Betrug durch geheime KontenBafög-Sündern auf der Spur

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Reich sind Studenten meist nicht - aber trotzdem verpflichtet, ihr Vermögen beim Bafög-Antrag vollständig anzugeben. (Bild: ddp)

Reich sind Studenten meist nicht - aber trotzdem verpflichtet, ihr Vermögen beim Bafög-Antrag vollständig anzugeben. (Bild: ddp)

Das Konto, das Oma zur Geburt angelegt hat, oder das Geld vom Ferienjob - wer Vermögen beim Bafög-Antrag verschweigt, kann auch noch Jahre später Probleme bekommen. Diese Erfahrung musste Karin (Name geändert) machen - ihr Fall landete bei der Kölner Staatsanwaltschaft. „Vor einigen Wochen lag eine Vorladung der Kölner Polizei in meinem Briefkasten“, erzählt sie. Der Vorwurf: Betrug. „Bei meinem Bafög-Erstantrag im Jahr 2001 habe ich nicht alle meine Sparbücher angegeben, damit ich überhaupt eine Chance auf die Förderung habe“, gibt Karin zu. „Ich habe aber nicht damit gerechnet, dass das noch Jahre später Konsequenzen haben könnte.“

Kann es aber. Denn nach einer Gesetzesänderung, die die Kommunikation unter den Ämtern erleichtert, ist Schluss mit Schummeln: Das Bundesamt für Finanzen erteilt den Bafög-Ämtern inzwischen Auskunft über die Höhe der Zins-Erträge der Antragsteller. Wenn die Zinsen eine gewisse Summe übersteigen, ist klar, dass der Student nicht sein gesamtes Vermögen angegeben hat. Dieser Datenabgleich wurde Karin zum Verhängnis. Das Kölner Studentenwerk hatte festgestellt, dass für Karin Freistellungsaufträge über 230 Euro vorlagen. Daraufhin musste die 28-Jährige ihr gesamtes Vermögen offenbaren. „Das war leider einiges mehr als die zulässigen 5200 Euro.“ Bereits vor drei Jahren hat Karin das zu Unrecht bezogene Bafög - etwa 2000 Euro - zurückgezahlt. Mit dieser Summe ist die ehemalige Studentin der Fachhochschule Köln ein eher kleiner Fisch. Der bundesweite „Rekord“ liegt bei einem Studenten aus Nordrhein-Westfalen, der den Bafög-Höchstsatz (zurzeit 585 Euro monatlich) erhielt, obwohl er 200 000 Euro auf seinem Konto hatte.

Nach Angaben der Bezirksregierung Köln sind in NRW bis Dezember letzten Jahres rund 18 500 Fälle bekannt geworden, bei denen die Überprüfung zumindest einen Anfangsverdacht auf Betrug ergab. Mehr als 67 Millionen Euro haben die reuigen Büßer inzwischen zurückgezahlt, 13 Millionen stehen noch aus. Das Studentenwerk fordert aber nicht nur das Bafög zurück, sondern übergibt die Akten außerdem der Staatsanwaltschaft. Die entscheidet dann über das weitere juristische Vorgehen. Der erste Schritt ist die polizeiliche Vernehmung.

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„Mit einem mulmigen Gefühl ging ich zur zuständigen Polizeidienststelle. Ich wusste ja nicht, was mich erwarten würde, bisher kannte ich Verhöre nur aus Krimis“, erzählt Karin. Doch anders als im Fernsehen wurde sie nicht knallhart in die Mangel genommen. „Zuerst las mir der Beamte meine Akte und die Anklage vor - »Sozialbetrug zu Lasten des Kölner Studentenwerks«. Danach stellte er mir frei, ob ich zu dem Vorwurf Stellung nehmen wollte, mündlich oder schriftlich. Ich hätte auch einen Anwalt einschalten können.“ Eigentlich habe sie sich für die Vernehmung eine schöne Geschichte für ihre Verteidigung zurechtgelegt, erzählt Karin weiter: „Ich wollte erzählen, dass meine Eltern mein Vermögen verwalten und ich deshalb nichts von den Sparbüchern gewusst hätte.“ Doch der Beamte legte ihr nahe, geständig zu sein, um ein längeres Gerichtsverfahren zu vermeiden und den Staatsanwalt milde zu stimmen. Außerdem sei die Sachlage klar und am Vorwurf des Betruges nicht zu rütteln. „Da ich bei der Eröffnung meiner Konten selbst unterschrieben hatte, hätte mir auch die rührseligste Geschichte nicht weitergeholfen.“ Nachdem Karin ihr Geständnis abgelegt hatte, klärte der Beamte sie über den weiteren juristischen Weg auf: Über die Eröffnung eines Gerichtsverfahrens hat der Staatsanwalt zu entscheiden. Im Falle von Karin wäre die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt wird - wegen Geringfügigkeit und weil Karin zum ersten Mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Die schnellste Möglichkeit besteht im Erlass eines Strafbefehls. „Das hört sich schlimmer an, als es ist“, erläutert Karin. Im Wesentlichen handele es sich dabei um ein vereinfachtes Verfahren, bei dem es ohne mündliche Gerichtsverhandlung zu einem Urteil kommt. „Ich wollte die Sache so schnell wie möglich erledigt haben. Außerdem ist bei diesem Verfahren von Vorteil, dass ich keine Gerichtskosten tragen muss. Deshalb habe ich in meinem Geständnis beantragt, die Möglichkeit des Strafbefehls zu prüfen.“ Dieser Bitte ist die Staatsanwaltschaft Köln nachgekommen. Karin überwies 500 Euro an die Staatskasse. Im Gegenzug wurde das Verfahren gegen die 28-Jährige beendet.

Mit ihrer Strafe ist Karin noch glimpflich davongekommen. Wegen der geringen Schuld darf sie sich weiter als nicht vorbestraft bezeichnen, und ihr Führungszeugnis wird einwandfrei bleiben. Für bestimmte Berufsgruppen kann so ein Eintrag nämlich fatal sein: Angehende Anwälte, Lehrer oder Beamte müssen eine weiße Weste haben, um eingestellt zu werden.

Tipps für Studenten und Absolventen, die wegen des Bafögs mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, gibt es im Internet - in Foren wird sogar persönliche Beratung angeboten. Zu erfahren, dass sie dort Hilfe bekommen kann, war für Karin wichtig. „Außerdem hat es mir sehr geholfen zu sehen, dass ich offenbar nicht die einzige Bafög-Schummlerin bin.“

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