Badevergnügen in der Königswinterer Badeanstalt: Das Foto entstand etwa 1914. Solche hölzernen Badehäuser gab es auch in anderen Städten des Rheinlandes.
Copyright: LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte
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Köln – Eigentlich ist er nur ein Fluss. Ziemlich breit und mit Schiffen drauf. Doch wer einmal anfängt, über den Rhein zu berichten, merkt fast unmittelbar, wie viel der Strom den Menschen bedeutet, die an ihm leben, wohnen, arbeiten.
Bilder als Erinnerungen an den Rhein
Immer wieder sind es Bilder, Fotos, die Erinnerungen an eigene Erlebnisse am Rhein ins Gedächtnis rufen. Wie das damals war, als wir mit der Familie einen Ausflug zum Hochwasser machten und aus sicherer Entfernung, auf den Schultern des Vaters sitzend, über die Flutmauer in Düsseldorf-Kaiserswerth auf die riesige braune Wasserfläche guckten, zu der der Fluss angewachsen war. Oder einmal im Sommer, als wir den Bogen beim „Steine titschen lassen“ immer besser raushatten und stolz darauf waren, wenn der flache Kiesel erst vier-, fünfmal auf der Wasseroberfläche sprang, bevor er im Rhein versank.
Bildband „Das Leben am Rhein in frühen Fotografien“ zeigt historische Aufnahmen
Der Bildband „Das Leben am Rhein in frühen Fotografien“, herausgegeben von Alois Döring, ehemaliger Referent für Volkskunde im Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR), zeigt eine Fülle solcher historischer Aufnahmen vom Leben am und auf dem Rhein. Die Aufnahmen ziehen einen „fernen Augenblick in unsere Gegenwart herüber“, zitiert Döring den Kulturwissenschaftler Ulrich Hägele. In sieben Kapiteln zeigen die Fotografien, die in den Jahren zwischen etwa 1870 und dem Ende der 1940er Jahre entstanden, wie der Rhein Fischern und Schiffern als Lebensgrundlage diente, welches Leben sich in Arbeit und Freizeit an seinen Ufern abspielte und wie der Rhein mit Hochwasser und Eisgang das Leben der an ihm wohnenden Bevölkerung bestimmte.
Verweis auf untergegangenen Wirtschaftszweig
Die Fotografien vom Leben der Fischer, die Aale, Lachse, Maifische, Forellen und sogar Störe aus dem Strom holten, verweisen auf einen untergegangenen Wirtschaftszweig. Die meisten Aalschokker wurden in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg stillgelegt. In Nordrhein-Westfalen gibt es am Niederrhein noch einen einzigen aktiven Aalschokker. Statt der Fischerboote prägen heute Frachter aller Größen, Passagierschiffe und am Wochenende Ausflugsboote den Verkehr auf dem Fluss.
Fuhrleute haben auf dem vereisten Rhein im Winter 1928/29 einen Pfad angelegt. Das Überqueren kostet: Die Fuhrleute verlangen einen Obolus. Der Winter war so kalt, dass der Fluss im Februar 1929 auf insgesamt 350 Kilometern zufror.
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Erinnerungen an den zugefrorenen Rhein
Der letzte Eisgang auf dem Rhein, das letzte Mal, dass der Fluss teilweise zugefroren war, liegen schon lange zurück. Im Winter 1962/63 staute sich das Eis etwa an der Loreley derart, dass Eisbrecher nicht mehr durchkamen und der frostige Staudamm gesprengt werden musste, damit sich flussaufwärts kein Hochwasser entwickelte. Warme Industrieabwässer verhindern heute zuverlässig auch in langen Frostperioden, dass der Rhein noch einmal zufriert.
In früheren Jahrhunderten war es dagegen keine so große Seltenheit, Eisschollen auf dem Rhein treiben zu sehen. Im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fror der Rhein insgesamt zehn Mal zu, nimmt man noch die drei Winter 1953/54, 1955/56 und 1962/63 hinzu, waren es 13 Mal. Der Bildband des LVR zeigt beeindruckend, wie die Menschen im extrem kalten Winter 1928/1929 im niederrheinischen Rees (Kreis Kleve), zu Fuß den von Fuhrleuten freigeräumten Weg über das Rheineis nehmen. Einige schieben ihr Fahrrad neben sich her, Wagemutigere stapfen abseits des Weges durch die Eiswüste, zu der der Fluss geworden war.
Hochwasser am Rheinufer
Wesentlich öfter als mit Eisgang suchte der Rhein seine Anwohner mit Hochwasser heim. Vielen dürften die extremen Hochwasser der Jahre 1993 und 1995 noch in Erinnerung sein. Der LVR-Band zeigt eine Vielzahl überschwemmter Gassen und Straßen am Rhein, so auch die Aufnahme des Jahres 1929 aus Bonn. Aus Richtung Alter Zoll blickt der Betrachter nach Norden auf die überschwemmte Uferstraße, im Hintergrund die neoromanischen Brückentürmchen der Ende 1898 fertiggestellten ersten Bonn-Beueler Rheinbrücke.
Das Hochwasser des Rheins überschwemmt im Jahr 1929 die Rheinuferstraße. Im Hintergrund ist die im Zweiten Weltkrieg zerstörte, erste Bonn-Beueler Rheinbrücke zu sehen.
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Lebensgefährlicher Rhein
Jeden Sommer warnen Polizei und städtische Behörden Ausflügler am Rhein inständig, das mittlerweile wieder halbwegs saubere Wasser des Flusses nicht für ein kühles Bad zu nutzen. Schwimmen im Rhein ist lebensgefährlich. Nicht nur, aber auch wegen des intensiven Schiffsverkehrs auf dem Fluss. Ungefährlich war das Baden im Fluss auch schon im 19. Jahrhundert nicht. So ertrank zum Beispiel der jüngste Sohn des Freiheitskämpfers und Schriftstellers Ernst Moritz Arndt in Bonn im Rhein. Ungebührlich war es auch. Die Badenden abzusichern und das Badevergnügen gesittet zu gestalten, diesen beiden Zielen dienten die im Rhein schwimmenden, hölzernen Badehäuser, die seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts in großer Zahl im Rheinland aufkamen, so auch in Königswinter.
Tourismus längst vergangener Zeiten
Nicht nur zum Baden konnte man den Fluss in der Freizeit nutzen. Herrliche Aufnahmen in dem Band dokumentieren, Ausflügler auf dem Fahrrad, Spaziergänger auf der Kölner und der Bonner Rheinpromenade und Touristen auf Raddampfern.
Der Rhein als Ausflugsziel mit dem Dom im Hintergrund – das ist für Selfies ein attraktives Motiv genauso wie für die Schwarz-Weiß-Fotografie vor mehr als einem halben Jahrhundert.
Das Leben am Rhein in frühen Fotografien, Alois Döring (Hrsg.), 144 Seiten, mehr als 160 Fotos, Regionalia Verlag, ISBN 9783939722717, 14,95 Euro.
Willy Kreitz (1927 bis 2007, im Boot vorne), Redakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“, über Abenteuer auf dem Rhein bei Porz-Ensen:
„Wir kraulten Richtung Fahrrinne“
Abenteuer Rhein
Willy Kreitz (vorn im Boot) als Junge auf dem Rhein
Copyright: Privat
Je älter wir wurden, umso sicherer fühlten wir uns in der Strömung und in den „Nehren“. Zwischen den Kribben herumzutollen blieb folglich nicht das einzige Vergnügen. Ein bisschen Abenteuer sollte schon sein, und so wählten wir längere Strecken. Die Kleidung blieb dann auf dem Lieblingsplatz vor Brüggelmanns Haus, neben der Villa Klinkhammer, liegen. Wir trabten barfuß rheinaufwärts bis Porz, ein bis zwei Kilometer, um dann mit dem Strom bis Ensen zu schwimmen – oder uns ganz einfach treiben zu lassen.
Per Schiff den Leinpfad entlang
Als wir älter wurden, liefen wir nicht länger den Leinpfad hoch, sondern „nahmen“ ein Schiff. Wir taxierten die aufwärtsfahrenden Raddampfer, die drei bis fünf Kähne im Schlepp hatten, jeder etwa 40 bis 50 Meter lang, und versuchten rechtzeitig herauszufinden, wie der letzte im Wasser lag. Seine Bordwand durfte nicht zu hoch sein. Dann sprangen wir früh genug ins Wasser und kraulten Richtung Fahrrinne. Wir hielten die Fahrtrichtung des letzten Schleppkahns im Auge und ließen uns treiben. Wenn der Bug uns erreichte, mussten wir zwei bis drei Meter entfernt sein. Es folgten ein paar kräftige Züge, und wir griffen uns den Schiffsrand, der ein paar Zentimeter höher lag als der platte Laufsteg rund um die Ladeluken. Der Strom entlang des Schiffsrumpfs warf uns danach fast allein auf Schiff – geschafft.
Es kommt auf den Kapitän an
Wenn der Schiffsführer sich nicht sehen ließ, war alles in Ordnung, und wir ließen uns ein paar Kilometer rheinauf ziehen. Tauchte der Kapitän dagegen auf, studierten wir seine Mimik und Körpersprache, im schlechtesten Fall tauchten wir schleunigst wieder ab. Pech gehabt. Das war übrigens auch zu erwarten, wenn im eisernen Bord auf der Innenseite die Nieten nicht geschliffen oder die Bordwände gerade frisch geteert worden waren. Fiese Schrammen waren im ersten, stinkende, klebrige schwarze Hautpartien im zweiten Fall die Regel.