Bahnhofsviertel verändern.

Zur Zeit werden nur rund 30 Prozent der gepachteten Bahnbögen genutzt - die meisten nur provisorisch für Lagerräume oder Parkplätze, in Ehrenfeld findet man noch ein paar kleinere Dienstleister. Dass es auch anders gehen kann, will die Bahnbögen GmbH nun an der Bartholomäus-Schink-Straße zwischen Gürtel und Venloer Straße beweisen, wo nach jahrelangem Zuständigkeitsgerangel und nicht eingehaltenen Zusagen endlich die ersten beiden Bögen am Ehrenfelder Bahnhof für eine schicke neue Nutzung geöffnet werden. In einem Jahr sollen auch die Nachbarbögen vermietet sein. Danach soll es in der Hüttenstraße zwischen Subbelrather und Venloer Straße weiter gehen. An der Heliosstraße will man warten bis mehr Klarheit für das große Areal des alten Helios-Geländes besteht, das die Bauwens-Gruppe unter anderem mit einem Einkaufszentrum bebauen will. Dieses Projekt ist allerdings heftig umstritten.

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