DorfkernRetter historischer Bauten

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Früher Bürgermeisterei, dann Verwaltungsgebäude, dann Arztpraxis: Heute beherbergt das Fachwerkhaus ein Fliesengeschäft. (Bilder: Gabriele Krüper)

Früher Bürgermeisterei, dann Verwaltungsgebäude, dann Arztpraxis: Heute beherbergt das Fachwerkhaus ein Fliesengeschäft. (Bilder: Gabriele Krüper)

Ruppichteroth – Eines Tages wurde es Wolfgang Harth, Professor für Physik an der Fachhochschule Köln, zu bunt. Der Fliesenladen seiner Frau Marie-Luise lief so gut, dass sie inzwischen in ihrem Haus in Krahwinkel nicht nur sein Büro, sondern weitere Räume in Beschlag genommen hatte. Er arbeitete häufig am Küchentisch. „Such dir einen Laden“, zog er einen Schlussstrich. Dies war der Anfang eines 20-jährigen Abenteuers mit ungewissem Ausgang. Marie-Luise Harth schaute sich im Ort um – und entdeckte das ehemalige Krankenhaus des Dr. Herzfeld an der Burgstraße, das still vor sich hingammelte. „Wir haben uns sofort verliebt“, bekennen die beiden. Ihr Leben änderte sich von Stund an.

„Wie ein Sechser im Lotto“

„Ich bin in dem Krankenhaus geboren und meine Frau auch“, erzählt Wolfgang Steimel, ehemals Vorsitzender des Bürgervereins. Bis heute regt ihn auf, dass der Rat einmal erwogen habe, das Ensemble abzureißen. Unter anderem dachte man an den Bau eines Supermarkts. „Die Harths sind für den Ort wie ein Sechser im Lotto“, findet Steimel. Für 450 000 Mark erwarb das Ehepaar 1990 Gebäude und Park. „Wir haben einen Großteil unseres Vermögens investiert“, sagt Wolfgang Harth. Zuletzt verschlang die Neueindeckung des denkmalgeschützten Krankenhausdachs 120 000 Euro. Das war 2010 – jetzt stehen „nur noch“ Unterhaltungskosten an.

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Im Fachwerkhaus an der Burgstraße wurde 1815 die Bürgermeisterei eingerichtet, um 1830 die Verwaltung der Phönixschen Berggesellschaft. Die für die Ruppichterother interessante Geschichte aber begann 1887, als der Arzt Dr. Moritz Herzfeld das Gebäude kaufte. Bereits 1890 richtete er einige Zimmer her als „Sanatorium“ für wohlhabende Städter. Das Geschäft lief bestens, so dass er 1908 ein neues Sanatorium mit 20 Betten baute. Manchmal hallten Schreie bis auf die Straße, weiß Ortshistoriker Karl Schröder zu berichten: Dann zog Herzfeld einem Patienten gerade einen Zahn. Mit Aufgabe seiner Praxis 1928 verkaufte Herzfeld das Ensemble an eine Kölner Krankenkasse. Fortan wechselte die Nutzung vom Müttergenesungsheim über eine Lazarett bis hin zum Schullandheim. 1981 übernahm die Gemeinde den Komplex. Erfolglos blieb die Suche nach einem Investor – bis Marie-Luise Harth vorbeikam. „Sie waren nicht nur mit ihrem Geld, sondern auch mit dem Herzen dabei“, erzählt Wolfgang Steimel. Bauherr Harth kam sein handwerkliches Können zugute; immer wieder sah man ihn in staubigen Klamotten auf dem Bau hantieren. Nachbarin Margarete Schreiber beobachtete einmal, wie Marie-Luise Harth in schicker Kleidung im Blumenbeet zupfte – barfuß. „Ich warte auf Kundschaft“, begründete sie ihr Outfit. Als diese kam, zog sie flugs ihre Schuhe über – fertig war die Geschäftsfrau.

Auch die gegenüber liegende Ruine, ein alter Tanzsaal, haben Harths gekauft und liebevoll aufgebaut. Nicht zuletzt wurde ihnen im Jahr 2000 das Gasthaus an St. Severin angeboten – hier schufen sie ein weiteres Kleinod. Manchmal, so erzählt Marie-Luise Harth, fragen alte Ruppichterother, ob sie noch mal das Krankenzimmer sehen können, in dem sie als Kind gelegen haben.

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