CAMPINGKleine Freiheit auf der Promenade

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Reiseerinnerungen aus der ganzen Welt schmücken Dirk Hertels mobile Bleibe gleich unterhalb der Zoobrücke. (Bild: Worring)

Reiseerinnerungen aus der ganzen Welt schmücken Dirk Hertels mobile Bleibe gleich unterhalb der Zoobrücke. (Bild: Worring)

Wer hätte noch nicht einmal davon geträumt: ein Wohnsitz mit Blick auf den Rhein – mitten in Köln. Wenn abends beleuchtete Schiffe vorüberfahren, Möwen schreien und eine warme Brise stromabwärts weht, setzt sich Barney Brandt (Name geändert) am liebsten ans Ufer. „Ich mag die Atmosphäre hier – eine gute Mischung aus Trubel und Gelassenheit, die einen umgibt.“ Seit November genießt der 34-Jährige seine exklusive Wohnlage zwischen Niederländer Ufer und Zoobrücke. Doch während andere dafür hohe Mieten zahlen, wohnt Brandt äußerst preiswert. Besser gesagt: Er parkt. Umsonst.

In hintersten Ecke der Rheinuferpromenade, dort, wo ein Trampelpfad in Richtung Mülheimer Brücke auf den gepflasterten Weg folgt, steht sein Wohnmobil im Schatten einer Weide. „Ich brauche nicht viel zum Leben“, sagt der gelernte Rettungssanitäter und zuckt mit den Schultern. „Frisches Wasser, Strom und ein paar Lebensmittel, damit komme ich gut aus.“ In sein Haus im Bergischen Land fahre er nur noch selten. Acht Jahre lang habe er dort gewohnt und gearbeitet. Bis er aus familiären Gründen nach Köln zog. Nun suche er hier eine Stelle. „Solange ich nichts Festes habe, möchte ich mobil bleiben.“

Mit der Entscheidung, den festen Wohnsitz vorübergehend gegen ein mobiles Leben einzutauschen, ist Brandt nicht allein. Mindestens sechs weitere Wohnmobile – vom klassischen Karthago-Caravan bis hin zum umgebauten Sprinter – stehen auf dem Parkplatz am Rheinufer. Einige ihrer Bewohner haben hier sogar den Winter über ausgeharrt – und bei Frost die Öfen angestellt.

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Peter Tonsor parkt erst seit zwei Wochen an dieser Stelle. „Hier habe ich wenigstens genug Platz“, sagt der Dauercamper und holt seinen Liegestuhl raus. Im Reisemobilhafen, einem privat verwalteten Stellplatz in Riehl, sei es viel zu eng gewesen. „Da steht man dicht gedrängt zwischen 50 anderen.“ Der Campingplatz in Rodenkirchen sei noch schlimmer. Und doppelt so teuer. „Die Stadt sollte hier mehr freie Flächen zur Verfügung stellen“, findet Tonsor. „Dann müssten wir auch nicht auf diesen Parkplatz ausweichen, um unsere Ruhe zu haben.“

Der Platz gehört zur öffentlichen Grünfläche der Stadt, die Nutzung ist per Verordnung geregelt, Übernachtungen sind nicht erlaubt. Bislang wird die kleine Campergemeinde jedoch von der Stadt toleriert – mit wenigen Ausnahmen: Brandt hat mal 35 Euro zahlen müssen, weil einer Messung zufolge die Räder seines Gefährts von einem Tag zum anderen nicht bewegt worden waren. Und Camper Dirk Hertel berichtet: „Im Dezember habe ich mal ein Knöllchen wegen Wegelagerei bekommen.“ Seitdem sei aber alles ruhig geblieben. Mit seiner Lebensgefährtin Vera Paschma verbringe der Sozialpädagoge jede freie Minute in seinem roten MAN. Die Wohnung in Ehrenfeld steht manchmal mehrere Tage lang leer. „Wir wohnen nicht aus finanziellen Gründen hier“, betont Hertel. „Uns gefällt das mobile Leben – und der sagenhafte Blick auf den Dom.“ Im Innern des geräumigen Caravans berichten aufgeklebte Fotos von Reisen in ferne Länder und staubige Wüsten, ein Fernseher und eine Musikanlage werden über Solarpanele auf dem Dach betrieben. Im Winter unterstützt ein Generator die Stromversorgung in dem 41 Jahre alten Wagen.

Den eigenen Verbrauch auf ein Minimum zu reduzieren und Strom so weit wie möglich selbst zu erzeugen, scheint ein gemeinsames Anliegen der Gemeinschaft zu sein. Einen Stromanschluss gibt es hier nicht. „Ich überlege oft, wie man auf die Stadt zugehen könnte, damit wir bleiben dürfen“, sagt Brandt. „Wir stören ja niemanden. Im Gegenteil.“ Erst in der vergangenen Woche habe sich ein vom Regen überraschter Spaziergänger bei ihnen untergestellt – und sich tags darauf mit Keksen bedankt. „Auch Joggerinnen fühlen sich sicherer, wenn sie abends laufen und sehen, dass hier Leute sind.“

Im Dezember habe ich mal ein Knöllchen wegen Wegelagerei bekommen

Den eigenen Abfall können die Camper dort entsorgen, wo sie ihren festen Wohnsitz haben. Und Müll, den Uferbesucher nach Grillpartys liegen lassen, sammle später immer einer der Camper auf und schaffe ihn zum Container. Dafür brauche man keinen Putzplan. „Wir haben uns ganz bewusst für dieses Leben entschieden – aus unterschiedlichen Gründen, aber nicht, weil wir es müssen“, sagt Brandt.

Wie lange sie hier noch ungestört kampieren können, weiß keiner der Parkplatzfreunde. Wenn sich im Sommer mehr als zehn Wohnmobile unter die wenigen Bäume drängen, erregt das mehr Aufmerksamkeit, als sich die Camper wünschen. Brandt und seine Nachbarn hoffen auf die Toleranz der Stadt: „Wir haben Lust auf Natur und Unabhängigkeit“, sagt er. Dafür seien sie auch zu Kompromissen bereit.

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