Ein echtes Refugium aus Lehm

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Die gestampften Lehmwände sind mit einem Lehmverputz überzogen. Das Material speichert die Wärme, ist aber atmungsaktiv. Das Gästezimmer ist mediterran geprägt.

Die gestampften Lehmwände sind mit einem Lehmverputz überzogen. Das Material speichert die Wärme, ist aber atmungsaktiv. Das Gästezimmer ist mediterran geprägt.

Hennef - Bis in den Dachfirst offen ist die Wohnhalle, drei Geschosse erstrecken sich darin, von der Eingangstür fällt der Blick durch den großzügigen Wintergarten ins Freie. Das wohltuende Raumklima macht sich bald bemerkbar. Eine Wandheizung sorgt für Wärme, keine Luftmassen werden durchgewirbelt. Der Zentralstaubsauger hält die Luft frei von Feinstaub. Hausherr Herbert Schmitz zeigt auf die Wände: Sie sind aus Lehm, die Dach- und Deckenlasten übernimmt ein Holzdoppelständerwerk. Er muss es wissen, hat er das Gebäude doch selbst geplant und verwirklicht. In Eulenberg steht sein rund 250 Quadratmeter großes Refugium.

Der Mann ist Architekt und außerdem Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Köln. „Sondergebiete der Werkstofflehre“ heißt sein Fach, seit 1990 unterrichtet er es. Seine Spezialität ist allerdings Lehm. „Den gibt es in unseren Breiten nahezu überall, mit dem Bodenaushub, selbst bei geringerer Qualität, lassen sich durchaus Teile der Wände hoch ziehen“, sagt Schmitz. Sein Studium hat er, ebenfalls in Köln, 1980 begonnen.

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Das Wirtschaftsporträt

Bald schon ist er ausgewandert - nach Portugal damals. Sein erstes Lehmhaus hat er da gebaut und sich als Autodidakt mit ökologischen Techniken vertraut gemacht, als das noch nicht in aller Munde war. 1984 dann bot er seinen ersten Lehmbau-Kurs, organisierte Projekte in Costa Rica und machte sich einen Namen als Projektentwickler für auf Grundstücke angepasste Technologien.

Nebenbei legte er sein Diplom ab. Nach dem Fall der Mauer eröffnete er in Annaberg ein eigenes Büro. „Dort habe ich viele tolle Sachen machen können, habe ein bisschen Karriere gemacht“, schildert Schmitz. Öffentlicher Wohnungsbau, Denkmalerhaltung, Industrie- und Einfamilienhausbau - in seiner Mappe stapeln sich ambitionierte Vorhaben, nicht immer allerdings mit seinem Lieblingsmaterial.

Vor knapp zehn Jahren hat er sein eigenes Haus gebaut und einen weit reichenden Entschluss gefasst: „Ich bau den anderen Quatsch nicht mehr.“ Ein bis zwei Lehmhäuser im Jahr, „das reicht für mich“. Was er zuvor gerne anderen zugute kommen ließ, hat er jetzt selbst - gutes Klima, angenehmen Geruch. Vieles hat Schmitz selbst konzipiert, die Treppen etwa oder die Küche. Eisen hat er verarbeitet, Korrosion gibt es in seinen Räumen nicht, weil er keine Feuchtigkeitsprobleme kennt. Mit 400 bis 500 Euro Heizkosten kommt er im Jahr aus. Die massiven Wände, klassisch mit den Füßen zwischen zwei Holzverschalungen gestampft, speichern die Energie: „Nicht die Luft, die Materialien sind aufgeheizt“, so der FH-Dozent. Da kann er selbst im Winter kräftig lüften, die Temperatur sinkt nicht in den Keller.

Holzhackschnitzel und Lehm werden gemischt, alte Techniken hat Schmitz wieder belebt. Die acht mal acht Zentimeter großen Balken des Ständerwerks werden mit „eingepackt“. Dieser konstruktive Holzschutz ersetzt jede Chemie. Lehmpulver mit Sand gemischt wird als Putz verwendet, Fenster werden mit Kokosstrick abgedichtet und nicht ausgeschäumt - die ökologische Bauweise erfüllt gleichwohl alle Auflagen zu Brandschutz und Erdbebensicherheit.

Im Innenausbau setzt Schmitz auf Mondholz, dass er in der Eifel kauft. Das wird tatsächlich nur bei Vollmond im Winter geschlagen. Was sich zunächst anhört wie esoterische Anwandlung hat ganz handfeste Gründe. Zur dunklen Jahreszeit entwickeln Bäume die höchste Abwehrkraft, haben andererseits den geringsten Wasserstand.

Am liebsten Lärche

Die Stämme bleiben bis zum Frühling liegen und werden erst dann entastet. Das Holz wird auf zwölf Prozent Feuchtigkeit herunter getrocknet, bevor es verzimmert wird. Einheimische Hölzer wie Douglasie und Lärche sind dem Architekten am liebsten. Beim Eingangsbau für das Freilichtmuseum in Lindlar hat er seine Vorstellungen weitgehend verwirklichen können und war dabei anderen Bewerbern gegenüber konkurrenzfähig.

Das Lehmhaus hat jetzt auch Klaus Doppler entdeckt. Dem Immobilienmakler begegneten immer wieder Menschen mit allergischen Reaktionen. Im Kontakt mit Schmitz hat er eine Lösung gefunden. Beide wollen jetzt das Konzept gemeinsam angehen. Baukosten und Bauzeit sind vergleichbar mit konventionell errichteten Bauwerken. Um Handwerker machen sie sich keine Sorgen, die beherrschen nach wie vor die Techniken auch für den Stampfbau. Nebenbei hat Schmitz noch ein anderes Projekt abzuarbeiten: Er wird die portugiesische Regierung bei der Erstellung einer Lehmbaufibel beraten. Denn nach wie vor sind die Deutschen in Sachen regenerative Energien und ökologischem Bauen ganz vorne.

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