Gewalt in NRW-StadienKölner Polizei setzt Hoffnung in den neuen FC-Vorstand

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Polizisten bei einem Heimspiel des 1. FC Köln im Rhein-Energie-Stadion

  • Die Einsatzbilanz der NRW-Polizei bei Fußballspielen in der vergangenen Saison fällt ernüchternd aus.
  • 530.000 Arbeitsstunden haben Polizisten bei Partien in den ersten vier Ligen geleistet – ein Plus von sechs Prozent.
  • Landesjustizminister Peter Biesenbach fordert eine Beteiligung der Vereine an den Einsatzkosten bei sogenannten Risikospielen.
  • Und bei der Kölner Polizei wartet man gespannt darauf, wie sich der neue FC-Vorstand in Sachen Ultras positioniert.

Köln/Düsseldorf – 2554 Festnahmen, 1357 Strafverfahren, 276 verletzte Personen und 530.000 Stunden, die Hundertschaften damit verbracht haben, 586 Spiele in den ersten drei Ligen und der Regionalliga West in Nordrhein-Westfalen vor Randale und Ausschreitungen zu schützen. Das ist die Polizeibilanz für die Saison 2018/19 – und die fällt ernüchternd aus.

Knapp 3900 Personen seien in den ersten drei Ligen als gewaltbereit oder zumindest gewaltsuchend einzustufen, heißt es in dem Bericht, eine „Trendwende ist damit weiterhin nicht erkennbar“. Allein für Einsätze in den beiden Bundesligen und im DFB-Pokal musste die NRW-Polizei 371.557 Arbeitsstunden leisten – ein Plus von sechs Prozent gegenüber der Vorsaison. Rein statistisch waren 2018/19 laut Bericht damit 285 Polizeikräfte ausschließlich mit Fußball beschäftigt. Damit liegt NRW deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Dort stieg die Arbeitsbelastung um 4,5 Prozent.

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„Ich bin der Meinung, dass die Bundesligavereine zumindest bei Hochrisikospielen, die einen verstärkten Personalaufwand bedeuten, an den Einsatzkosten beteiligt werden müssen. Mit diesen Einnahmen könnten wir zwei neue Einsatzhundertschaften in NRW finanzieren“, sagt NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU). „Ich vertrete diese Position schon seit langem, obwohl ich weiß, dass ich dafür im Kabinett keine Mehrheit habe.“

Der Justizminister war Augenzeuge, als beim Bundesligaspiel des 1. FC Köln gegen Borussia Mönchengladbach am 14. September durch einen Böllerwurfrund 20 Menschen verletzt wurden. „Ich habe unseren Staatsanwalt beim Spiel gegen Mönchengladbach begleitet und mir einen plastischen Eindruck davon verschafft, vor welchen Herausforderungen Polizei und Justiz an den Bundesligaspieltagen stehen.“

Vereine und Polizei müssen gemeinsam dafür sorgen, dass auch in Fußballstadien eine konsequente Strafverfolgung stattfinden könne. „Wir dürfen auch nicht zulassen, dass sich Ultras hinter riesigen Fahnen verstecken, um sich umzuziehen und zu vermummen“, sagt Biesenbach.

Doch die NRW-Landesregierung, allen voran Innenminister Herbert Reul (CDU), hält wenig vom sogenannten Bremer Modell. Das Land Bremen hatte in einem Präzedenzfall für den erhöhten Polizeiaufwand im Hochrisikospiel gegen den Hamburger SV im April 2015 dem gastgebenden Klub rund 425.000 Euro in Rechnung gestellt und den darauffolgenden Rechtsstreit gegen die Deutsche Fußball-Liga vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vom Grundsatz her gewonnen. Die Leipziger Richter halten die Gebührenregelung für gerechtfertigt, weil die Polizei eine besondere Leistung erbringe, die sich von der allgemeinen Gefahrenabwehr abgrenzen lasse. Die DFL hat inzwischen gezahlt, doch der Rechtsstreit ist damit nicht abgeschlossen.

Acht Risikospiele in Müngersdorf

Man brauche ein bundeseinheitliches Vorgehen, fordert NRW-Innenminister Reul. „Ich gebe zu bedenken, dass Bezahlen unser eigentliches Problem nicht löst. Denn: Kein einziger sogenannter Fan, der den Fußball für Schlägereien missbraucht, wird sich vom Schlagen abhalten lassen, nur weil die Polizei den Vereinen auf einmal Rechnungen schickt.“

Bei der Kölner Polizei hat man für die laufende Saison insgesamt acht der 17 Heimspiele als „Spiele mit erhöhtem Risiko“ eingestuft, für die die DFB-Richtlinien „zur Verbesserung der Sicherheit bei Bundesspielen“ verschärfte Regeln wie die strikte Trennung der Fanblocks oder ein Alkoholverbot vorsehen.

Neben dem Derby gegen Borussia Mönchengladbach sind das die Spiele gegen Fortuna Düsseldorf, Bayer Leverkusen, Schalke 04, Eintracht Frankfurt, die TSG Hoffenheim, RB Leipzig und Union Berlin. Nach den Vorstellungen der Kölner Polizei reichen für diese Hochrisikospiele die Richtlinien des DFB nicht aus. Um auszuschließen, dass gewaltbereite oder gewaltsuchende Fans überhaupt ins Stadion gelangen, sollten die Anhänger der Gastmannschaft nur mit personalisierten Tickets ins Stadion gelangen, die in einer eigenen Vor-Kontrolle gecheckt werden, so ihr Vorschlag.

Im Februar 2016 war das bei einem Auswärtsspiel des FC in Mönchengladbach schon einmal der Fall. Weil FC-Randalierer ein Jahr zuvor nach dem Abpfiff im Mönchengladbacher Stadion über die Zäune geklettert und den Platz gestürmt hatten, musste bei drei Heimspielen nicht nur der Unterrang der Südtribüne freibleiben. Beim nächsten Derby in Gladbach gab es nur 2500 statt der üblichen 5000 Tickets, die überdies nur personalisiert abgegeben wurden. Die FC-Ultras riefen deshalb zum Boykott auf, der Block blieb halb leer.

Aus Polizeisicht war das ein voller Erfolg. Weil alle Störer wegblieben, konnte die Polizei das Personal im Vorfeld reduzieren und 10,000 Arbeitsstunden sparen. Ein Polizeiexperte hält personalisierte Tickets für Auswärtsfans bei Risikospielen für eine „Blaupause“ für den gesamten Profifußball in Deutschland. Alle Klubs hätten eine sogenannte Störerdatei mit Fans, die bereits aufgefallen, aber gegen die noch kein bundesweites Stadionverbot verhängt worden sei.

„Denen dürfte man schon nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen online und damit anonym keine Tickets verkaufen“, sagt der Experte. Sollte dieses System nicht greifen, gebe es auch für den Profifußball in Deutschland nur eine Lösung: Keine Auswärtsfans bei Risikospielen. Sollten gewaltbereite Fans ohne Ticket anreisen, werde die Polizei sich kümmern. „Sie können sich dann nicht mehr hinter friedlichen Fans verstecken“, sagt der Polizeiexperte.

Gemischte Blöcke, hoher Aufwand

Bei Risikospielen im Rhein-Energie-Stadion sei es auch wenig hilfreich, dass der FC den geschlossenen Auswärtsblock vor Jahren von 5000 auf 3600 Plätze verkleinert habe, um so mehr Platz für die eigenen Fans zu schaffen. Weil den Gastvereinen nach einer Vereinbarung der Bundesligaklubs zehn Prozent aller Tickets zustehen, habe Borussia Mönchengladbach für das Spiel vor vier Wochen in Müngersdorf eigens die 1400 Karten außerhalb des geschlossenen Gästeblocks für die Osttribüne personalisiert verkaufen müssen. Für die Polizei und die Ordnungskräfte bedeuteten solche gemischten Blöcke einen erhöhten Personalaufwand.

Die Kölner Polizei will mit dem neuen Vorstand des 1. FC Köln nach einer Einarbeitungszeit über die Sicherheit im Stadion reden. Der Forderung, die Kommission, die Stadionverbote ausspricht, öfter als alle drei Monate tagen zu lassen, sei der Klub schon nachgekommen. Jetzt gehe es darum, alle Möglichkeiten auszuloten, um noch härter gegen Gewalttäter vorzugehen. Man warte gespannt darauf, wie sich die neue Führung in Sachen Ultras positionieren werde. 

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