StudiengängeBachelor reicht nicht aus

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Die meisten Bachelor-Abschlüsse helfen Absolventen auf dem Arbeitsmarkt nicht weiter. (Bild: Krasniqi)

Die meisten Bachelor-Abschlüsse helfen Absolventen auf dem Arbeitsmarkt nicht weiter. (Bild: Krasniqi)

„Das ist Wahnsinn, was wir hier machen“, sagt Svetlana Protze. Zusammen mit Karina Loskutova brütet die Bachelor-Studentin in der Architektur-Fakultät der Kölner Fachhochschule über einem Entwurf. 45 Prüfungen in drei Jahren, Zeichnungen, Modelle, Pläne, Präsentationen - die Freundinnen stehen voll unter Strom. Und die Materialkosten von bis zu 50 Euro pro Prüfung machen beiden zu schaffen. „Ich habe eine Familie“, sagt Protze. „Da wird es eng, nebenbei Geld zu verdienen.“ Loskutova fühlt sich ausgebremst: „Meine früheren Klassenkameraden studieren Architektur in Lettland und sind mit dem Master fast fertig.“

Am meisten Sorgen bereitet den Studentinnen der Gedanke, dass sie es nicht bis zum Master schaffen könnten. Denn anders als bei den früheren Diplomstudiengängen ist zwischen Bachelor- und Masterstudium eine Hürde eingebaut: Nur wer einen Notendurchschnitt von 2,5 erreicht, kann weiterstudieren. „Die Gefahr, unfreiwillig rausgekickt zu werden, besteht“, sagt Christof Rose, Sprecher der Architektenkammer in Nordrhein-Westfalen (NRW). Den Absolventen des Bachelorstudiums von sechs Semestern bleibt mit ihrer Qualifikation nur das Planungsbüro. Als Architekten arbeiten dürfen sie dann noch lange nicht.

Eine Lösung gibt es, sie ist allerdings umstritten: „Der Bachelor nach acht Semestern wird akzeptiert“, sagt Rose. Mit diesem dürfen Absolventen Kammermitglieder werden und selbstständig arbeiten. In NRW bieten den Abschluss nach acht Semestern drei von zwölf Hochschulen an: In der Universität Siegen und den Fachhochschulen Bochum und Dortmund läuft das Studium nach dem Prinzip „acht plus zwei“- nach acht Semestern Bachelor können zwei Semester Master angehängt werden.

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Studienanfänger überfordert

Mit den parallel existierenden Systemen sind Studienanfänger überfordert. Viele wissen nichts von der Kammerfähigkeit nach acht Semestern. Auch weil die meisten Hochschulen sich an die Bologna-Vorgabe - sechs Semester Bachelor und vier Semester Master - halten.

„Einen Absolventen schon nach sechs Semestern in der Architektenkammer zuzulassen macht keinen Sinn“, sagt Brigitte Caster, Dekanin der Fakultät für Architektur an der FH Köln. „Die Erfahrung nach drei Jahren Studium reicht nicht aus, um als Architekt zu arbeiten.“

Für die Kammern hingegen bedeutet der Eintritt der Absolventen bares Geld: 260 Euro kostet die Aufnahmegebühr, zwischen 100 und 250 Euro liegen die jährlichen Mitgliedsbeiträge. Frisch gebackene Architekten sind verpflichtet, sich auf eigene Kosten fortzubilden. Diese Schulungen sollen fit machen für den deutschen Arbeitsmarkt: 18 000 Konkurrenten warten schon, nur in Italien gibt es mehr Architekten pro Kopf. Ein Viertel davon tummelt sich laut Architektenkammer in NRW. Wer hier rein will, sollte also Optimist sein.

Zef Shllaku ist einer. Der Architekturstudent sieht es so: „Wenn ich etwas wirklich will, dann schaffe ich auch die Hürden unterwegs.“ Die Bachelorarbeit bestand er nach sieben Semestern im Frühjahr 2010. Mit dem Entwurf von Reihenhäusern für einen Stadtteil in Emmerich überraschte er selbst alte Hasen. Der halb ins Wasser, halb an Land geplante Bau überzeugte die Professoren. „Eigentlich sollten nur die besten Diplom-Absolventen ausgezeichnet werden, aber plötzlich gab es auch einen Preis für mich“, sagt Shllaku.

Der gebürtige Albaner hat Zeit und Geld in das Studium investiert. Dabei konnte er auf die Unterstützung seiner Eltern zählen. Das dritte und vierte Semester waren für ihn reine Büffelzeit. Im sechsten Semester arbeitete er neben den Prüfungen täglich in einem Architekturbüro und schob zuletzt für seine Bachelor-Arbeit Nachtschichten. Jetzt ist der 24-Jährige „unterbeschäftigt“. Gerade bewirbt er sich für das Masterstudium in Aachen. Das ist zunächst als Zwischenlösung gedacht. Seine erste Wahl ist Zürich: Er will an die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH), eine angesehene Hochschule, die den offenen Master „Konstruieren und Entwerfen“ anbietet.

Die meisten deutschen Hochschulen richten das Masterstudium auf Spezialgebiete aus. An der Kölner Hochschule werden zum Beispiel die Schwerpunkte „Projektmanagement“, „Energieoptimiertes Bauen“ sowie der europaweit erste Master in „Corporate Architecture“ (dieser zielt darauf ab, Unternehmensidentität durch Architektur zu schaffen).

Doch Shllaku will sich durch Spezialisierung nicht den Weg versperren. Der Schweizer Master wäre ein international vergleichbares Studium. Eines, wie es die „Union Internationale des Architectes“ fordert, mit fünf Jahren Studienzeit. Noch fehlen Shllaku nach dem Bachelor-System 30 Leistungspunkte und ein Jahr Praxiszeit, bevor er den Weg nach Zürich einschlagen kann. Doch die Hürden unterwegs hat er bisher immer geschafft.

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