„Tod billigend in Kauf genommen“Angeklagter im Bunker-Prozess muss vier Jahre in Haft

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Der Angeklagte im Gerichtssaal in Köln.

Der Angeklagte im Gerichtssaal in Köln.

Leverkusen – Im Fall der eskalierten Schlägerei an der Notschlafstelle „Bunker“ wurde am Donnerstagnachmittag ein Urteil verkündet: Der 21-jährige Angeklagte Marcus P. muss für vier Jahre und drei Monate ohne Bewährung in Haft. Zulasten gelegt wurde ihm Körperverletzung mit Todesfolge. P. hatte durch Tritte bei dem Obdachlosen Heiko T. einen Milzriss verursacht, an dem dieser starb.

Dramaturgische Sprecherqualitäten legt Richter Peter Koerfers an den Tag, als er mit dem Urteil ausführlich den Weg der wochenlangen Urteilsfindung nachvollzieht. Marcus P. wird als sozial isolierter junger Mann dargestellt, der, mit zehn Jahren nach Deutschland emigrierte, früh ins Heim kam und dann auf der Straße landete. Zu diesen Schwierigkeiten sei ein starker Marihuana-Konsum gekommen.

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Der Angeklagte, der häufig die Nacht in der Schlafstelle am Bunker in Wiesdorf verbrachte, sei bereits drei Mal strafrechtlich aufgefallen, habe eine achtmonatige Jugendstrafe abgesessen. Sein Opfer, Heiko T., hingegen habe 23 Einträge im Bundeszentralregister, auch wegen Körperverletzung. Dieser sei, besonders bei Konsum harter Drogen, häufig launisch gewesen.

Unklar, wer zuerst zugeschlagen hat

Bereits vor dem Tattag seien die beiden Männer aneinandergeraten. Dieser Streit, bei dem Heiko T. den Angeklagten bereits tätlich angegriffen habe, wurde am 5. Juli 2020 fortgesetzt. Unklar sei, so Koerfers, wer zuerst zugeschlagen habe – aufgrund der Zeugenaussagen gehe man jedoch davon aus, dass der Geschädigte die Prügelei initiiert hat. Durch die tagelangen Beleidigungen und auch Angriffe in Rage versetzt, habe Marcus P. nach wechselseitigen Schlägen fortgefahren, auf das Opfer einzutreten – obwohl dieses bereits am Boden gelegen habe.

Den Tod habe der 21-Jährige nicht herbeiführen wollen. Doch er habe dessen Eintreten billigend in Kauf genommen, als er T. auch Tritte gegen den Kopf versetzte. Äußerlich unversehrt sei der Geschädigte daraufhin wieder aufgestanden und habe selbst um das Rufen eines Krankenwagens gebeten. Im Klinikum starb er an Blutverlust infolge des Milzrisses. Der Angeklagte habe den Tod seines Kontrahenten, als er davon in Kenntnis gesetzt wurde, nicht fassen können. Er habe sich daraufhin überwiegend geständig gezeigt.

Des Weiteren trägt der Vorsitzende der Großen Strafkammer vor, dass weder von einem Vorsatz noch von einer seelischen oder einer Bewusstseinsstörung des Angeklagten während der Tat ausgegangen werden könne. Die Aussagen eines zur Tatzeit anwesenden Zeugen wurden aufgrund dessen Verhalten vor Gericht als zweifelhaft eingestuft. Die Große Strafkammer sei zu dem Schluss gekommen, dass ein minderschwerer Fall vorliege, und nahm das Plädoyer der Staatsanwältin zum Strafmaß an. Bei der Provokation durch den Geschädigten liege jedoch keine schwere Kränkung vor. Man sei sich sicher, dass derweil große Fluchtgefahr des Angeklagten bestehe und eine Bewährung nicht helfen würde.

Eindringlich empfiehlt Koerfers Marcus P., sein Leben noch einmal neu zu ordnen und es nicht wegzuwerfen, um nicht den gleichen kriminellen Weg zu gehen wie sein Opfer. An die Ehefrau und die Schwester des Heiko T. appellierte er, sich mit dem Tod abzufinden und Abschied zu nehmen. Eine Packung Zigaretten, die die Frauen für den Angeklagten dabeihatten, durfte nicht übergeben werden.

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