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Abschied aus der Politik
Dorothee Kroll hat im Euskirchener Rat für die grüne Sache gestritten

5 min
Dorothee Kroll sitzt vor einem Regal, links im Bild sind Blumen zu sehen.

Als Kind des Ruhrgebiets war Dorothee Kroll klar, dass sie mit ihrer Art manchmal aneckte.

Nach 31 Jahren gehört Dorothee Kroll nicht mehr dem Euskirchener Stadtrat an. Sie will ein politischer Mensch bleiben.

Was heute undenkbar ist, war 1989 normal: Im Sitzungssaal qualmten nicht nur die Köpfe, sondern auch Zigaretten und andere Glimmstängel, wenn der Euskirchener Rat oder seine Ausschüsse tagten.

„Wer das nicht wollte, musste am Anfang der Sitzung einen Antrag stellen. Dem wurde dann stattgegeben. Die Raucher waren dann sauer. Wenn der Antrag aber zu spät kam, saß man wenig später in einer Räucherbude“, erinnert sich Dorothee Kroll, die in besagtem Jahr ihre lokalpolitische Laufbahn begonnen hatte, als Sachkundige Bürgerin der Grünen im Liegenschaftsausschuss. 1994 zog sie in den Rat ein, in dem sie ohne Unterbrechung 31 Jahre mitmischte. Die jüngste Kommunalwahl besiegelte das Ende dieser Zeit.

Platz neun auf der Reserveliste der Grünen in Euskirchen reichte nicht

Der Ortsverband von Bündnis 90/Die Grünen hatte die Frau, die er so häufig als Spitzenkandidatin ins Rennen schickte, nur noch auf Platz neun der Reserveliste platziert. Das reichte nicht. Als Sachkundige Bürgerin wird sie ihre Partei auch nicht mehr vertreten. So habe es die neue Kernfraktion beschlossen, sagt sie im Gespräch, in dem sie auf ihre vielen Jahre im Rathaus zurückblickt.

Die Euskirchener Politik ohne Dorothee Kroll – daran wird man sich erst einmal gewöhnen müssen. Die Mutter von fünf Kindern und pensionierte Lehrerin, die gerade das 70. Lebensjahr vollendet hat, war immer bestens auf die Tagesordnung vorbereitet, schöpfte aus einem reichen Erfahrungsschatz und ging keiner Auseinandersetzung aus dem Weg, selbst auf die Gefahr hin, andere zu nerven.

Das Reaktorunglück von Tschernobyl rüttelte Dorothee Kroll wach

Kroll wuchs in Mülheim an der Ruhr auf, machte nach dem Abitur eine Banklehre, studierte in Essen Wirtschaftswissenschaften, wechselte zum Lehramtsstudium mit den Fächern Sozialwissenschaften und Katholische Theologie in Duisburg.

Zur Initialzündung für ihr Engagement bei den Grünen kam es 1986 im Referendariat, als sie in einer Religionsstunde die Zerstörung der Natur durch den Menschen thematisierte. Das sei im Fach Religion aber „vielleicht doch zu politisch“, habe ihr Ausbilder sie kritisiert, sagt Kroll. Auf der Heimfahrt hörte sie im Radio, dass in Tschernobyl der Atomreaktor brenne.

Unterschriften für eine Kita gesammelt

„Da wusste ich, dass ich ein aktuelles Thema aufgegriffen hatte. Ich war damals schwanger. Überall war die Verunsicherung groß. Das war für mich ein einschneidendes Erlebnis.“ Der Beruf ihres Mannes führte sie nach Abschluss der Referendariatszeit 1988 nach Palmersheim, wo sie als Mutter schmerzlich einen Kindergarten vermisste.

Ein Mitstreiter und sie sammelten Unterschriften für den Bau einer Kita („Die kam dann 1993“), was sie zu den Grünen brachte, „denn die kümmerten sich als einzige Partei ernsthaft um unser Anliegen“. Mit ihrem Einzug in den Stadtrat 1994 eröffnete sich gleich die Gelegenheit, in Euskirchen grüne Politik zu machen: Es begann eine Legislaturperiode, in der die Ökopartei und die SPD als Koalition im Rat dominierten, wenn auch nur mit einer Stimme Mehrheit.

Bis dahin hatten wir aber einige wichtige Ziele erreicht.
Dorothee Kroll

Schon 1999 endete diese Phase. „Bis dahin hatten wir aber einige wichtige Ziele erreicht“, betont Kroll und nennt Beispiele: Die Stadt hatte die Verkehrsgesellschaft SVE gegründet, die Quote der Versorgung mit Kindergartenplätzen war auf 100 Prozent gestiegen, es gab eine Baumschutzsatzung.

„Die hat die CDU nach ihrem Wahlsieg 1999 allerdings wieder abgeschafft.“ Nicht zuletzt war es der Koalition gelungen, in Kurt Kuckertz einen SPD-Mann als ersten hauptamtlichen Bürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg zu installieren. Freilich knirschte es bald auch gehörig im Koalitionsgebälk.

1996 wurde Dorothee Kroll Fraktionsvorsitzende in Euskirchen

Den Vorwurf, den der langjährige SPD-Stadtverordnete Josef Schleser kürzlich in dieser Zeitung äußerte – „Die Grünen waren häufig nicht kompromissbereit“ –, weist Kroll zurück: „Zu Uneinigkeit und Streit kam es eher, weil die SPD oft nicht mehr wusste, was sie so alles im Koalitionsvertrag unterschrieben hatte.“ 1996 übernahm Kroll als Nachfolgerin von Uwe Strang den Fraktionsvorsitz.

Sie hatte nach neunjähriger Wartezeit endlich eine Stelle als Lehrerin bekommen und im selben Jahr ihr fünftes Kind zur Welt gebracht. „Das waren wirklich stressige Zeiten.“ In den Jahren danach warf man Kroll, der unermüdlichen, ja hartnäckigen Streiterin für soziale und ökologische Belange, oft vor, die Arbeit der Stadtverwaltung zu kritisch zu bewerten.

Ich komme aus dem Ruhrgebiet. Da redet man Fraktur. Es ist klar, dass ich mit meiner Art manchmal anecke.
Dorothee Kroll

„Das ist aber doch genau die Aufgabe der Politik: die Verwaltung kritisch begleiten“, unterstreicht sie. „Das heißt doch nicht automatisch, dass man als Fundamentalopposition auftritt.“ Kroll sagt auch: „Ich komme aus dem Ruhrgebiet. Da redet man Fraktur. Es ist klar, dass ich mit meiner Art manchmal anecke.“

Schwerpunkte ihrer Ratsarbeit waren die Bereiche Schule, Soziales sowie Umwelt und Planung. „In Sachen Umwelt- und Klimaschutz läuft in Euskirchen nach wie vor zu wenig“, sagt sie. „Das Gleiche gilt für den öffentlich geförderten Wohnungsbau. Andere Städte machen es uns mit festgelegten Quoten für Neubaugebiete vor. Da ginge auch bei uns mehr – man muss es nur wollen.“

Ihre Haushaltsreden hatten einen kabarettistischen Einschlag

Schlimm fand sie 2007 die Entscheidung der Stadt, ein Jahr nach dem benachbarten Hallenbad auch das Freibad am Keltenring zu schließen. „Wir Grüne wollten damals ein Kombibad mit einem Dach, das man öffnen kann. Die Mehrheit war aber dagegen, so dass die Kernstadt jetzt schon 18 Jahre kein Freibad mehr hat.“

Auf der Positivseite ihrer politischen Bilanz nennt sie zuallererst das Stadtbussystem und Euskirchens gute Ausstattung mit Kindergartenplätzen. Was das Persönliche angeht, ist sie durchaus stolz auf ihre vielen jährlichen Haushaltsreden mit kabarettistischem Einschlag.

„Unschön“ nennt sie, ohne ins Detail gehen zu wollen, was ihr am Schluss bei den Grünen widerfuhr: Zuerst wurde sie nach fast 27 Jahren als Fraktionssprecherin abgewählt, dann reichte die Unterstützung der Partei nicht mehr für einen Wiedereinzug in den Rat. „Das ist traurig, andererseits vielleicht aber doch gut“, sagt die Palmersheimerin, die auch 16 Jahre dem Euskirchener Kreistag angehörte und mehrere Jahre Kreissprecherin von Bündnis 90/Die Grünen war.

„Mit 70 kann man aufhören, oder? Auf jeden Fall habe ich jetzt mehr Zeit für mich selbst und meine Gesundheit.“ Mehr Zeit auch für ihre geliebten Hobbys: Lesen – vor allem Krimis –, Backen und Kabarett. Unabhängig davon steht für Dorothee Kroll eines fest: „Ich bleibe ein politischer Mensch.“