Landgericht KölnLeverkusener Vater wird sexueller Missbrauch der Tochter vorgeworfen

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Plakette mit dem Namen des Landgericht Köln

Der Fall wird vor dem Landgericht Köln verhandelt.

Fast zehn Jahre lang soll sich der Angeklagte an dem Mädchen vergangen haben. Jetzt steht er in Köln vor Gericht.

Am Mittwoch, 22. Mai, hat vor dem Landgericht in Köln der Prozess gegen Jens T. (alle Namen von der Redaktion geändert) begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 60-jährigen Leverkusener eine Vielzahl an Straftaten aus dem Bereich des sexuellen Kindesmissbrauchs vor. Das mutmaßliche Opfer ist seine eigene, mittlerweile erwachsene Tochter.  

Zunächst war an diesem Vormittag im Verhandlungssaal über eine halbe Stunde lang nur eine Stimme zu hören. Dass die Verlesung der Anklage durch den Staatsanwalt nicht noch deutlich länger dauerte, lag einzig und allein daran, dass dieser in hoher Geschwindigkeit durch die einzelnen Punkte ging. Insgesamt 60 einzelne mutmaßliche Vergehen des Angeklagten umfasst die Schrift. Begangen haben soll er sie zwischen den Jahren 2008 und 2021.

Als Ausgangspunkt der mutmaßlichen Tatserie benannte der Staatsanwalt die Trennung des Angeklagten von seiner Partnerin im Jahr 2008. Von da an lebten die Eltern der 2004 geborenen Jaqueline T. getrennt voneinander. Ein- bis zweimal pro Monat habe Michelle ihren Vater in dessen Leverkusener Wohnung besucht und dort auch übernachtet. Dabei sei es zu den ersten sexuellen Übergriffen durch Jens T. gekommen.

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Detailliert beschrieb der Staatsanwalt die mutmaßlichen Taten des Angeklagten: Begonnen habe alles damit, dass Jens T. eines Tages seine Tochter im Kindesalter dazu aufgefordert habe, sich zu auszuziehen. Dann habe er mit seinem Handy Fotos des nackten Mädchens gemacht, insbesondere von ihrem Intimbereich. In den Monaten und Jahren darauf habe T. regelmäßig seine Tochter schwer sexuell missbraucht. Bis zum Jahr 2017 habe er insgesamt 52 Mal die ihm Schutzbefohlene für Geschlechtsverkehr ausgenutzt.

Auch Kinderpornografie spielt im Prozess eine Rolle

An welchen Tagen genau die mutmaßlichen Taten stattfanden, habe die Staatsanwaltschaft nicht feststellen können. Konkrete Zeiträume konnte sie jedoch bei den übrigen Tatbeständen, die dem Angeklagten vorgeworfen werden, benennen. Unter anderem soll er im November 2017 verschiedene kinderpornografische Bilder besessen haben. Im Januar 2020 lud er mutmaßlich solche Bilder auch ins Internet hoch und machte sie so anderen Nutzern zugänglich.

Kurz danach, im Januar 2021, schrieb er mutmaßlich über ein Chatprogramm mit einer Person, die sich als Mädchen ausgab. Im vollen, wenn auch irrigen, Bewusstsein ihres Alters habe er mit ihr anzügliche, sexuelle Nachrichten ausgetauscht und Fantasien über ein gemeinsames Treffen und Geschlechtsverkehr ausgetauscht.

Geständnis unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Nach der Verlesung der Anklage wurde der Prozess zunächst mehrere Stunden lang unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgesetzt. Grund dafür war, dass der Angeklagte sich in Absprache mit seiner Verteidigung bereit erklärte, sich auf ein Geständnis einzulassen: „Mein Mandant möchte sich stellen“, erklärte dazu der Anwalt der Verteidigung.

Wie es in Strafsachen, die den Jugendschutz betreffen, üblich ist, erklärte der Richter dem Angeklagten, dass es möglich ist, das Verfahren ohne Publikum und Presse fortzusetzen. Dieses Angebot nahm Jens T. an: „Mir wäre es lieber, wenn das nicht öffentlich wäre.“

Mutter des mutmaßlichen Opfers: „Das hätte ich ihm nie zugetraut.“

Die Türen des Gerichtssaals öffneten sich erst wieder für die Öffentlichkeit als die erste Zeugin zur Befragung berufen wurde: Susanne T., die Ex-Frau des Angeklagten und Mutter des mutmaßlichen Opfers. Auf die Befragung des Richters hin berichtete sie ausführlich von ihrer in die Brüche gegangenen Beziehung und davon, wie sie den mutmaßlichen Missbrauch jahrelang nicht bemerkt hatte. 

Die Trennung von Jens T. im März 2008 sei für beide sehr überraschend gekommen. Ihr Ex-Mann sei in den Monaten und Jahren zuvor immer wieder gewalttätig ihr gegenüber gewesen, habe ihr in Gesicht und Bauch geschlagen. Schließlich habe es ihr gereicht und sie sei mit Jaqueline T. und ihrem Bruder zu deren Großmutter gezogen.

Trotz der Gewalt, die sie seitens Jens T. zu erleiden hatte, habe sie nie damit gerechnet, dass dieser seine eigene Tochter missbrauchen könnte. Anzeichen pädophiler Neigungen oder derartiger Übergriffe habe sie über die Jahre ihrer Beziehung hinweg nicht wahrgenommen: „Das hätte ich ihm nie zugetraut.“

Mutter des Opfers schöpfte über Jahre keinen Verdacht

Auch nach der Trennung habe es für sie keine Gründe gegeben, Verdacht zu schöpfen: „Sie ist immer gerne zu ihrem Vater gefahren.“ Bei Jens T. habe es stets das gegeben, was die Mutter nicht kaufen wollte oder konnte: Ausflüge zu McDonalds oder ein Paar neue Schuhe. Manchmal habe sie noch gemeinsame Ausflüge mit den Kindern und ihrem Ex-Mann unternommen.

Veränderungen an ihrer Tochter habe sie kaum gemerkt. Die, die es gab, habe sie nicht auf die Besuche bei ihrem Vater zurückgeführt: „Teilweise hat sie sich mit elf noch nachts eingenässt.“ Ab dem 6. Schuljahr habe sie angefangen, sich als Junge zu kleiden und wollte ihren Schminktisch verkaufen. Als Grund für dieses Verhalten nahm Susanne T. das Mobbing an, unter dem ihre Tochter in der Schule litt.

Dass Jaqueline meist bei ihrem Vater im Bett schlief, wenn sie bei ihm übernachtete, und auch mit ihm duschte, habe sie gewusst. Zwar habe sie sich gewundert darüber, weiter angesprochen darauf habe sie ihre Tochter aber nicht. Jens T. habe betont, Jaqueline wolle das so.

Erst Stück für Stück wurde der mutmaßliche Missbrauch bekannt

Erst 2017 begann das mutmaßliche Lügengebilde des Jens T. in sich zusammenzufallen. Über ein E-Mail-Konto habe die Mutter eine E-Mail mit kinderpornografischen Aufnahmen ihrer Tochter entdeckt. Sie habe eine Kontaktsperre gegenüber dem Vater verhängen lassen. Der rastete aus, drohte mit Gewalt. Jaqueline T. sei danach nicht mehr bei ihm gewesen. Jens T. verbrachte mehrere Monate in Untersuchungshaft.

Doch das ganze Ausmaß des mutmaßlichen Missbrauchs habe sie damals noch nicht erkannt. Eine Befragung Jaquelines in einem Krankenhaus auf sexuellen Missbrauch hin sei ergebnislos verlaufen. 2021 habe dann auf einmal die Kriminalpolizei vor ihrer Tür gestanden. Jaqueline wurde noch einmal befragt. Nun erzählte sie das erste Mal vom ganzen Umfang des Missbrauchs.

Das wird sie am Freitag, 24. Mai, erneut tun müssen. Dann nämlich steht Jaquelines Zeugenaussage als Nebenklägerin vor Gericht an. Die Verhandlung wird deshalb wahrscheinlich wieder unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Ein Urteil wird planmäßig erst am 6. Juni fallen.

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