Verteidigung des Kardinals„Wer Woelki ans Kreuz nageln will, der ist gegen Reformen“

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Kardinal Rainer Woelki 

Es kursiert eine neue Parole im Erzbistum Köln: Schonungslose Unterstützung für Kardinal Rainer Woelki. So wollen Teilnehmer eines Krisentreffens mit leitenden Pfarrern kurz vor Ferienbeginn Woelkis Wunsch verstanden haben. In der Runde hatte der Erzbischof sich – wieder einmal – kritische Fragen anhören müssen.

Auch Rücktrittsforderungen wurden laut, wie Teilnehmer berichten. Der Kardinal sei darauf aber gar nicht erst eingegangen. In verschiedenen Statements hatte er deutlich gemacht, dass ein Rückzug aus freien Stücken für ihn schon deshalb keine Option sei, weil er auch nicht von sich aus ins Amt gelangt sei, sondern kraft päpstlichen Mandats.

Während die Causa Woelki also zur Begutachtung und Entscheidung beim Papst persönlich liegt, melden sich in Köln Verteidiger des Kardinals aus den eigenen Reihen zu Wort. Die Unternehmensberaterin Mechthild König (Bergisch Gladbach) und der Pastoralreferent Werner Kleine (Wuppertal), beide 2018 von Woelki mit Leitungsaufgaben beim umstrittenen Reformprozess „Pastoraler Zukunftsweg“ (hier lesen Sie mehr) betraut, sehen die eigentliche Schuld für die Misere im Erzbistum Köln – bei den Pfarrern.

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Angst vor Machtverlust

Die hätten sich „nicht mitentwickelt“, sagte König der „Westdeutschen Zeitung“ (WZ) (hier finden Sie den ganzen Text). Ihr Selbstbild sei immer noch das eines Herrschers in seinem kleinen Reich, und sie fürchteten um ihre Macht, wenn pastorale Strukturen aufgrund des Spardrucks verändert werden müssten. Den derzeitigen Umgang mit Woelki bezeichnet König als Heuchelei. „Was werft ihr diesem Menschen eigentlich vor?“ fragt sie Woelkis Gegner – und zitiert aus der Szene des Verhörs Jesu durch Pontius Pilatus.

Auch Kleine, der auf dem Pastoralen Zukunftsweg die kirchliche Kommunikation optimieren soll, attackiert die Pfarrer und fordert im Gespräch mit der WZ, Woelki sollte alle aus dem Klerus in den Senkel stellen, die ihm permanent in den Rücken fielen. „Woelki müsste dringend mehr Führungsstärke dokumentieren“ und seine Kommunikation verbessern, so Kleine. „Das macht er überhaupt nicht gut. Das heißt aber nicht, dass er gar nicht kommuniziert.“ Im Gegenteil: Zum Pastoralen Zukunftsweg habe es zahllose Konferenzen und Gespräche gegeben – und sogar einen Imagefilm für alle Gemeinden. „Wer jetzt noch sagt, er wisse nicht, worum es geht, der will es auch gar nicht wissen.“

„Wer geht denn offensiv gegen seinen Chef vor?“

Die Aufarbeitung des Missbrauchs gibt aus Kleines Sicht keinen Anlass zu Kritik am Kardinal. Vermutlich habe Woelki in seiner Zeit als Geheimsekretär von Kardinal Joachim Meisner zwar vieles gewusst oder gehört. „Aber wer geht denn offensiv gegen seinen Chef vor? Allzu viele machen das nicht.“ Es spreche für Woelki, dass er jetzt nicht zurücktreten wolle. „Er will das aufklären. Und er will Verantwortung übernehmen.“ Im Gegensatz zum Münchner Kardinal Reinhard Marx, dessen Rücktrittsgesuch der Papst im Juni ablehnte, sei es „anscheinend nicht Woelkis Art, sich einen schlanken Fuß zu machen.

Einer der als Heckenschützen ausgemachten Geistlichen ist Kleines eigener Chef, der Wuppertaler Stadtdechant Bruno Kurth. Zu Pfingsten hat er zusammen mit 13 weiteren Kreis- und Stadtdechanten in einem Brandbrief an Woelki persönliche Konsequenzen gefordert. Maßregelungen als Mittel der Personalführung – das sei eine „überraschende“ Empfehlung, findet Kurth. „Kritische Stimmen in den Senkel zu stellen, das kennen wir aus der Vergangenheit unseres Bistums. Es hat nicht wenige verletzt und der Zusammenarbeit sowie dem Zusammenhalt im Bistum nachhaltig geschadet“, sagt Kurth dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit Anspielung auf den bekannt autoritären Leitungsstil Kardinal Meisners. Er betont, dass die Dechanten ihre Kritik „in vielen Gesprächen intern und danach teils öffentlich“ die „deströse Kommunikation“ Woelkis und seines Generalvikars Markus Hofmann beklagt, die auch Kleine bemängele.

„Schaden für die Glaubwürdigkeit“

Was von Kleine als Verteidigung für Woelki gedacht gewesen sei, bringt für Kurth die Malaise des Kardinals auf den Punkt: „Ich habe noch niemand im Bistum gehört, der unserem Erzbischof den Vorwurf gemacht hat, als damaliger Geheimsekretär »nicht offensiv gegen den Chef Meisner« vorgegangen zu sein. Das Problem liegt darin, so zu tun, als ob man nie wirklich etwas mitbekommen hätte in all den Jahren. Das schadet weiter der Glaubwürdigkeit nicht nur unseres Bischofs.“

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Vehement tritt Kurth auch Königs und Kleines Sicht auf den Pastoralen Zukunftsweg entgegen. Die behauptete Beteiligung der Pfarreien und Verbände sei lediglich eine „Pseudopartizipation“. Von einem geistlichen Aufbruch, der vom bisher größten pastoralen Projekt in Woelkis Amtszeit ausgehen sollte, sei nach mehreren Jahren nichts mehr zu spüren. „Dagegen hilft keine Schönrede.“ Gegen Königs Vorwurf, die Pfarrer wollten ihre Macht etwa mit Zugriff auf die Kitas behalten, wendet Kurth ein, die Pfarrer hätten hier schon seit Jahren keine Personalverantwortung mehr.

Sarkastische Reaktion

Und der Imagefilm zur Aufklärung über den Pastoralen Zukunftsweg? Diesen Hinweis hält Kurth schlicht für einen Witz. „Im Ernst, was soll man dazu sagen? In dem kurzen Film bestätigen sich die Hauptdarsteller gemeinsam mit dem Generalvikar, dass sie mit ihren Ideen Weg sind. Warum begreift das nur die große Mehrheit der vielen Menschen im Bistum nicht, die diesen Film sehen konnten?“, fragt Kurth sarkastisch und fügt hinzu: „Offenbar allesamt Kommunikations- und Pastoralbanausen oder Reformverweigerer.“

Für Mechthild König steht und fällt die Zukunft der katholischen Kirche mit Männern wie dem amtierenden Kölner Erzbischof. Und auch hier wählt sie die größtmögliche Metapher: „Wer Woelki ans Kreuz nageln will, der ist gegen Reformen.“ Es nimmt nicht wunder, dass Bruno Kurth das anders sieht: „Allein schon nach der Feststellung von permanenten Kommunikationsdefiziten, Führungsschwäche und mutmaßlicher Mitwisserschaft an Missbrauchsfällen ist die Schlussfolgerung alles andere als einleuchtend, dass unser Erzbischof keinesfalls Teil des Problems ist, sondern nur Teil der Lösung sein kann.“

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