Nachts im ZooDas Schweigen der Elefanten

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Riehl – Außer dem Knirschen der Schritte auf dem Kiesweg ist nichts zu hören. Die nahe gelegene Straßenbeleuchtung wirft gespenstische Schatten. Plötzlich wird es laut: Der Schein der Taschenlampe hat die Seelöwen erschreckt! Das heulende Bellen des Männchens hat auch ein Jungtier aufgeweckt. Beide springen ins Wasser und schwimmen aufgeregt herum. Immer wieder strecken sie den Kopf aus dem Wasser und atmen mit einem schnaubenden Geräusch aus. „Komisch“, schmunzelt Stephan Klein, „normalerweise schlafen die Seelöwen um diese Zeit schon. Eigentlich sind sie die Ersten, die einschlafen, und dann auch wieder die Ersten, die aufwachen.“

Kaum jemand kennt das Nachtleben der Tiere im Kölner Zoo so gut wie er. Klein ist Sicherheitsfachmann und bewacht hauptsächlich Gebäude. Mehrere Nächte im Monat verbringt er als Zoo-Nachtwächter zwischen den Gehegen der Elefanten, Affen und Zebras. Wenn die Pforten des Tierparks um 18 Uhr geschlossen werden, beginnt für den 22-Jährigen die Arbeit. Wo tagsüber Familien spazieren und Kinder herumrennen, herrscht nachts Einsamkeit und Farblosigkeit. Es wirkt so, als hätte jemand den Stecker aus dem Zoo gezogen.

Klein, mit dickem Kapuzenpullover bekleidet, holt sich das Bund mit 14 Schlüsseln sowie die Taschenlampe. Am Haupteingang des Zoos beginnt der Nachtwächter seinen Rundgang. Dort steht die einzige große Laterne. Die anderen Wege des Zoos liegen im Dunkeln. Seine Taschenlampe benutzt Klein dennoch nur selten. „Die Augen gewöhnen sich schnell an die Dunkelheit“, sagt er. Aber es gibt auch einen taktischen Grund: „Ein Einbrecher würde das Licht der Lampe viel schneller sehen, als dass ich den Eindringling erkennen könnte“, erklärt Klein. Während seiner Dienstzeit hatte er es aber bislang noch nie mit einem Eindringling zu tun.

Allerdings weiß Klein von einem Einbruch zu berichten, während ein Kollege von ihm in der Nacht als Wächter im Zoo unterwegs war. Aus dem Aquarium wurden Eidechsen gestohlen. „Angeblich“, so erzählt Klein, „ist vor vielen Jahren auch ein Zebra ausgebrochen. Der Nachtwächter soll sich umgedreht haben, weil es sich mit seinen Hufen so angehört habe, als sei eine Frau mit Stöckelschuhen hinter ihm.“ Ob diese Geschichte wahr ist, weiß aber niemand mehr so recht.

Sobald sich die Augen angepasst haben, geht Klein sicheren Schrittes über das Gelände zu den 21 Kontrollpunkten, die er passieren muss. Hier bestätigt er jeweils mit einem kleinen Gerät, dass er da gewesen ist. Sollte er pro Nacht nicht die geforderten Kontrollpunkte passieren, so wird die Leitstelle der Sicherheitsfirma alarmiert - es könnte dem Nachtwächter etwas passiert sein. Eine solche Runde durch den Zoo ist etwa fünf Kilometer lang. Fünf mal pro Nacht macht er den Kontrollgang. „So ein Job hält auch fit“, lacht er. Für eine Runde braucht Klein zwischen vierzig und sechzig Minuten. Manchmal nimmt er sich auch Zeit, die Tiere zu beobachten - denn es schlafen längst nicht alle.

Am liebsten ist er bei den Pinguinen. Manche von ihnen liegen in den Höhlen und blicken müde mit ihren kleinen, schwarzen Äuglein ins Dunkel, andere watscheln noch ziemlich aktiv durch das Gehege. „Hier gehe ich oft hin, um einfach nur zu gucken, was die so treiben“, sagt er. Mittlerweile scheinen die Seelöwen wieder in einen tiefen Schlaf gefallen zu sein, es ist still geworden.

Plötzlich raschelt es im Gebüsch. Klein dreht sich sofort um und zielt mit der Taschenlampe auf die Stelle - nichts zu sehen! Doch die hektischen Bewegungen haben die Flamingos aufgeschreckt. Das kreischende Geschnatter der Vögel beschallt den ganzen Zoo. Die Elefanten hat der Krach aber offenbar nicht aufgeweckt. Würden die weißen Stoßzähne nicht ein wenig in der Dunkelheit aufblitzen, könnte man den Dickhäuter in der schwarzen Nacht überhaupt nicht erkennen. Er steht dort wie ein dunkelgrauer Hügel. Bewegung ist hier nicht angesagt, noch nicht mal ein leises „Törööö“ ist zu hören.

Klein geht weiter, vorbei am Löwengehege und er ist froh, dass heute keine Vollmondnacht ist. Im hellen Mondschein brüllt der König der Tiere nämlich auch schon mal den ganzen Zoo zusammen.

Stephan Klein gähnt. Doch schlapp machen gilt nicht - er muss noch bis sieben Uhr durchhalten. Dann wird die Sonne schon aufgegangen sein. Die Seelöwen sind dann auch wieder wach und begrüßen den Morgen mit lautem Gebrüll.

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