Praktikant für einen TagEulenkloster und Entenkindergarten

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Monika Solar machte ein Praktikum für einen Tag bei Tierpfleger Reinhard Schabbing im Kölner Zoo. (Bild: dino)

Monika Solar machte ein Praktikum für einen Tag bei Tierpfleger Reinhard Schabbing im Kölner Zoo. (Bild: dino)

Bergisch Gladbach – Der Schwarzstorch wirkt ein bisschen skeptisch. Angesichts der Besucherin, die sich gerade anschickt, unter Begleitung der Presse in sein Gehege zu steigen, flattert er auf einen Baumstumpf und guckt sich die Sache mal aus sicherer Entfernung an. „Wir machen ganz langsam und schauen, wie er reagiert“, sagt Tierpfleger Reinhard Schabbing und bedeutet Monika Solar zu warten. Der Storch dreht aufmerksam den Kopf, wirkt aber nicht nervös. Schließlich gibt Schabbing der Bensbergerin das Okay, ihm zu folgen. „Unsere Tiere sind ja nicht zahm und wir wollen ihnen keinen Stress bereiten“, erläutert er leise.

Monika Solar ist „Praktikantin für einen Tag“ im Kölner Zoo, genauer gesagt im Revier „Wassergeflügel“. In ihrer Mail an den „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat sie sich gewünscht, einmal im Eulenkloster helfen zu dürfen.

Und das gehört eben zu diesem Revier. „Eulen wirken auf mich geheimnisvoll und strahlen so viel Weisheit aus“, erzählt die 53-Jährige, die als kaufmännische Angestellte in einer Immobilienfirma arbeitet. „Als Kind wollte ich Tierärztin werden, am liebsten im Zoo.“ Obwohl Solars beruflicher Weg sie in eine andere Richtung führte, blieb das Interesse an Tieren. Noch vor wenigen Wochen besuchte die Mutter zweier erwachsener Söhne während einer Japan-Reise den Tokioter Zoo. „Dort haben die Tiere leider weniger Platz, als man das heute in Deutschland kennt.“

Reinhard Schabbing, der als Springer teils für die Vögel, teils für die Seelöwen zuständig ist, drückt seiner Tagespraktikantin einen Rechen in die Hand. Bevor die Schalen mit frischem Futter aufgestellt werden, soll Solar erstmal die Futterreste vom Vortag beseitigen. Konkret heißt das, übrig gebliebene tote Mäuse einzusammeln, während Schabbing mit etwas Wasser Steine schrubbt und Kotkleckse entfernt. Monika Solar zögert keine Sekunde. „Kein Problem, ich hatte lange genug eine Katze“, kommentiert sie, lächelt und greift nach dem nächsten Nager. Schabbing, der selbst - laut Solar „mit Adlerblick“ - die Büsche durchkämmt, hinter Mauervorsprünge guckt und ein Gewölle (von den Eulen ausgewürgter unverdaulicher Nahrungsrest) erspäht, ist denn auch zufrieden mit ihrer Arbeit. „Die übrig gebliebenen Mäuse verfüttern wir gleich an die Marabus, das sind Aasfresser“, erzählt der Tierpfleger, der viel über seine Schützlinge zu berichten weiß. Zum Beispiel, dass auch die nachtaktiven Eulen zur Orientierung Restlicht brauchen. Dass sie fast lautlos fliegen und mit ihren Ohren sogar eine Maus unter Schnee oder Laub wahrnehmen.

Reinhard Schabbing arbeitet seit rund 15 Jahren im Kölner Zoo. „Als Kind war Tierpfleger mein Traumberuf“, erzählt der 37-Jährige, der aus dem Münsterland stammt. Mangels Lehrstelle in der Nähe absolvierte er zunächst eine Ausbildung zum Textilmaschinenführer. Der Zivildienst brachte ihn anschließend nach Köln. „Kurz bevor ich wieder ins Münsterland zurückfahren wollte, habe ich noch drei Wochen Praktikum im Zoo drangehängt - als schöner Abschied aus Köln.“ Aus dem Abschied wurde nichts. Er hängte auch noch eine Ausbildung als Tierpfleger dran. Nach den drei Jahren, in denen Schabbing alle rund 20 Reviere des Zoos durchlief - vom Aquarium bis zu den Zebras, von den Elefanten bis zu den Insekten -, arbeitete er beim Wassergeflügel, später kam er zu den Seelöwen. „Das sind meine Lieblingstiere geworden. Sie sind so gelehrig und jeder Seelöwe hat seinen eigenen Charakter“, schwärmt der Vater eines ein- und eines dreijährigen Sohnes. Zu seinen Lieblingen zählten auch die Kakadus Kukki und Lora, die bei ihm ganz zutraulich waren. „Inzwischen leben sie in einem Vogelpark in Kevelaer“, sagt er ein bisschen traurig.

Von einem Handwagen, auf dem er frisches Wasser und Futter mitgebracht hat, trägt Schabbing die gefüllten Schalen ins Gehege. Was für Menschen eher gewöhnungsbedürftig wirkt - ein Angebot aus toten Küken, Mäusen und kleinen Fischen - wird aus den umstehenden Bäumen interessiert beäugt. Eine Waldohreule fliegt auf zu dem Netz, das die Anlage überspannt, der Schwarzstorch tritt auf seinem Aussichtspunkt von einem Fuß auf den anderen. Den Ibissen bringt Schabbing Fische und etwas aufgeweichtes Hundefutter. „Das ist sehr eiweißreich - so wie die Insekten, die diese Vögel in der freien Natur fressen.“ Monika Solar hat derweil in einem Mauervorsprung des Eulenklosters einen Turmfalken entdeckt. „Der ist uns verletzt gebracht worden“, so Schabbing. In der freien Natur wäre der Vogel nicht überlebensfähig.

Weiter geht es zu den Brillenkäuzen. Monika Solar streicht über die großen, braunen Federn, die sie im Grün gefunden hat und darf dann einen kurzen Blick auf die Raufußkäuze im Nachbargehege werfen: „Die sind ja klein“, flüstert sie entzückt. Auf der anderen Seite der Scheibe, die das üppig begrünte Gehege von den Besuchern trennt, drückt sich ein kleiner Junge die Nase platt. „Was machen die da drin?“, will er von seiner Mutter wissen und klingt ein bisschen neidisch.

„Wenn ich sauber mache und den Vögeln Futter bringe, schaue ich immer, wie es ihnen geht, ob einer krank wirkt oder brütet“, erzählt Reinhard Schabbing. „Am schönsten ist es, wenn man morgens ein neues Jungtier im Gehege entdeckt.“ Erst neulich habe ein Seelöwe das Licht der Welt erblickt. „Manche Menschen haben die Vorstellung, als Pfleger könne man den ganzen Tag mit den Tieren kuscheln“, fügt der 37-Jährige stirnrunzelnd hinzu. „Die sind dann erstaunt, wenn sie hören, dass es auch zu den Aufgaben gehört, die Näpfe zu spülen und die Futterküche sauber zu halten.“

In diesem Gebäude, das für Besucher normalerweise nicht zugänglich ist, soll Monika Solar ihm jetzt helfen, die kommenden Fütterungen vorzubereiten. Auch Wasservögel (Enten, Flamingos, Pelikane), Kraniche und Marabus sowie - als einzige Säugetiere - chinesischen Muntjaks, eine Zwerghirschart, gehören zum Revier. Monika Solar darf verschiedene Getreide sowie geschrotete Garnelen mischen und in Eimer füllen. „Das ist wie ein großes Müsli“, bemerkt sie schmunzelnd. Zusätzlich gibt es beispielsweise für die Flamingos noch ein Spezialfutter - als Krebsersatz.

„Wollen Sie mal unseren Kindergarten sehen?“, fragt Schabbing. „Ja, klar!“ Monika Solar ist begeistert. Aus dem benachbarten Gebäudeteil dringt lautes Piepsen. In mehreren Boxen kuscheln sich winzige Entchen unter Wärmelampen. Etwas ältere Küken plantschen schon in einem kleinen Becken. Michael Gansel, stellvertretender Leiter des Reviers, erklärt: „Wenn wir die Eier nicht einsammeln, dann machen das die Krähen.“ Weiter hinten im Raum dringt ein mehrstimmiges, forderndes Krächzen aus einer Box. Monika Solar tritt einen Schritt näher, schaut neugierig über den Rand. „Kleine Schwarzstörche“, bemerkt Gansel. Gut zu wissen, denn noch tragen die kleinen Schreihälse weiße Federn. Nur die riesigen Schnäbel lassen ahnen, wie groß die 24 bis 27 Tage alten Geschwister einmal werden.

Zum Abschluss begleitet Monika Solar Reinhard Schabbing zur Abendfütterung durchs Revier. Weißstörche und Dampfschiffenten darf sie selbst füttern. Die Wasservögel nehmen der Praktikantin die Fische sogar aus der Hand. Vergnügt verabschiedet sie sich von dem Tierpfleger: „Wenn mal Not am Mann sein sollte, können Sie mich gerne anrufen, dann helfe ich aus!“

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