Die „Jesus lebt!“-Plakatwand war in Euskirchen stadtbekannt. Jetzt wird sie mitsamt des dazugehörigen Gebäudes abgerissen.
„Jesus lebt!“Schandfleck in Euskirchen wird abgerissen – Neubau für 1,1 Millionen Euro

Die ehemaligen Stallungen und Tröge der Pferdehandlung an der Wilhelmstraße sind noch gut zu erkennen.
Copyright: Tom Steinicke
„Heute reißen wir die Hütte ab“, sagte Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt. Einen Moment später griff er zum Vorschlaghammer und ließ seinen Worten Taten folgen – wenn auch nur symbolischer Art. Die Euskirchener Baugesellschaft (Eugebau) hat am Freitag mit dem Abriss des stark beschädigten Gebäudes an der Wilhelmstraße 16 begonnen. Das Haus, das vor allem durch die Plakatwand bekannt ist, an der über viele Jahre der Slogan „Jesus lebt“ prangte, war ein Schandfleck mitten in der Innenstadt.
Das Gebäude, ein ehemaliger Gewerbebau mit langer Vorgeschichte, stand seit Jahrzehnten leer und war durch die Schäden, die die Flutkatastrophe 2021 angerichtet hatte, nicht mehr zu retten. Eine Sanierung sei unmöglich gewesen, erklärte Pia Berners von der Eugebau. Die Stadt hatte das Grundstück 2021 erworben. Sie ist Mehrheitsgesellschafterin der Eugebau, die sich nun um die Entwicklung kümmert.
An der Wilhelmstraße entsteht ein Neubau mit drei Wohnungen
Nach dem Abriss soll ein modernes Mehrfamilienhaus mit drei barrierefreien Wohnungen gebaut werden. Der Entwurf für das Haus mit drei Vollgeschossen plus Staffelgeschoss stammt vom Eugebau-Architekten Adam Fray. Die Wohnungen werden zwischen 52 und 60 Quadratmetern groß sein. Das Erdgeschoss dient, wie bereits bei dem Eugebau-Projekt mit der auffälligen Moosfassade an der Veybachstraße/Wilhelmstraße, als Kellerersatz.
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Hinter dem Gebäude entsteht ein großzügiger Innenhof mit kleinen Mietergärten für alle drei Parteien. Dabei soll laut Berners auch die Stadtmauer wieder sichtbar gemacht werden. Die Fertigstellung ist für Mitte 2027 geplant. Die Baukosten liegen voraussichtlich bei rund 1,1 Millionen Euro.

Für die Werbetafel war das Gebäude bekannt.
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Zum Vorschlaghammer griff Bürgermeister Sacha Reichelt.
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So soll das Gebäude nach der Fertigstellung 2027 aussehen.
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Die Wohnungen sollen aber zu einem „preisdämpfenden Mietniveau“ angeboten werden, heißt es von der Eugebau. Ein Wohnberechtigungsschein sei nicht erforderlich. Bürgermeister Reichelt würdigte das Projekt als wichtigen Beitrag zur Aufwertung der Innenstadt: „Das Gebäude war über viele Jahre ein Schandfleck. Jetzt schaffen wir hier echten Mehrwert.“
Die Eugebau will laut Berners an der Wilhelmstraße ein weiteres Projekt realisieren. Auf dem Parkplatz neben der Diskothek „Porto Bello“ will die Baugesellschaft ebenfalls ein mehrgeschossiges Wohngebäude errichten – und das, nachdem laut Berners drei Anläufe, dieses Areal zu entwickeln, aus unterschiedlichen Gründen gescheitert waren.
Haus war einst die Pferdehandlung einer jüdischen Familie
Wer sich die angrenzenden Gebäude anschaut – ein Optiker und eine Pizzeria, die nach der Flut nicht wiedereröffnet hat – kann erahnen, dass dort ein höheres Haus gestanden haben muss. Die Entstehungsgeschichte des Gebäudes ist jedoch unklar. Fest steht, dass die jüdische Familie Schwarz dort eine Pferdehandlung betrieben hat, Markus Schwarz, seine Frau Johanna und seine Tochter Erna Amalie wohnten auch dort.
Im Oktober 1938 war die Familie gezwungen, den Betrieb einzustellen. „Im März 1939 floh das Ehepaar nach Südafrika, wo seine Tochter bereits seit 1938 lebte“, so Sabine Dünnwald, Leiterin des Euskirchener Stadtarchivs. Insgesamt seien 5500 jüdische Bürger aus dem damaligen Deutschen Reich nach Südafrika geflüchtet.

