DigitalisierungiPad ersetzt an Schulen im Kreis Euskirchen den Atlas nicht

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Der Unterricht selbst, aber auch die Arbeit der Schüler ist in den vergangenen Jahren digitaler geworden.

Der Unterricht selbst, aber auch die Arbeit der Schüler ist in den vergangenen Jahren digitaler geworden.

Die Corona-Pandemie hat im Kreis Euskirchen die Digitalisierung an den Schulen beschleunigt. Im Alltag klappt aber nicht alles wie gewünscht.

OneNote statt Collegeblock und Hausaufgabenheft. Der Elternbrief kommt per E-Mail. Das Smartboard hat den Overhead-Projektor aus dem Klassenzimmer verdrängt. Der Unterricht an den Schulen im Kreis Euskirchen ist digitaler geworden.

Michael Mombaur, Leiter der Marienschule in Euskirchen, bezeichnet die Corona-Pandemie als „Katapult für die Digitalisierung“. In Sachen digitaler Unterricht sei man plötzlich mit Siebenmeilenstiefeln unterwegs gewesen. Zuletzt ist es aber ein wenig ruhiger geworden – zu ruhig, wie viele Schulleitungen im Gespräch mit dieser Zeitung zu Protokoll geben.

Mehrere Tausend iPads für Schüler aus dem Kreis Euskirchen

Nicht so in Schleiden. Dort sind nach Angaben von Bürgermeister Ingo Pfennings 1265 Mobil-Endgeräte für die städtischen Schulen und 265 Mobil-Endgeräte für die Astrid-Lindgren-Schule (die Trägerschaft der Sonderschule liegt beim Kreis) beschafft worden, die durch die Stadt Schleiden verwaltet werden. Seit 2021 verfolge die Stadt zudem die Strategie der 1:1-Ausstattung der Schüler mit iPads ab der dritten Klasse.

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Des Weiteren seien seit 2020 insgesamt 27 digitale Tafelsysteme für die städtischen Schulen und elf digitale Tafelsysteme für die Astrid-Lindgren-Schule installiert worden, so der Schleidener Verwaltungschef.

Digitalisierung an Schulen ein fortlaufender Prozess

Laut Torsten Beulen, Pressesprecher der Stadt Zülpich, sind an den Zülpicher Schulen 1113 digitale Endgeräte im Einsatz. Seit der Digitalisierungsoffensive 2020/2021 verfügen alle Zülpicher Schulen über eine zeitgemäße Netzwerkinfrastruktur mit Glasfaseranschluss und flächendeckendem WLAN – wohl wissend, dass Digitalisierung ein fortlaufender Prozess sei, so Beulen.

Ein Prozess sei auch die Integration von digitalen Medien in den Unterricht, sagt Georg Jöbkes, Leiter des Johannes-Sturmius-Gymnasiums in Schleiden: „Viele Kollegen haben sich früher gefreut, wenn der Overhead-Projektor funktioniert hat. Da will die Digitalisierung auch mit Bedacht angegangen werden. Die Kollegen sind gut beraten, die Dinge zu nutzen, mit denen sie umgehen können.“

Am Collegeblock komme man aktuell noch nicht vorbei. „Wir haben noch wenig Erfahrung mit Prüfungsformaten im digitalen Format.“ Das habe mit dem hohen Steuerungsaufwand rund um eine Prüfung zu tun. So müsse man sicherstellen, dass das Gerät nicht genutzt wird, um im Internet die Ergebnisse zu recherchieren. Deshalb finde im Moment noch das Abitur am Sturmius-Gymnasium auf dem Papier statt.

iPad kann Atlas im Unterricht nicht ersetzen

Und auch im Unterricht hat das iPad das Schulbuch noch nicht verdrängt. Dafür gibt es laut Jöbkes mehrere Gründe. Ganze Schulbücher als E-Book aufs digitale Endgerät zu bekommen, sei schwierig. Allein aus Kostengründen, erklärt Jöbkes: „Es war lange Zeit ungeklärt, ob Mittel der Lehrmittelfreiheit für Lizenzen verwendet dürfen."

Eine Lizenz gelte für ein Jahr, ein Buch sei aber über viele Jahre einsetzbar. „Das eine finanziert aus dem Aufwandshaushalt, das andere ist ein geringfügiges Wirtschaftsgut. Das sind zwei Haushaltstöpfe“, so der Schulleiter.

Digitale Schulbücher teilweise zu groß fürs Schul-iPad

Bei einigen Verlagen seien die Datenmengen zudem sehr üppig. „Wenn man das Gesamtpaket, das mit dem E-Book meist verknüpft ist, nutzen möchte, lädt man sich das E-Book aufs iPad. Das hat aber nur 32 GB Speicherkapazität. Ich bekomme aber nicht das Recht, das Buch in der Cloud zu speichern. Das ist alles sehr schwierig“, erläutert Jöbkes, der als Erdkundelehrer weiß, wovon er spricht, wenn er sagt: „Schulbücher haben auch Vorteile gegenüber dem iPad.“

Einen Atlas könne ein iPad nicht so schnell ersetzen. „Allein schon, um zu recherchieren und sich Notizen zu machen. Wenn ich mir ’ne Weltkarte öffnen und die globalen Handelsbeziehungen ansehen und das auf dem Bildschirm komprimieren möchte, dann bleibt nicht mehr viel, was ich gut erkennen kann“, so Jöbkes. „Wir waren schon vor dem Brand 2018 relativ weit, was die multimediale Ausstattung angeht“, so der Schulleiter weiter.

Wie groß dabei der Mehrwert war, war und ist auch von der Unterrichtsgestaltung abhängig.
Georg Jöbes, Leiter des Johannes-Sturmius-Gymnasiums in Schleiden

So habe bereits vor fünf Jahren jeder Klassenraum über einen fest installierten Laptop, einen Beamer und eine Dokumentenkamera verfügt. „Wie groß dabei der Mehrwert war, war und ist auch von der Unterrichtsgestaltung abhängig“. Mittlerweile gebe es am Sturmius-Gymnasium auch ein digitales Klassen- und Notizbuch. „Das kann das Hausaufgabenheft ersetzen“, sagt Jöbkes: „Wir haben uns immer bemüht, einen geschmeidigen Übergang hinzubekommen.“

Der Lehrerberuf sei spätestens durch die Corona-Pandemie digitaler geworden. „Das, was wir früher in Papierform an die Eltern geschickt haben, kommt heute per Mail“, sagt er.

Digitalisierung an Schulen auch eine Herausforderung

Die Ausstattung mit iPads sei das eine, doch es gebe bei der Digitalisierung einen anderen wichtigen Aspekt, sagt Henning Schneider, stellvertretender Leiter der Gesamtschule Eifel in Blankenheim. Er habe zuletzt ein Gespräch in seinem Oberstufenkurs mitbekommen. Da habe eine Schülerin davon gesprochen, dass sie auf Instagram nicht selbst sein könne, sich praktisch eine zweite Identität aufgebaut habe. „Da bin ich hellhörig geworden. Da müssen wir pädagogisch gehörig aufpassen und entgegenwirken“, sagt Schneider.

Durch die Digitalisierung sei auch die Distanz zwischen Lehrern und Eltern geringer geworden. Kritik oder Wünsche würden nun „mal eben“ über Teams geäußert – zu jeder Tages- und Nachtzeit. „Häufig wird direkt an den Schulleiter geschrieben, anstatt zunächst mit dem Klassenlehrer zu reden. Und ich meine wirklich reden“, sagt Torsten Wanasek, Leiter der Hermann-Josef-Grundschule in Euskirchen.

Realschule in Bad Münstereifel: Sind keine Vorreiterschule bei der Digitalisierung

Andrea Cosman, Leiterin der Realschule in Bad Münstereifel, fügt hinzu: „Die Digitalisierung hat nicht nur mehr Endgeräte in die Schule gebracht, sondern bei den Kollegen ist auch die Bereitschaft gewachsen, sich digitalen Dingen zu öffnen.“

Perspektivisch soll ein weiterer Klassensatz iPads beschafft werden, die aber in der Schule verbleiben sollen. „Man kann schließlich nicht nur ein Mathebuch zu Hause vergessen, sondern auch das digitale Endgerät“, so Cosman, die die Ausstattung ihrer Schule realistisch einordnet: „Wir sind bei der Digitalisierung keine Vorreiterschule, aber wir haben dafür eine recht lange Erfahrung.“

Und der Unterricht? Das klappt mal mehr, mal weniger gut. So gibt es in einigen Schulen immer mal wieder „weiße Flecken“ – dort funktioniert das WLAN nicht. Eine Grundschullehrerin, die nicht namentlich genannt werden will, ist zufrieden. „Was die Digitalisierung angeht, ist das ja überall anders. Wir sind sehr gut aufgestellt, und ich möchte meine digitale Tafel nicht missen. Analoges und digitales Lernen ist bei uns in einem Gleichgewicht, was ich persönlich sehr gut finde“, sagt die Pädagogin.


Das Land unterstützt die Schulträger bei der Digitalisierung der Schulen. Durch den „Digitalpakt Schule“ und die damit verbundenen Zusatzvereinbarungen stehen nach Angaben des NRW-Schulministeriums insgesamt rund 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung.

„Aktuell laufen Gespräche zwischen Bund und Ländern über den Digitalpakt 2.0, der im Sinne der Schulen und Schulträger weitergehende Möglichkeiten zur Finanzierung der schulischen IT-Infrastruktur ermöglichen soll“, sagt eine Sprecherin des Ministeriums auf Nachfrage. Dass die Mittel aus dem „Digitalpakt Schule“ bereits vollständig von den Schulträgern beantragt wurden, zeige den hohen Stellenwert, den die Digitalisierung genieße.

Über die Mittel aus dem „Digitalpakt Schule“ hinaus haben Bund, Land, Kommunen und EU mehrere hundert Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um sämtliche rund 200 000 Lehrerinnen und Lehrer sowie rund 750 000 Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen mit digitalen Endgeräten auszustatten. Die Digitalisierung der Schulen sei somit bereits in vielen Aspekten weit vorangeschritten, die Pandemie habe diesen Prozess beschleunigt, so die Sprecherin.

Um zeitgemäßen Unterricht zu ermöglichen, werden laut Ministerium ständig auch neue Entwicklungen beachtet. Ein Beispiel sei der Umgang mit Künstlicher Intelligenz, wie Chat GPT. „Hier hat das Ministerium für Schule und Bildung kürzlich ein umfassendes Angebot zum Umgang herausgebracht“, heißt es aus dem Ministerium. (tom)

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