Wenn Linkshänder mit rechts hantieren

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Mechthild Braun (68) ist Studienberaterin an der FH Köln. Kostenlose telefonische Erstberatung montags und mittwochs 17 bis 19 Uhr unter Tel.: 02295/902415.

Mechthild Braun (68) ist Studienberaterin an der FH Köln. Kostenlose telefonische Erstberatung montags und mittwochs 17 bis 19 Uhr unter Tel.: 02295/902415.

Zwang steckt heute meist nicht mehr dahinter, wenn ein Linkshänder mit der rechten Hand schreiben lernt. Mit der Linkshänder-Beraterin Mechtild Braun sprach Susanne Issig.

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Frau Braun, werden linkshändige Kinder heute noch in der Schule auf rechts umgepolt?

MECHTILD BRAUN: Nur noch ganz selten. Aber in den Elternhäusern und in Kindergärten ist leider immer noch die Rede vom „schönen“ und vom „bösen Händchen“. So kommen Linkshänder schon umtrainiert in die Schule. Und gar nicht selten schulen sich gerade pfiffige Kinder schon vor der Schule selbst auf rechts um, indem sie das Hantieren mit Stift, Schere oder Besteck eifrig so nachahmen, wie sie es in ihrem Umfeld sehen.

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Welche Verhaltensweisen eines Kindes können auf eine nicht entdeckte Linkshändigkeit hinweisen?

BRAUN: Typisch wären häufige Buchstaben- und Zahlendreher oder auch, dass das Kind dazu neigt, Spiegelschrift zu schreiben. Diese Kinder schreiben mit rechts meist mit sehr viel Druck, weil sie dabei verkrampfen. Verkannte Linkshänder zeigen darüber hinaus häufig Symptome wie Unruhe, aggressives Verhalten - das verstärkt sich mit zunehmendem Alter -, Konzentrations- und Lernschwächen, Müdigkeit. Auch Stottern, Bettnässen, Kopfschmerzen können auftreten. Immer wieder habe ich Kinder kennen gelernt, die als Legastheniker oder als hyperaktiv eingestuft wurden, bei denen aber die verdeckte Linkshändigkeit der Auslöser ihrer Probleme war.

Was können Eltern tun, die unsicher sind, ob ihr Kind Linkshänder ist?

BRAUN: Zunächst würde ich empfehlen, sich auf der Internetseite und in den Büchern der Expertin Barbara Sattler eingehend zu informieren. Wer dann konkrete Fragen hat, kann mich anrufen, ich vermittle auch weiter an geschulte Therapeuten und Berater in der Region.

Sind Grundschullehrerinnen darauf vorbereitet, auf die Händigkeit zu achten?

BRAUN: Leider noch zu wenig. Ich habe schon Seminare für Grundschullehrer gehalten, bei denen gut zwei Drittel der Teilnehmer selbst sagten, dass sie nicht genügend zu diesem Thema wussten.

Wie können Lehrerinnen und Eltern Linkshändern das Schreibenlernen erleichtern?

BRAUN: Ganz wichtig ist, das Blatt oder Heft nach rechts zu kippen. Die linke Hand bleibt dann beim Schreiben unter der Zeile und wischt nicht über das Geschriebene. Es gibt auch spezielle Schreibtischauflagen, die das unterstützen. Für Schreibanfänger empfehle ich besonders weiche Bleistifte, nicht die üblichen HB-Modelle, sondern B2. In der Schule sollte ein links schreibendes Kind immer links neben seinem rechts schreibenden Tischnachbarn sitzen, damit sich die beiden nicht ins Gehege kommen.

Ist es sinnvoll, ein linkshändiges Kind, das rechts schreiben gelernt hat, auch in der dritten oder vierten Klasse noch „zurückzuschulen“?

BRAUN: Das kommt ganz auf das Kind und sein Umfeld an. Vor allem muss das Kind es selbst wollen. Generell gilt: Je später man einen umgepolten Linkshänder zurückschult, desto schwieriger wird es. Zweifel bezüglich der Händigkeit sollten möglichst früh abgeklärt werden, am besten im Kindergartenalter. Das Unterdrücken der Linkshändigkeit kann sich negativ auf die gesamte Entwicklung auswirken, gerade auch auf die psychische. Es lohnt sich allemal, genau hinzusehen.

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