Ausmaß der FlutkatastropheWetterdienst widerspricht Umweltministerin Heinen-Esser

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Bad Münstereifel nach der Flut

So sah es in Bad Münstereifel einen Monat nach der verheerenden Flut aus

Köln/Düsseldorf – „Eine Bemerkung noch“, sagt Guido Halbig vom Deutschen Wetterdienst (DWD) beim Presse-Hintergrundgespräch mit NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser. Die CDU-Politikerin hat zuvor gesagt, dass die „Kurzfristigkeit des Ereignisses in seiner Wucht“ bei der Juli-Flut aufgrund der vorliegenden Informationen nicht vorhersehbar gewesen seien.

Das will der per Videokonferenz zugeschaltete Leiter der DWD-Niederlassung Essen aber nicht unkommentiert lassen. Ja sicher, „es war zwar ein bisher nicht dagewesenes Ereignis“, sagt Halbig. „Es war aber zumindest in der Niederschlagsmenge gut vorhersehbar. Man konnte es schon deutlich viele Tage vor dem Ereignis prognostizieren. Also nicht wo genau, aber wir wussten schon, dass es zu Teilen ein sehr heftiges Ereignis werden wird und dass es durch Gewitter noch verstärkt sein wird“.

Ex-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU)

Ex-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU)

Die unterschiedliche Sichtweise, vor einigen Tagen eher beiläufig geäußert, hat sich mittlerweile zu einem handfesten Streit entwickelt. In einem 502 Seiten starken Bericht zur Hochwasser-Katastrophe attestiert das Ministerium den untergeordneten Bezirksregierungen zunächst, sie hätten alles richtig gemacht. Auch das „Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz“ (Lanuv), das in einem täglichen „hydrologischen Lagebericht“ analysiert, was die vom Wetterdienst gelieferten meteorologischen Daten für einzelne Flüsse und Pegelstände bedeuten könnten, sei seinen Verpflichtungen in der Krise „vollumfänglich nachgekommen“, heißt es in dem Papier.

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Direkt im Anschluss wird der Schwarze Peter dann in Richtung Wetterdienst geschoben. Der habe in einem „relevanten Punkt nicht präzise“ informiert. Der Zeitraum für den zu erwartenden Niederschlag vor dem 14. Juli sei überwiegend mit „bis Donnerstag früh“ oder für die „nächsten 48-60 Stunden“ angegeben worden. Vielerorts sei der Regen aber in viel kürzerer Zeit gefallen. Dennoch habe das Lanuv „frühzeitig eine Außergewöhnlichkeit der Ereignisse, soweit das nach den DWD-Meldungen möglich war – also nicht im vollen Umfang –, erkannt und die Information“ unter anderem an die Kreise und kreisfreien Städte versandt.

Ungenaue Warnung?

Zu ungenau gewarnt? Der Deutsche Wetterdienst weist den Vorwurf zurück. Das „Ereignis“ sei sehr wohl „meteorologisch erkennbar und vorhersagbar“ gewesen. Schon frühzeitig habe der DWD „vor länger anhaltenden, gewittrig und mit Starkregen durchsetzen Niederschlagsereignissen mit bisher in der Region zuvor kaum dagewesenen Niederschlagsmengen bis 200 Liter pro Quadratmeter in 48 Stunden und in einer großen Fläche“ berichtet.

Die Schwierigkeit bei so einer Wetterlage sei die punktuelle Vorhersage, wo genau Gewitter und Starkregen auftreten. Diesem Umstand indes habe „das Warnmanagement in vollem Umfang Rechnung getragen“, erklärt der DWD und verweist auf seine Mitteilungen. In der Tat hatte der Dienst bereits am 10. Juli, vier Tage vor der Katastrophe, ein „markantes Niederschlagsereignis“ für die betroffene Region angekündigt.

Tags darauf, gegen elf Uhr, wurde die Vorhersage präzisiert. „Am Mittwoch in einem Streifen von Saarland-Eifel bis nach NRW erhöhte Unwettergefahr durch ergiebigen Dauerregen mit teils deutlich über 100 Liter pro Quadratmeter in 24 Stunden“, hieß es. Zum Vergleich: In Köln sind seit 1991 durchschnittlich 800 Liter pro Quadratmeter im Jahr gefallen.

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Am Montag den 12. Juli um 10.20 Uhr erweitert der DWD seine Prognose: „Bis Donnerstagfrüh können aufsummiert örtlich begrenzt Regenmengen von bis zu 200 Liter/qm auftreten“, heißt es in der „Vorabinformation Unwetter“. „Das Auftreten und die örtliche Eingrenzung“ indes seien „noch sehr unsicher“. Am Abend gegen 18 Uhr wurde die Vorabinformation durch die erste konkrete Unwetterwarnung ergänzt: „Akkumuliert sind bis Donnerstagfrüh strichweise deutlich höhere Regenmengen zwischen 100 und 150 Liter pro Quadratmeter möglich.“

Warnung am 13. Juli

Morgens um 10.30 Uhr ist am 13. Juli dann schon von bis zu 180 Liter Regen pro Quadratmeter die Rede. Zudem heißt es: „Lokal können diese Mengen durch eingelagerte Gewitter auch noch höher ausfallen, so dass punktuell akkumuliert um 200 Liter pro Quadratmeter nicht auszuschließen sind.“

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Am 14. Juli, dem ersten der beiden Unglückstage, schrillen die Alarmglocken endgültig. Örtlich begrenzt könne auch ein Starkregen von „über 200 Liter pro Quadratmeter“ nicht mehr ausgeschlossen werden, teilt der Wetterdienst um 7.40 Uhr mit. Um 9.08 Uhr liefert er eine Karte mit den vermutlich betroffenen Gebieten. Auf der, wie sich im Laufe des Abends herausstellt, auch die tatsächlich verwüsteten Regionen sind. Und in einigen weiteren Berichten, die speziell für Behörden oder begrenzte Regionen erstellt werden, heißt es zudem: „Das Unwetter-Ereignis wird verbreitet erwartet.“

Dieser Satz sei von den Fachleuten in den Behörden so verstanden worden, „dass die Aussage, dass ein Unwetter auftreten wird, durch verschiedene Wettermodelle gestützt wird“, heißt es im Bericht des Umweltministeriums. Im Nachhinein jedoch könne er jetzt aber auch „so verstanden werden, dass eine ungewöhnlich hohe räumliche Ausbreitung des Niederschlags zu erwarten sei“, räumen die Berichterstatter ein.

"Infomationen nicht genutzt"

Beim Wetterdienst will man sich auf solch ein Gedankenspiel nicht einlassen. „Das bestehende Beratungsangebot des DWD mit direktem Austausch wurde nach uns vorliegenden Informationen augenscheinlich zu wenig genutzt“, heißt es dort. Umweltministerin Heinen-Esser will die Wogen jetzt offenbar glätten. „Unzweifelhaft hat der DWD vor extrem ergiebigem Dauerregen und Unwettern gewarnt“, betonte sie am Donnerstag auf Anfrage: „Das Problem, und dies ist ja kein Vorwurf, ist die bisher noch fehlende Möglichkeit einer besseren räumlichen und zeitlichen Präzisierung derartiger Ereignisse.“

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